Interview mit Donata Wenders
Eins mit Christus wie die Rebe mit dem Weinstock
Vito Punzi
Donata Wenders: «Von dem Menschen, der wirklich Christ ist, geht etwas
aus, das sich von der Ausstrahlung anderer unterscheidet.» Ihre Erfahrung
als Christin und ihre Begegnung mit den Benediktinern von Meschede im Sauerland.
Donata Wenders wurde 1965 in Berlin geboren
und heiratete 1993 den bekannten Regisseur Wim Wenders. Seit ihrem Studium der
Filmwissenschaften an der Freien Universität Berlin beschäftigt sie
sich mit Film und Fotografie. An der Theaterschule Stuttgart setzte sie ihre
Studien in Regie fort. Seither arbeitet und assistiert sie bei der Produktion
von Spiel-, Kurzund Dokumentarfilmen. In der Fotografie hat sie sich auf
Portrait, Landschafts- und Szenenaufnahmen spezialisiert. Besonderes Interesse
zogen kürzlich ihre Schwarzweiß-Aufnahmen auf sich, die sie bei den
Dreharbeiten zum Film Buena Vista Social Club geschossen hat. Der Verlag
Ultreya zeigte 2001 eine Ausstellung dieser Fotos zusammen mit einer Reihe von
Aufnahmen ihres Ehemanns Wim in mehreren Städten Italiens.
Wie kann Christus heute das Wichtigste, das
Zentrum des Lebens sein?
Nun, ich glaube ja an Jesus Christus.
Wenn ich also glaube, das es Ihn gibt, dass
er mich gerettet hat und dass er aus Liebe zu mir gestorben ist, dann ist er
für mich real. Real, wie die Sonne. Christus spricht zunächst mal
durch die Bibel zu mir und das nehme ich für voll. Er sagt: «Ich bin
der Weinstock, Du bist die Rebe, ohne mich kannst Du nichts tun.» Er
sagt: «Liebe Deinen Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen
Kräften und von ganzem Gemüt, dann liebst Du Deinen nächsten wie
Dich selbst.»
Er sagt: «Ich bin die Liebe, die
Wahrheit und das Leben.» Wie kann da noch etwas anderes das Zentrum sein?
Wenn ich gemerkt habe, dass ich ohne ihn nichts tun kann, was wertvoll oder von
Dauer ist, ist die Folge, dass ich mich an den Weinstock anschließen
möchte. Klar. Ich will ja nicht mein Leben verbringen und sehen, dass es
alles ‚Haschen nach Wind’ war, wie es so schön im Prediger
schon heisst. Das Enorme ist ja, dass ich jeden Moment wieder die Freiheit
habe, mich als Rebe an den Weinstock anzuschliessen (wenn ich noch mal das Bild
verwenden darf) oder das auch zu lassen. Alles, was ohne Ihn geschieht und das
bedeutet, ohne Liebe geschieht, das ist also nichts Wert und ist umsonst getan!
Es vergeht einfach. Er sagt: Alles was ihr in Liebe tut, das hat ewigen Wert,
das heißt es hat kein Ende! Nicht «alles was Du Gutes tust»,
oder «wenn Du Deine Pflicht erfüllst», oder «wenn Du
tust, was Dir die Leute sagen» ...
Nein, allein: was ich in der Liebe tue, das
lebt weiter. weil Er selbst eben die Liebe ist. Seitdem ich mir das so klar
gemacht habe, ist Christus zum Zentrum meines Lebens geworden, auch wenn das so
mitten in einer Welt, die Ihn nicht sieht und schon gar nicht an Ihn glaubt,
schon eine Herausforderung ist. Ihn lieben tue ich mehr und mehr, wenn ich ihn
erfahre als Erretter, als Bruder, als Freund, als Vertrautesten, als Arzt, als
Berater, als Weggefährten -Einfach als alles!
