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Briefe
Briefe September 2005
Zusammengestellt von Paola Bergamini

"Danken wir Gott für diesen Papst, dem wir mit unserer ganzen Person dienen wollen"
Nachfolgend veröffentlichen wir die Nachricht, die Don Julián Carrón, Präsident der Fraternität von Comunione e Liberazione, an alle Freunde der Bewegung geschickt hat, nachdem er am 26. August von Papst Benedikt XVI. im Apostolischen Palast von Castel Gandolfo in Privataudienz empfangen worden war:
"Liebe Freunde. Heute Morgen hatte ich die Ehre, dass der Heilige Vater mich in Begleitung von Don Pino und Giancarlo Cesana, empfing. Der Papst zeigte großes Interesse an unseren Erfahrungen, in all ihren Ausdrucksformen, vor allem an den erzieherischen Aspekten. Mit besonderem Interesse habe er auch das Meeting verfolgt. Und nachdrücklich hat Benedikt XVI. uns gebeten, besondere Grüße all jenen auszurichten, die daran teilgenommen haben. Danken wir Gott für diesen Papst, dem wir mit ganzer Hingabe dienen möchten.
Don Julian Carrón, Castel Gandolfo, 26. August 2005

Das Beileidschreiben von Comunione e Liberazione anlässlich des tragischen Todes von Frère Roger, dem Gründer der Gemeinschaft von Taizé, am 16. August 2005
Don Julian Carrón und ganz Comunione e Liberazione schließen sich der
Trauer Benedikt XVI. angesichts des Sterbens von
Frère Roger aus Taizé an.
Mit Leidenschaft für wahrhaftige, christliche Ökumene hat die Einfachheit
seines Glaubens an Christus eine Gemeinschaft hervorgebracht, die Tausende
von Jugendlichen erreicht hat. Don Giussani wird ihn im Himmel in einer
ewigen Bruderschaft treffen.
Mailand, den 17. August 2005

Beim Lesen von Spuren
Liebe Freunde, ich bin Seminarist in Sierra Leone und lebe und arbeite in der Diozese von Maheni, im Norden des Landes. Besser als mit eigenen Worten beschreibt Carrón meine Begegnung mit der Bewegung: Die Überraschung einer Gegenwart, die dir entspricht. Ich verdanke dieses Zeugnis meinem Bischof, Monsignor Giorgio Biguzzi. Er stammt aus Italien und ist in Cesena geboren. Er kannte meine Neigungen zu einer Reihe philosophischer und theologischer Überlegungen und empfahl mir, Spuren zu lesen. An jenem prophetischen Tag entdeckte ich etwas Wichtigeres als Philosophie und Theologie. Ich entdeckte als Grund meiner Existenz eine Gegenwart. Ich lebe in einem Land, das gerade zehnjährige Kriegswirren hinter sich hat. Nun beginnt eine neue Phase politischer sozialer und kultureller Entwicklung. Die Begegnung hat meinen Horizont verändert und daher auch mein Leben. Ihre Botschaften bringen mir neue Klarheit in mein Leben. Gegenüber dieser Gegenwart bin ich nicht mehr aufgebracht angesichts meiner Grenzen noch niedergedrückt wegen der Armut und Verzweiflung meines Landes. Von diesem Ausgangspunkt aus kann ich die Hand Gottes erkennen, die mich und mein Land einlädt, das Ereignis des Anfangs zu erneuern. All dies dank euch von Spuren. Durch euch habe ich begonnen, der Bewegung zu folgen, trotz der Entfernung, ohne Angst und Zaudern. Ich identifiziere mich mit eurer Art zu denken und die Dinge zu sehen. Ich bin niemals einem Cielino begegnet. Und doch scheint es mir, dass ich euch schon immer kenne: Wenn ich von Samars bewundernswerter Arbeit für die Waisen in Betania lese, von Don Mario und seiner Bemühung, die Ärmsten von Buenos Aires zu unterrichten, von den Memores und ihrer Entscheidung, für Christus zu leben und zu arbeiten, von den Tausenden, die sich zu den jährlichen Exerzitien in Rimini versammeln. Ich bin stolz, ganz Christus anzugehören, und noch wichtiger, ich spüre die Präsenz der Bewegung sogar in ihrer Abwesenheit. Ich bin Christus begegnet in der Präsenz der Abwesenheit der Bewegung. Diese Präsenz, die dich leben und das Leben mit allen teilen lässt.
Aloysius, Sierra Leone

