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Editorial
Eine Neuheit in dieser Welt
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«Wer immer die Geschehnisse jener Zeit durch mich oder andere kennenlernen will, der soll vorweg wissen, dass für jede Verbannung und jeden Mord, die der Princeps befahl, den Göttern Dank abgestattet wurde und dass alles, was einst glückliche Ereignisse kennzeichnete, jetzt das Unglück des Gemeinwesens deutlich macht. Trotzdem werde ich nicht schweigen, wenn etwa ein Senatsbeschluß eine noch nicht dagewesene Art von Schmeichelei oder ein äußerstes Maß an Unterwürfigkeit gezeigt hat.» (Annales, XIV, 64).

Mit diesen Worten faßt Tacitus, der größte Geschichtsschreiber der römischen Antike, voller Entrüstung über die Maßlosigkeit der Machthaber, das Klima seiner Epoche zusammen. Einer Epoche, die sich gar nicht so sehr von der unseren unterscheidet. Was damals ein Problem für die pax romana darstellte, stellt es heute für die pax americana dar. Die Verwirrung in beiden Fällen ist groß und blutig.

Und doch kam Jesus. Er trat nicht als Zauberkünstler auf, der - trotz des Menschen - alles in Ordnung bringt. Er kam nicht, um auf magische Weise alle Probleme zu lösen. Doch um die Menschen in die besten Bedingungen zu versetzen, sie anzupacken. Dabei sprach er die Freiheit derjenigen an, die ihm über den Weg liefen. Aus dem Geheimnis jener Nacht, in der er geboren wurde und die von fast allen unbemerkt vorüberging, entspringt ein neuer Blick auf das Leben, der es nicht mehr als Schauspiel von Gewaltsamkeit und üblem Verhängnis betrachtet, sondern als einen Weg hin zur Erfüllung der eigenen Bestimmung, zu einem Dienst an den Mitmenschen, voller Achtung für sie, wie für Brüder. Eine Sache jenseits der Vorstellung aller Zeitgenossen, Religionsführer und Politiker inbegriffen. Ein neuer Faktor in der Geschichte, der im Laufe der Jahrhunderte die bedeutendsten Errungenschaften auf dem Gebiet der Kunst, des Rechtes, der Geistes- und Naturwissenschaft im Leben Einzelner und ganzer Zivilisationen hervorgebracht hat.

Und dennoch ist es, als würden die meisten nichts davon bemerken, weil Gott eine ganz und gar einzigartige Methode gewählt hat, um sich kennenlernen zu lassen: das Leben eines ganz normalen Menschen, der an der Mehrheit unbemerkt vorübergehen kann. Don Giussani schreibt dazu an einer für die christliche Methode beispielhaften Stelle: ``Das Geheimnis hat in die Geschichte des Menschen eintreten wollen innerhalb einer Geschichte, die der irgendeines Menschen gleicht. Zu einem bestimmten Zeitpunkt ist es dann öffentlich aufgetreten und für den, der ihm begegnet ist, ist dies zum herausragenden Augenblick seines Lebens und der gesamten Geschichte geworden.''

Als Mensch tritt Gott in die Geschichte ein, durch eine Menschlichkeit teilt er sich mit. Hierin besteht die unvorhersehbare Originalität des christlichen Anspruchs. Die Geburt jenes Kindes erweist sich dem Herzen des Menschen und seiner Freiheit als eine fleischliche, wie Johannes Paul II. einmal sagte, als eine «hörbare, sichtbare, berührbare» Begleitung. Eine Begleitung, die den Sinn der Existenz ins Bewußtsein rückt und dazu einlädt, in den Widerwärtigkeiten der Geschichte die untilgbare Würde wieder zu entdecken, die es bedeutet, Sühne zu sein und nicht Sklaven.

Für die, die dieses Kind gesehen hatten, war die Welt nicht mehr diesselbe. Seither wird in der Geschichte und im Leben eines jeden die Freiheit dazu herausgefordert, Ihn anzuerkennen und Ihm zu folgen. Einst wie jetzt, inmitten der großen Verwirrung, die uns umgibt.