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Politik
Das Recht Israels, der Völker, des Menschen


Der neue iranische Regierungschef hat in einer Rede zur Vernichtung des Staates Israel aufgerufen. Politiker, Intellektuelle, Juden, Christen und Muslime versammelten sich daraufhin vor der Botschaft des Iran in Rom, um gegen diese Erklärung zu protestieren. Wir drucken einen Teil der Reden ab, die während der Demonstration gehalten wurden.

Emilia Guarnieri
Präsidentin des Vereins «Meeting für die Freundschaft unter den Völkern»

Gibt es etwas Schrecklicheres als die Behauptung der eigenen Identität um den Preis der Beseitigung des anderen? Aus welcher Quelle stammt eine derart radikale und sich selbst lähmende Feindschaft? Die einzige Weise, die ich kenne, um ein Ereignis zu beurteilen, jedwedes Ereignis, ist die, meine Erfahrung mit dem zu vergleichen, was geschieht. Und meine Erfahrung, wie die vieler, die auf dem Meeting arbeiten (...), ist die, dass es möglich ist. Es ist möglich, Bindungen einzugehen zwischen verschiedenen Identitäten, verschieden nach Geburt, Tradition, Kultur; man kann einen Dialog beginnen, der der gegenseitigen Kenntnis und dem gegenseitigen Respekt etwas hinzufügt, ohne deshalb auf die eigene Identität zu verzichten. (...)
Hier, in der Erfahrung einer sicheren Identität, die keine Angst hat, dem anderen zu begegnen, hat die Wurzel der Demokratie ihre Heimstatt. Im natürlichen Bedürfnis, dass das Zusammenleben die Bejahung der Person fördern soll, dass die «sozialen» Beziehungen die Persönlichkeit in ihrem Wachstum nicht behindern sollen. Der Sinn des Menschen «als solchem», die Behauptung des Menschen «weil es ihn gibt». Nur die Entdeckung, dass ich den anderen zum Leben brauche, und der tiefe, leidenschaftliche Wunsch, dass der andere sich vollendet zum Ausdruck bringen können möge, bewahrt vor der Versuchung, das demokratische Zusammenleben auf einen reinen Umstand äußerer Ordnung oder Sitte zu verkürzen. Denn in einem solchen Fall neigt der Respekt vor dem anderen unweigerlich dazu, eins zu werden mit einer grundlegenden Gleichgültigkeit gegenüber dessen Bestimmung. (...)
Was verbindet uns (...) mit allen Juden so sehr, dass wir aufspringen angesichts der wüsten Schreie aus dem Iran, gerade so, als ob sie an uns gerichtet wären? Der Sinn einer Geschichte, jene Auffassung der Person als einzigartig und unwiederholbar, die zum Erbe der gesamten zivilisierten Welt gehört. Oder wie Benedikt XVI. uns ins Gedächtnis rief: «(...) Die Erwählung eines Volkes, das aus Abraham hervorgeht, so dass die Person geschaffen wird für das Heil der Welt. Mit einer Aufgabe, die sich als dieselbe Aufgabe des ganzen Volkes erweist.» Und da der Begriff des Volkes nicht abstrakt ist, sondern den Menschen und seine Bestimmung betrifft, seine Verwurzelung in einer Erde, ist jede Verteidigung der Juden, die nicht auch Israel verteidigt, Heuchelei oder getarnter Antisemitismus. (...) So wie es recht ist, den Palästinensern ein Vaterland zu geben und allen Nationen des Nahen Ostens eine Entwicklung zu sichern, so ist es auch grundlegend, das Recht Israels auf Wachstum und Gedeihen zu bewahren.
Deshalb ist es keine Rhetorik zu wiederholen, dass «wir Juden sind». Wir sind Juden, wenn drei christliche Mädchen in Indonesien auf offener Straße enthauptet werden. Wir sind Juden gegenüber den Beleidigungsparolen, die jemand gegen den Papst an eine Kirchenwand in Turin geschrieben hat. (...)
Wenn wir nicht fortwährend lernen, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, wenn wir uns nicht von der Wirklichkeit erziehen lassen, retten wir sie nicht. Apropos Erziehung: Man möge mir nachsehen, wenn ich mit den Worten jenes Menschen schließe, der für mich und für viele Meister und Vater ist, Don Giussani. Am 18. November 2003 erklärte er in einem Fernsehkommentar zu den Opfern von Nassirya: «Das Volkslied könnte neu erstehen, wenn der Horizont der Vereinten Nationen eine Erziehung der Herzen der Menschen wäre, anstatt Debatten über den Tod. (...) Wenn es eine Erziehung des Volkes gäbe, ginge es allen besser.» Heute empfinden wir diese Worte als wahrer denn je.