Ein Artikel von Spuren
Lieber Alberto. Ich bin Liuba vom CLU aus Moskau, die dir schreibt. Ich übersetze für das russische Spuren-Heft. Dieses Mal wurde ich gebeten, einen Artikel über Andrea zu übersetzen, der an einer schweren Krankheit verstorben ist. Für seine Freunde und Verwandten und für drei Sträflinge war es ein tiefgreifendes Zeugnis, obgleich sie ihn nicht kannten. Aber sie hatten durch ihren Lehrer von ihm gehört. Der Artikel spricht von der Hoffnung, die unerwartet und wunderbar wie eine Blume in der Wüste blüht. So bin auch ich tief berührt und überrascht von dem, was ich gelesen und übersetzt habe. Danke.
Liuba, Moskau

Jedes Ziel ist ein Anfang
Wie jedes Jahr ging auch dieses Jahr eine Kommission der Schule, an der ich unterrichte, in das Gefängnis von San Vittore, um den Insassen, die an der Schule teilnehmen, die Prüfung abzunehmen. Nach den gewöhnlichen Fragen verabschiedete ich einen der Schüler mit einem banalen: "Danke, Sie können gehen." Er erhob sich aber nicht vom Stuhl und nach einigen Augenblicken der Stille sagte er in gebrochenem Italienisch: "Wissen Sie, meine Eltern wollten mich mit einem Mädchen verheiraten, das ich nicht liebte; so bin ich gegangen und nach Italien gekommen und bin zum Straßenhändler geworden. Dann passierte das, weswegen ich hier bin. Aber inzwischen bin ich dem Christentum begegnet und konvertiert." Und während er den Rosenkranz hervorholte fügte er hinzu: "Hier drin kann ich nicht ohne dies leben; es ist meine einzige Hoffnung." Es vergingen einige Augenblicke, in denen er mir fest in die Augen sah, dann sagte er: "Würde es Ihnen etwas ausmachen, mit mir ein Vater unser zu beten?" Ich stimmte zu, obgleich mir angesichts meiner Mathematik-Kollegin, der Gefängniswärter und der übrigen Insassen, die nebeneinander vor mir auf den Schulbänken saßen, das Wort im Hals stecken blieb. Wir machten das Kreuzzeichen und beteten das Vater unser. Ergriffen und dankbar wollte ich ihm zum Abschied erneut die Hand reichen, aber er insistierte: "Wissen Sie, dass ich Gedichte schreibe? Ich habe den ersten Preis eines Wettbewerbs gewonnen, der von Haftanstalten Norditaliens organisiert wurde." Es interessierte mich, und ich bat ihn, mir eines vorzutragen. Er erhob sich, ging in seine Zelle und kam mit seinem Gedichtbüchlein zurück, aus denen er mir einige vorlas und dann hinzufügte: "Darf ich es Ihnen schenken? Ich widme es Ihnen." Die Widmung lautet: Jedes Ziel ist ein Anfang.
Luisella, Mailand

