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Irland - Buchvorstellung Why the Church?
Frischer Wind in Dublin
M. C.

Ein protestantischer Theologe und der neue Erzbischof der irischen Hauptstadt, Diarmuid Martin, stellen gemeinsam Giussanis Buch Warum die Kirche? vor - in einem Hörsaal des Trinity College, der Wiege des protestantischen Denkens.

Auf den ersten Blick schien es ein Tag wie viele andere zu werden: wie immer etliche Termine, Meetings am Arbeitsplatz und andere Verpflichtungen, auch die übliche Stippvisite im Pub sollte nicht fehlen.
Anders als sonst hatte ich allerdings an diesem Abend vor, zu einer Veranstaltung im Trinity College zu gehen. Die berühmte irische Universität ist einer der Orte, die die protestantische Kultur am entscheidendsten mitgeprägt haben.
Die Wahl des Ortes schien mir ein wenig ungewöhnlich, aber meine irischen Freunde äußerten ihre volle Zufriedenheit, betonten immer wieder, dass es in Dublin keinen besseren Ort für die Vorstellung des Buches Warum die Kirche? von Don Giussani gebe.
Man hatte diese Wahl mitnichten um der Provokation willen getroffen; ausschlaggebend war der Wunsch gewesen, den Namen dieses prestigeträchtigen Ortes zu nutzen, um der Begegnung größere Bedeutung und der Frage, die auf der Einladung zu lesen war, ein größeres Gewicht zu geben: «Wie ist möglich, nach 2000 Jahren eine Gewissheit über die Person Christi zu erlangen?»
Um genau diese Frage sollte es an diesem Abend gehen. Auf dem Podium hatten Alberto Savorana, der Chefredakteur der internationalen Ausgabe von Spuren, Archie J. Spencer, evangelischer Pastor und Theologieprofessor, und der neue Erzbischof von Dublin, Monsignore Diarmuid Martin, Platz genommen.

Die Methode des Geheimnisses
Als erster sprach Alberto und gab einen Überblick über die wesentlichen Aussagen des Buches. Während er noch redete, ließ ich irgendwann einmal meinen Blick über die Leute um mich herum schweifen, und mir wurde bewusst, dass viele von ihnen das, von dem er sprach, aus eigener Erfahrung bezeugen konnten, angefangen bei der Tatsache, dass die christliche Botschaft in ihnen ein bestimmtes Interesse geweckt hatte, wie dieses mit der Zeit gereift war und dann – in der Regel fast unerwartet - ein Teil von ihnen wurde, eins mit dem Leben. Es waren vertraute Worte, die mir Ereignisse und Situationen in Erinnerung riefen, die mal länger, mal weniger lang zurück lagen.
Ich war noch ganz mit den Gedanken bei diesen Überlegungen, als jemand mit stark nordamerikanischem Akzent zu sprechen begann. Bei seinen Ausführungen – die Beine hatte er bequem unter dem Tisch ausgestreckt - kam Archie Spencer immer wieder auf einen Punkt zurück: um das Geheimnis kennen lernen zu können, muss der Mensch die Methode anwenden, die das Geheimnis selbst gewählt hat, um sich bekannt zu machen, und das es gewissermaßen als ‘Erbe’ hinterlassen hat. Spencer machte so einen Widerspruch im Denken unserer Zeit deutlich: auf der einen Seite lernt jemand den religiösen Sinn oder die Menschlichkeit Jesu schätzen - wie es denen ergangen ist, die den Film The Passion sahen -, andererseits kann er nicht akzeptieren, dass die Kirche «nicht ein Weg ist, sondern der Weg», um Jesus kennen zu lernen.

Ein Dialog auf Distanz
Zuletzt sprach der neue Erzbischof von Dublin. Sein Vortrag war zugleich auch sein erster öffentlicher Auftritt seit der Amtseinführung. Schon nach wenigen einleitenden Sätzen wurde deutlich, dass sein Beitrag ein Dialog mit dem Autor des Buches, mit Don Giussani, sein wollte, der räumlichen Distanz zum Trotz. Zunächst war es dem Erzbischof ein Anliegen, eingehend zu klären, worum es bei der Frage Warum die Kirche? genau geht, um das Gesagte dann am Leben der irischen Kirche aufzuzeigen; damit machte er zugleich auch die Leitlinien seiner Vorstellungen für die Pastoral deutlich.
Von seinen Ausführungen haben sich mir vor allem drei Aussagen, die er besonders unterstrich, eingeprägt. Die erste betrifft die Methode der Erkenntnis. Wenn man, um ein Urteil über einen Gegenstand abgeben zu wollen, diesen kennen muss, dann muss dasselbe Kriterium auch angewandt werden, wenn es um die Kirche geht. Um die Kirche kennen lernen zu können, muss man sich auf eine Beziehung einlassen, andernfalls wird das Urteil, ohne dass man es merkt, von der vorherrschenden Mentalität bestimmt. Zu verstehen, was die Kirche ist, ist entscheidend für ein reifes Bewusstsein. Der zweite Punkt, den er betonte, bezog sich auf den Raum der Freiheit, der jedem Christen gegeben ist; darüber hinaus lag ihm sehr daran, zu unterstreichen, dass es keine Evangelisierung geben könne, wenn am Anfang nicht die persönliche Umkehr des Einzelnen stehe.
Im Laufe seiner Ausführungen gab der Erzbischof so eine Antwort auf die zentrale Frage des Buches von Don Giussani: Auf die Frage Warum die Kirche? müssen wir antworten: «We need the church; we need that encounter with Jesus who reveals ourselves to ourselves.» Wir brauchen die Kirche, wir brauchen diese Begegnung mit Jesus, der uns uns selbst offenbart.
Manch einer mag, als er die Universität verließ, gedacht haben: da bricht ein neuer Morgen in Irland an.