Magdi Allam
Vizedirektor der Tageszeitung Corriere della Sera

Liebe Freunde, ich verheimliche euch nicht meine tiefe Rührung, wenn ich als italienischer Staatsbürger, Muslim und Laie, dafür einstehe, das unzweideutige Existenzrecht des Staates Israel entschieden zu verteidigen. Liebe israelische und jüdische Freunde, euer Kampf für das Existenzrecht Israels ist auch mein Kampf für das Recht auf Leben aller, einschließlich der Palästinenser, die sich zurecht nach einem eigenen, unabhängigen Staat sehnen, einschließlich der allzu vielen Muslime, die Opfer des barbarischen Terrorismus islamistischer Prägung wurden. Auf dem Feld des Lebensrechts haben wir alle ein Heimspiel. Es ist ein Kampf der Zivilisation und für das Leben, den wir gemeinsam angehen müssen und in dem wir gemeinsam siegen werden. (...)
Ich bitte die politische Klasse Italiens, die heute Abend einen großartigen Beweis ethischer und politischer Reife geliefert hat, weiterhin ein folgerichtiges Verhalten an den Tag zu legen. Was bedeutet, dass man denen nicht mehr die Hand drücken noch mit ihnen Vereinbarungen unterschreiben kann, die Israel das Existenzrecht aberkennen. Im Bewusstsein, dass man mit der Legitimierung und Stärkung der Feinde des Lebensrechts aller weiterhin Unsicherheit und Konflikte überall auf der Welt schürt. (...) Ob es einem gefällt oder nicht, aber es ist eine geschichtliche Tatsache, dass die Palästinenser sich nur deshalb auf den Weg zur Verwirklichung des Traums eines unabhängigen Staats machen konnten, weil Israel sich willig und verfügbar zeigte, als am 13. September 1993 Rabin Arafat die Hand drückte. Demgegenüber haben die arabischen Staaten die Geburt eines palästinensischen Staates immer behindert - ob es einem gefällt oder nicht. (...) Denn jene, die die Geburt eines palästinensischen Staates verhindern, sind genau jene, die Israel das Existenzrecht aberkennen. Das beweist die Tatsache, dass der palästinensische Selbstmordterrorismus im Oktober 1993 ausbrach, just nach dem historischen Handschlag zwischen Rabin und Arafat. (...)
Heute mehr denn je müssen alle, die ehrlich einen Staat für die Palästinenser wollen, vor allem ohne Wenn und Aber das Existenzrecht Israels unterstützen. Heute mehr denn je müssen alle, die ehrlich eine freie und demokratische arabische und islamische Welt wollen, vor allem ohne Wenn und Aber das Existenzrecht Israels unterstützen. Heute mehr denn je müssen alle, denen eine gemeinsame Zivilisation des Menschen am Herzen liegt, in welcher der Wert der Heiligkeit des Lebens aller triumphiert, vor allem ohne Wenn und Aber das Existenzrecht Israels unterstützen.

Riccardo Di Segni
Oberrabbiner der jüdischen Gemeinschaft Roms

(...) Unser Protest richtet sich nicht gegen den Iran noch gegen das iranische Volk, dessen Kultur wir bewundern und dessen Wechselfälle wir in den letzten Jahren besorgt verfolgt haben. Wir verbrennen keine Flaggen. Die Flagge des Iran ist hier auf der Bühne aufgestellt, auf dem Ehrenplatz, der ihr zukommt, neben der italienischen und der israelischen. (...) Ich habe nicht vor, das Existenzrecht des Staates Israel zu beweisen. Sich auf diese Ebene zu begeben bedeutet, vorab einen Unterschied zwischen diesem und anderen Staaten zuzugeben. Und das ist nicht hinnehmbar. Man stellt die Existenz Italiens nicht zur Diskussion oder die Frankreichs, des Irak, des Iran oder irgendeines anderen Staates der Welt. (...)
Neben der politischen Analyse stellt die jüdische Sicht noch andere Blickwinkel vor: den jahrtausendealten historischen und den religiösen. (...) Es handelt sich um den uralten Hass gegen das Volk Israel, der es seit seiner Entstehung verfolgt, sobald es sich ein wenig zu organisieren versucht. (...) Es ist der Hass, von dem der Psalm 83 spricht, aus dem ich einige Verse zitieren möchte: «Gegen dein Volk ersinnen sie listige Pläne und halten Rat gegen die, die sich bei dir bergen. Sie sagen: "Wir wollen sie ausrotten als Volk; an den Namen Israel soll niemand mehr denken."» (...) Man soll nicht an das Märchen glauben, das Recht des Staates Israel anzuzweifeln sei nur ein politisches, antikolonialistisches Problem und nicht etwa eine Kundgebung des Hasses gegen die Juden. (...)
Das gegenwärtige Paradox ist, dass, während Europa und das Christentum sich mit dem Volk Israel versöhnen, die islamische Welt mit der Religion den antijüdischen Hass wiederentdeckt und zur Stützung primitiver und vergröbernder geschichtlicher Interpretationen verwendet, wie des Mythos des Staates Israel als Vorposten der westlichen Zivilisation und Hindernis gegen das islamische Wiedererwachen. (...)
Aber wir sind nicht hierhergekommen, um eine Klage zu hören oder noch einmal mehr den Protest gegen den antijüdischen Hass. Unsere Gegenwart hier soll das Recht aller, nicht nur Israels, auf Existenz als freie Völker unterstreichen. Um universelle Rechte zu unterstreichen, die von totalitären und unterdrückenden Kulturen systematisch verletzt werden. (...) Das jüdische Volk, das sich erneut als verletzt und angegriffen zeigt, ist auch und vor allem ein optimistisches Volk, das fest an das Leben glaubt. (...) Und vielleicht liegt es gerade an dieser radikalen Anfrage, dass die totalitäre Welt uns nicht ertragen kann. (...)