In der Ferne studieren
Ich habe drei Söhne, die Musiker sind. Mein dritter Sohn, Emanuele, hat dieses Jahr das Gymnasium fern von zu Hause, in Pescara, besuchen müssen, auf Wunsch seines Geigenlehrers, der dort wohnt. Nach der Schule kam er für einige Tage nach Hause, um sich auszuruhen; aber er musste quasi sofort wieder aufbrechen. Vor dem Aufbruch zeigte er sich traurig angesichts der Trennung und der Anstrengung, die ihm bevorstand. Ich merkte, dass Worte ihm wenig halfen, und so empfahl ich ihm den Artikel von Vittadini, der in der Juni-Ausgabe von Spuren erschienen war. Hier nun, was er mir dann schrieb: "Liebe Mama, ich habe an das gedacht, was du mir gesagt hast, vor allem aber habe ich an meine Zukunft gedacht. Sowie ich mich beklagte, weil es mir nicht gefiel, von euch wegzugehen, kam auch eine Frage: "Was, wenn die Geige mir nicht entspricht? Wenn alle meine Mühe nur Zeitvergeudung ist? Ich habe den Artikel erneut gelesen und war überrascht, weil mir klar wurde, was ich da tat. Ich stelle mich nun dieser Zeit des Studiums und der "Isolation", wie ich es noch nie getan habe, nämlich mit einem Grund. Der Grund ist, dass ich mein ganzes Tun der Gottesmutter hingebe, die unser Vorbild und unsere Hoffnung ist. Sie lässt mein Studium nicht umsonst sein, auch wenn ich später nicht Violinist werde. Jeder hingegebene Augenblick ist ein gewonnener Augenblick für das Leben. Ich bin mir dessen bewusster, was ich tue. Ich vertraue mich jemand Anderem an mit der Gewissheit, dass all das, was mir passiert, meiner Bestimmung dient und dass Jesus, der gegenwärtig ist und der mein Leben ist, mir hilft. Ich hoffe, dass dies der richtige Weg ist, auch weil die Musik so schön ist! Es ist eine bessere Möglichkeit, mein Sein auszudrücken."
Cecilia, Vieste

Freiheit hinter Gittern
Wir veröffentlichen den Brief eines Inhaftierten an seinen Freund
Lieber Freund, ich müsste mich geschmeichelt fühlen über das Urteil, dass du über mich abgegeben hast, also mich als einen großen Menschen betrachten. Aber ich fühle mich wie ein niederträchtiges Etwas. Ohne Zweifel hat die Erfahrung, die wir teilen und die ich dank Gigis kennen lernen konnte, meinem Leben eine Wende gegeben, aber nie wird man eine derartige Betrachtung anstellen können. Meine Ehefrau ist wirklich eine großartige Frau. Ich war in Voghera, wo ich Gigi kennen gelernt habe, und dort war ich für lange Zeit allein geblieben. Sie sagte mir, dass ich mich als Eremiten betrachten soll, damit ich die Last der Einsamkeit nicht so spüre. Aber das war es nicht, was mir Sorgen machte. Was mir Sorgen machte, war das, was in der Folgezeit geschah: meine Verlegung nach Novara, wo ich gezwungen war, wieder mit der schlimmsten hybris Mensch zu leben. Das hat noch mehr dazu geführt, dass ich mich in mich selbst zurückgezogen habe, weil ich mich entschied, mit niemandem in Beziehung zu treten. Und das überzeugt mich noch mehr von der Großartigkeit meiner Frau. Wenn es wirklich möglich wäre, meine Haft für die Erlösung der Welt aufzuopfern, wäre ich der glücklichste Mensch auf der Welt. Aber ich glaube nicht, dass das möglich ist. Aber wenn es möglich ist, zu diesen Umständen ja zu sagen, sie dem Herrn zu opfern, wenn das auch nur zur Rettung eines Menschen dienen kann, dann ist mein Ja ein Ja, Ja, Ja. Nie mehr werde ich im Geiste ein Opfer der Lüge sein. Beim heiligen Johannes wird die Sünde mit der Lüge gleichgesetzt und normalerweise Lüge genannt von unserem lieben Don Giussani. "Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst?". Auch das ist ein guter Lesestoff, den ich fast täglich wiederhole. Es ist traurig, dass ich vor dieser Lehre bisher nicht viel gelernt habe, sondern nur an Vergängliches und Besitz gedacht habe. Aber ich habe nicht zu spät erkannt, dass es sehr wichtige Dinge gibt und dass das, was euch groß macht, die Lehre von Gius ist: "Wie kann ich an dem Guten in der Welt mitarbeiten?" Meine Haft habe ich bereits in Freiheit verwandelt, denn Er hat meine Ketten zerbrochen und daher lege ich dem Herrn meine Gelübde ab. Die Kette, an die wir gebunden sind, ist sehr konkret und mit jedem Moment unseres Lebens verbunden, mit jedem Ausdruck, bei jeder Bewegung muss etwas zerbrochen werden, aber ich glaube nicht, dass mich das von dem Weg der Heiligkeit abbringen kann. Du hast mich mit deinem Brief wirklich bewegt und zwar so, wie das eigentlich nur meine Tochter Carla kann, die mir die Tränen in die Augen treibt, ohne dass ich es merke. Ich bin immer auf der Suche nach der Wahrheit und der Möglichkeit, in ihr der Botschaft der Hoffnung zu begegnen, auf die ich schon so lange warte; und nach einem weiteren Onkel für meine Töchter, außer Gigi auch du.
Bruno, Novara