Es entsteht eine große Dankbarkeit und Liebe ihm
gegenüber. Er wird zur ersten Liebe und damit eben zum Zentrum. Es gibt
bei Christus keine Regeln. Es gibt bei ihm nur Liebe. Alles beginnt und alles
endet in ihr und damit in Ihm. Wenn ich mich allerdings an keine Regeln und
Gesetze halte, brauche ich ihn selbst als Vorbild und brauche Seine Worte als
Licht auf einem Weg im Dunklen, sonst bin ich in einer Welt, in der Er keinen
Platz hat, ohne Orientierung und verlaufe mich ganz fürchterlich. Er sagt:
Meine Gedanken sind nicht Deine Gedanken, und Deine Wege sind nicht meine Wege.
Also muss ich auf ihn schauen, damit ich
seine Wege wahrnehme, weil sie anders sind als die, die ich mir ausdenke. Da
wird er wieder zum Zentrum meiner Gedanken. Wie kann ich also als Christ sagen,
dass Christus nicht das Zentrum des Lebens ist? Wenn man Christentum allerdings
mehr als Tradition ansieht oder als christliche Kultur, dann braucht man
Christus als Zentrum nicht.
Ich las in der Zeitschrift Chrismon, dass
Sie und Wim zu einer presbyterianischen Kirche in Los Angeles gehören,
aber gern auch die katholische Messe besuchen. Was bedeutet das? Meinen Sie,
man kommt bei einem Leben mit Christus mit denen ins Gespräch die Ihm
folgen, den Christen, allen Christen?
Christ ist für mich der, der Christus
liebt. Der Glaube an Ihn, führt uns zur Liebe zu Ihm und diese Liebe
bedeutet, dass wir etwas von Ihm kennen und ein Stück selbst so sind wie
Er, wenn es auch ganz ansatzweise nur so ist. Von dem Menschen, der wirklich
Christ ist, geht etwas aus, das sich von der Ausstrahlung anderer
unterscheidet.
Sei es ein Friede, eine Gelassenheit, eine
Freude, oder eine Bescheidenheit, was es auch immer ist, es geht etwas vom
Charakter Jesu von diesem Menschen aus. Damit ist schon klar, dass ich nicht
einfach jeden Protestanten, Katholiken, jeden Pfarrer oder jeden Bischof meine,
sondern allein die,
die wirklich der Nachfolge Jesu nachstreben. Das sind schon erschreckend wenige
in den deutschen Kirchen. Deshalb bin ich auch zum zweiten Mal aus der
protestantischen Landeskirche in Deutschland ausgetreten. Aber ich habe vor
kurzem hier in Berlin eine wunderbare evangelische Gemeinde gefunden: Die
Apostel-Petrus-Gemeinde im Märkischen Viertel.
Ebenso gibt es ein wunderbares Kloster in
Meschede, in dem die Mönche wirklich Gottes Charakter ausstrahlen. Jeder
eben auf seine ganz eigene - und
deshalb auch so ehrliche und überzeugende Weise. Es ist gelebtes
Christentum, das überzeugt. Mit all diesen Menschen bin ich
geschwisterlich verbunden. Diesen Menschen kann ich vertrauen. Man muss nicht
viele Worte machen, egal ob sie katholisch oder evangelisch sind. Eben alle
Christen, die Jesus Christus vor sich haben und mehr auf Ihn, als auf sich
selbst schauen.
Normalerweise empfindet man heute das
Schöne als etwas Vergängliches und die Welt ist
größtenteils unschön, von nichts erleuchtet, da es keinen Weg
gibt, jedenfalls kein Weg zu erkennen ist. Dostojewskj schrieb: «Die
Schönheit wird die Welt retten.» Wie kommentieren Sie diesen Satz
des russischen Schriftstellers? Wie kann man die Schönheit in der Wirklichkeit
entdecken? Was hat Christus, der Erlöser, mit der Schönheit zu tun?
Schönheit kommt immer von Gott.
