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40 Jahre II. Vatikanisches Konzil
Gemeinsamkeit in den Zielen
Giorgio Sarco und don Luigi Giussani

1979 nahm Don Giussani in einem Interview mit Giorgo Sarco zum Verhältnis zwischen dem Zweiten Vatikanischen Konzil - das vor genau 40 Jahren zu Ende ging - und Gioventù Studentesca, wie Comunione e Liberazione seinerzeit hieß, Stellung. Wir geben diesen Abschnitt im Folgenden wieder.

Welchen Einfluss hatte das Konzil auf die Bewegung? Ist der Vorwurf berechtigt, Comunione e Liberazione sei in vorkonziliaren Positionen verankert geblieben?
Ich erinnere mich noch an unseren überschäumenden Enthusiasmus, als wir feststellten, dass in den Konzilstexten, die nach und nach veröffentlicht wurden, auf ganz organische Weise Themen entwickelt wurden, die den tiefsten Inhalt unserer intellektuellen Sensibilität, unserer Zielsetzung und unserer Lebenspraxis darstellen. Wir waren voller Dankbarkeit, weil wir den erschöpfenden Grund von dem, was wir lebten, mit größerer Vollständigkeit und Tiefe, mit Autorität in den Konzilstexten formuliert fanden. Ich erinnere mich beispielsweise an das Fest, das wir nach der Veröffentlichung von Lumen gentium feierten, wo der Akzent, besonders im achten Abschnitt, so großartig auf die Kirche als einer Gemeinschaft gelegt wird, die sichtbar und erfahrbar ist und der man begegnen kann: Das ist der Kern unserer Bemühungen. Ebenso verhielt es sich mit Gaudium et spes, wo es um das Interesse und die Leidenschaft für die Welt geht, um die Wertschätzung der Bemühungen des Menschen, auch wenn diese als letztlich vorläufig wahrgenommen werden. Auch dies war stets für uns charakteristisch, wie man an der Leidenschaft erkennen kann, mit der sich unsere Leute begierig auf die Suche nach der Wahrheit im Menschlichen begeben haben, wo und wie auch immer sie sich finden ließ. Je wahrer dieses leidenschaftliche Mitempfinden jedoch ist, desto stärker verspürt man diese letzte Traurigkeit über die Unvollkommenheit des Menschlichen, auf Grund derer die Hoffnung nur in der Erfahrung Christi ihre Erfüllung findet. Zu den Sätzen, die ich immer wieder zitiert habe, zählt im Übrigen der folgende: «Ich bin nicht gekommen, um das Gesetz aufzuheben, sondern um es zu erfüllen», das heißt, um es wahr werden zu lassen. Das «Gesetz» ist der höchste Ausdruck der geistigen und moralischen Anstrengung des Menschen. Gott wertet es nicht ab, sondern er greift es auf und erfüllt es im Geheimnis Seiner Gegenwart. Nein, man kann wirklich nicht behaupten, dass wir uns nicht im Einklang mit dem Konzil befunden hätten. Im Übrigen: Sind nicht gerade jene Theologen, deren Bücher uns geprägt haben, die Vorläufer und Experten des Konzils? Man denke nur an De Lubac und Von Balthasar, und man könnte weitere Namen hinzufügen. Die Vorwürfe uns gegenüber haben unterschiedliche Motive. Viele Protagonisten des konziliaren «aggiornamento» in Italien waren überzeugt, dass das Konzil die katholische Kirche für ein Gedankengebilde geöffnet habe, das bestimmten philosophischen und soziologischen Moden entlehnt ist. Wir dagegen haben zwar alle Wissenschaften auf ihrem jeweiligen Gebiet respektiert, waren aber überzeugt, dass der Ausgangspunkt, auf den uns das Konzil wieder verwiesen hat, die Nachahmung der geistigen Struktur und der Methode war, die Christus in seinem Leben benutzt hat. Sich der Welt zu öffnen, bedeutet nicht, die Ideologien der Welt womöglich unkritisch zu übernehmen. Es bedeutet vielmehr, sich mit der Sehnsucht nach Wahrheit auseinanderzusetzen, die die Menschen bewegt.