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Bischofssynode
Jesus Christus gegenwärtig in der Geschichte von heute
Angelo Scola

Wir veröffentlichen Auszüge aus der Einführung und dem Schluss des Beitrags des Patriarchen von Venedig, Kardinal Angelo Scola, vom 3. Oktober 2005 zur Bischofssynode über die Eucharistie

EINFÜHRUNG - Eucharistie: Die Freiheit Gottes kommt der Freiheit des Menschen entgegen
I. Das eucharistische Staunen
Bei der Eucharistiefeier können die Gläubigen auf gewisse Weise die Erfahrung der beiden Jünger von Emmaus nachvollziehen: »Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn« (Lk 24, 31) [1].Darum erklärt Johannes Paul II., dass die eucharistische Handlung Staunen auslöst [2]. Staunen ist die unmittelbare Antwort des Menschen auf eine ihn hinterfragende Realität. Es drückt die Erkenntnis einer ihm freundlich gesinnten Realität aus, es ist ein Positivum, das die grundlegenden Erwartungen trifft. Der hl. Paulus erklärt im Römerbrief den Grund hierfür: Die Realität bewahrt den guten Plan des Schöpfers. An diesem Punkt konnte der Apostel von den Menschen sagen »die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten« sind »unentschuldbar«, denn »obwohl sie Gott erkannt haben« - vom Moment »seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen« - »haben sie ihn aber nicht als Gott geehrt und ihm nicht gedankt« (vgl. Röm 1, 19-21). Unsicherheit und Angst können sich dagegen in einem späteren Moment in der Erfahrung des Menschen breit machen, wenn sich aufgrund der Endlichkeit und des Bösen in ihm die Angst, dass das Positive der Realität nicht bleiben könne, die Oberhand gewinnt. So fügt sich einerseits die eucharistische Handlung, wie ja auch das gesamte Christentum als Quelle des Staunens [3] in die menschliche Erfahrung ein. Anderseits jedoch äußert sie sich als nicht erwartetes und völlig unentgeltliches Ereignis. In der Eucharistie enthüllt sich, dass der Plan Gottes ein Plan der Liebe ist. In ihr steigt der Deus Trinitas, der in sich Liebe ist (vgl. 1 Joh 4, 7-8), hinab in den hingegebenen Leib und in das von Jesus Christus vergossene Blut und wird zu Speise und Trank, die das Leben des Menschen nähren (vgl. Lk 22, 14-20; 1 Kor 11, 23-26).
Wie die beiden Jünger von Emmaus, die, wiederbelebt durch das eucharistische Staunen, ihren Weg wieder aufnahmen (vgl. Lk 24, 32-33), so ist auch das Volk Gottes, das sich der Kraft des Sakramentes hingibt, getrieben, die Geschichte aller Menschen zu teilen. (...) Warum ist die Eucharistie das faszinierende Herz des Lebens des Gottesvolkes, das für die Rettung der gesamten Menschheit gedacht ist? Weil sie in der heutigen Geschichte Jesus Christus als vollendeten Sinn der menschlichen Existenz in all ihren persönlichen und gemeinschaftlichen Dimensionen enthüllt und präsent macht [4]. Das zeigt sich auf anthropologischer, kosmologischer und sozialer Ebene. (...)
In der Eucharistie wird Jesus konkret der Weg für jene Wahrheit, die das Leben schenkt (vgl. Joh 14, 6) [5].
In Ihr wird die Kirche, die gleichzeitig personal und sozial ist, ein Volk der Völker, jene bewundernswerte ethnische Einheit sui generis, über die Paul VI. sprach [6].

SCHLUSS - Das eucharistische Dasein in den gegenwärtigen Bemühungen
I. Zusammenfassung
In dem Zusammentreffen in Freiheit, das die eucharistische Handlung versöhnt, erneuert sich seit 2000 Jahren mit besonderer Intensität im Ritus der Eucharistie die menschliche Erfahrung des Staunens. Gerade in der Verwirklichung des Ritus, durch die Erniedrigung des Sohnes, am Kreuz gestorben, auferstanden, und durch die Gabe des Heiligen Geistes, zeigt, schenkt und teilt sich der Vater dem Menschen mit. (...)
Vor allem in diesen Zeiten besonderer Bemühungen, die alle Kulturräume der Welt betreffen, wird der Christ, der sein eigenes gemeinschaftliches Dasein in eucharistischer Form lebt zu einem unermüdlichen Verkünder und Zeugen Jesu Christi und seines Evangeliums und zwar in allen Bereichen der menschlichen Existenz: vom Wohngebiet bis zur Schule, in der Arbeit, in der Welt der Kultur, der Wirtschaft, der Politik, der sozialen Kommunikation, usw.
Die auf eucharistische Weise gegründeten christlichen Gemeinden werden Orte, an denen jeder Mensch die Erfahrung machen kann, dass die Nachfolge Christi das ewige Leben eröffnet, indem sie schon vom Innern der Geschichte das Hundertfache bietet (vgl. Mt 19, 29). Frauen und Männer jeden Standes, jeder Rasse und Kultur können in jedem Moment ihres Lebens, andere Männer und Frauen treffen, Christen, die kraft des eucharistischen Daseins, sich ihnen als diskrete Weggefährten auf einem Weg der Freiheit präsentieren.

[1] Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia 6.
[2] Vgl. ebd., 5-6.
[3] Vgl. Johannes Paul II., Redemptor hominis 10.
[4] Vgl. Missale Romanum, Oratio Post Communionem, I Dominica Adventus.
[5] Vgl. Augustinus, Kommentar zum Johannesevangelium 69, 2.
[6] «Wo ist das Gottesvolk, von dem so viel geredet wurde, und heute noch die Rede ist, wo ist es? Diese ethnische Entität sui generis, die sich durch ihren religiösen und messianischen Charakter unterscheidet und qualifiziert (priesterlich und prophetisch, wenn ihr wollt), die alles in Richtung Christi als seinen Brennpunkt zusammenführt und ganz von Christus stammt? Wie ist es zusammengesetzt? Wie ist es charakterisiert? Wie ist es organisiert? Wie übt es seine ideale und belebende Mission innerhalb der Gemeinschaft, in welcher es eingetaucht ist, aus? Wir wissen wohl sehr gut, dass das Gottesvolk heute, historisch, einen für allen bekannteren Namen trägt, es ist die Kirche.» Paul VI., Generalaudienz, 23. Juli 1975.