Deshalb wird auch der Satz von Dostojewski immer seinen Wert behalten.
Schönheit erhebt und Schönheit schafft Hoffnung. Hoffnung ist der
Anfang des Glaubens. Es ist der letzte Faden an dem die Welt vielleicht
hängen wird. Dostojewskis Satz kommt mir vor wie eine Wahrheit, die einen
etwas tragischen Beigeschmack hat. ‘Schön’ ist ein Berg im
Winter, ein Bach im Frühling, eine Blumenwiese im Sommer, ein Laubwald im
Herbst,
Schön ist ein Mensch, der etwas
Liebevolles sagt, der etwas aus Liebe zu einem anderen tut. Schönheit ist
da, wo die Liebe am Werk war, wie eine Spur, die sie hinterlassen hat. Deshalb
ist sie wie eine Entäußerung des Göttlichen. Deshalb wird sie
die Welt vielleicht retten, weil sie das stichhaltige Zeugnis von Gottes
Existenz ist. Als wäre sie der einzige Beweis und die Welt braucht
Beweise.
Wie ist Christus, Seine Gegenwart heute,
für Ihre Arbeit (für Sie als Fotografin und für Wim als
Regisseur) und Photograph entscheidend? Wie prägt Christus Ihre Weise,
Photos oder Filme zu machen?
Christus ist eigentlich mehr und mehr die
Motivation meines Lebens und meiner Arbeit. Wir kommen Ihrer ersten Frage ganz
nahe, weil ich ja im Idealfall nichts, was ich außerhalb von Christus
tue, für wertvoll achte. Nichts möchte ich lieber lernen, als mehr
und mehr aus der Nachfolge Jesu zu handeln. Das wirkt sich im Augenblick vor
allem auf meine Fotoauswahl im Kontaktbogen aus. Es ist ganz erstaunlich: Wenn
ich genauer hinsehe, bin ich in manchen Momenten ganz offensichtlich von dem
Menschen oder der Situation vor mir ergriffen gewesen. Eigentlich sollte ich
nur dann auf den Auslöser drücken. Dann würde ich viel
Fotomaterial sparen. Sehr oft nämlich habe ich auf den Auslöser gedrückt
und auf dem Kontaktbogen zeigt sich nichts, was mich an die Gegenwart Gottes
erinnert. Es fehlt die Schönheit. Dann wird es eben nicht abgezogen. Ab
und zu finde ich doch ein Foto, wo die Schönheit mich berührt. Dann
kommt es in die Auswahl der Fotos, die ich zeige.
Ich habe gehört, dass Sie in den
letzten Monaten vom Leben der Mönche eines Benediktinerklosters
beeindruckt waren. Können Sie etwas dazu erzählen?
Im Benediktienerkloster in Meschede im
Sauerland leben über sechzig Mönche in einer von außen betrachtet
geradezu perfekt
anmutenden Gemeinschaft. Es gibt ja in der Bibel das Bild, das die Gemeinde mit
einem menschlichen Körper vergleicht. Jeder Einzelne ist wie ein Teil des
Körpers mit seinen ganz spezifischen Aufgaben, wie das Auge, der Arm, die
Zunge oder die Niere. Kein Teil gleicht dem anderen. Nur, keiner kommt ohne den
anderen aus. Also ist die Gemeinde der Gläubigen wie der ‘Corpus
Christi’, wo jeder etwas vom Charakter Jesu in die Gemeinschaft bringt,
was sich ergänzt und stützt und aufbaut.
Weil ich ja evangelisch aufgewachsen bin,
war ich in meinem Leben selten in katholischen Gottesdiensten.
Die täglichen Gebete und Liturgien und
der Rhythmus der Gebetszeiten haben mir in meinem Verständnis zum Gebet
sehr geholfen.
Zeit in einem solchen Rhythmus zu
verbringen, sich einfach in dieses Leben für einen Moment einreihen zu
können, ist ein großes Geschenk.
|