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Editorial
Wo der Friede anbricht
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Während diese Ausgabe von Spuren entsteht, geht im Irak ein Krieg vonstatten, dessen Ausgang vor allem in seinen Konsequenzen ungewiss ist. Eine Koalition unter der Führung der Vereinigten Staaten vermeinte, der Mißachtung der Bemühungen der UNO zur Entwaffnung Saddams die tragische Entscheidung zu diesem Kriegfolgen lassen zu müssen. Eine schwerwiegende Entscheidung, um deren Verhinderung sich die Kirche bis zu Letzt auf alle erdenkliche Weise eingesetzt hat.
Mit all seiner Autorität hat der Papst den `Frieden' beschworen. Viele haben Loblieder auf den Frieden gesungen; die einen mit ehrlichen Absichten, die anderen um der politischen Polemik und wieder andere um noch weniger edler Ziele willen.
Friede scheint das Wort zu sein, das alles auf den Punkt bringt, was die Menschen ersehnen. Was Gott seinem auserwählten Volk im Alten Testament verheißt, ist ebenfalls der `Friede'. Und was Amerika mit dem Krieg erreichen will, wird auch Friede genannt. Um des Friedens willen erheben sich die sogenannten `Friedensbewegten' gegen Amerika. Und es fehlt nicht an Zeitgenossen - auch Katholiken -, die in dem `neuen Volk der Pazifisten' den Heraufzug einer neuen weltumspannenden Supermacht erblicken.
Die Verwirrung ist beträchtlich. Wer ein wenig von Geopolitik und Ökonomie versteht, dem verbergen sich nicht gewisse Beweggründe, die die beiden Lager antreiben, ebensowenig aber auch Vieles, das allzu weit hergeholt und zuweilen kolossale Lügen.
Doch eines muss in heiklen Zeiten wie diesen auch demjenigen auffallen, der nichts von geopolitischen Vorgängen versteht: Die Zweideutigkeit eines Friedens, den es - wie beide Seiten verlauten lassen - dadurch herzustellen gilt, dass man "die Dinge regelt": so wollen die Vereinigten Staaten Frieden schaffen und die Pazifisten wollen in Frieden gelassen werden. Beiden Haltungen ist eines gemeinsam: die Vorstellung, der Mensch könne, wenn er sich nur anstrengt, die Dinge schon regeln, er könne das Leben schon in den Griff bekommen und seine Sehnsucht nach Frieden stillen. Der Unterschied zwischen beiden Positionen liegt allein in der Umsetzung dieser Idee: die einen bedienen sich der Kriegsführung, die anderen nicht.
Doch Krieg findet ja nicht nur statt, wenn Bomben fallen und Invasionstruppen vorrücken. Wir alle bedienen uns einer etwas subtileren Form der Kriegsführung, um unsere Stellung zu stärken, um mehr Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, um mehr Beachtung in den Medien zu finden. Formen der Gewalt schleichen sich in unsere täglichen Beziehungen ein, auch in die ganz "banalen". Würde das Ende des Irakkrieges unserem eigenen Herzen und unserem Volk den Frieden wiedergeben können?
Auf Unverständnis wird eines bei allen stoßen, die die Welt in den Griff bekommen oder sie mit ihrem guten Willen bezwingen wollen: die Aussage jenes Gottes, der Mensch wird und sagt: «Ohne mich könnt ihr nicht tun». Noch nicht einmal das, was wir selbst ersehnen! Diese Aussage ist ein regelrechter Skandal für uns und was ihn auslöst, ist ihre Wahrheit, der Schock über ihre Wahrheit, die man in der eigenen Erfahrung entdeckt, die wahrer ist, als alles, was man für gewöhnlich zu hören bekommt. Woran zeigt sich diese Wahrheit? Daran, dass der Mensch, der diese Wahrheit akzeptiert, freier ist, weniger mechanisch handelt. Der Friede ist nämlich eine Frucht des freiwiligen Anhängens an eine Gegenwart, die größer ist als der Mensch und stärker als das Böse. Fehlt allerdings eine Erziehung, die die Gründe für dieses Anhängen vermittelt, verfällt auch der noch so legitime Wunsch nach Frieden bald darauf, der Welt die eigene Weltanschauung aufzudrängen. Und wem diese nicht gefällt, der wird zum Feind des Friedens abgestempelt.
In diesen bangen Wochen vor und während des Krieges hat kaum einer darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Wahrheit in der Erfahrung kundtut. Slogans und leichtfertiges Gerede hingegen transportieren Feindseligkeit und schüren sie oft noch. Der Papst gehört zu den wenigen, die sich nicht für oder gegen eines der beiden Lager ausgesprochen hat. Er hat vielmehr in aller Klarheit verkündet, dass allein Christus «die Herzen erneuern und den Völkern Frieden schenken kann». Daher lädt er zu der Erkenntnis ein, dass der Friede im eigenen Leben ein Geschenk Gottes ist, und fordert von uns als freien Menschen, unserer Verantwortung für den Frieden gerecht zu werden. Dabei scharte der Papst Protestanten und Orthodoxe um sich - ganz im ökumenischen Sinne - und bot der Welt so ein Beipiel echten Friedens.