Das Geschenk der Hoffnung
Den vorliegenden Brief schrieb eine Lehrerin an ihre Freunde, nachdem einer ihrer Schüler aus der 5. Klasse des Gymnasiums Selbstmord verübt hatte
Mittwoch Nachmittag erhalte ich einen Anruf: "Paolo hat Selbstmord begangen." Ich kann für ihn nichts sagen, außer Veni Sancte Spiritus. Und dann folgt ein Strudel von Ereignissen und Gedanken. Ich hatte ihn gestern in Latein abgefragt …Wie grausam ist manchmal die Wirklichkeit: zu Hause bei Paolo, wo ich sofort mit Rita, einer meiner Kolleginnen hingegangen bin; und im Krankenhaus, wo das Rosenkranzgebet seinen letzten Atemzug begleitet hat. Wie tief sind die Abgründe des Herzens, fragte ich mich, als ich kurz darauf die blühende Schönheit seines Gesichtes sah, das vom gerade eingetretenen Tod gezeichnet war. Und dann stellte ich mir zusammen mit meinen Schülern die Frage "Warum?", um dann in meinem Unvermögen weinerlich anzufügen "Gott weiß es, Gott weiß es". Und dann fragte ich - erschrocken durch die Gewalttätigkeit seiner Tat gegen Gott und sich selbst - : "Was hast du getan, Paolo?" Als ich aus dem Saal gehe, in dem Paolo ruht, treffe ich seinen Onkel. Er nimmt mich zur Seite und sagt: "Siehst du, Don Giussani hatte Recht, als er sagte: "Wenn ich nicht dein wäre, mein Christus, würde ich mich als endliche Kreatur fühlen". So wurden wir Freunde. Ja. Jesus. "Es bedarf einer unendlichen Kraft, um diese Barmherzigkeit zu sein", hallt es sofort in meinen Ohren wider, während ich mir das Osterplakat dieses Jahres vor Augen halte. Ja, denn es bedarf einer unendlichen Kraft, um nicht zu fragen "Was hast du getan?", sondern "Liebst du mich?". Als ich am Tag darauf mit einem seiner Klassenkameraden, die mich gefragt hatten, warum Paolo das getan hat, nach Hause ging, habe ich ihm geantwortet, dass eine Frage, die so gestellt ist, nur zu einem traurigen Rätsel führt. Ich sagte ihm, dass die wahre Frage dahinter vielleicht folgende sei: Was ist seine Bestimmung? Oder besser ausgedrückt, was ist meine Bestimmung? Die Antwort auf das, was geschehen ist, ist keine Theorie über die Hoffnung und ebenso wenig eine unbändige Kraft, mit der man versucht dem Schmerz zu widerstehen oder ihn auszutreiben, sondern Christus, der gegenwärtig ist. Entweder ist er konkret in der Geschichte, in diesem Leben oder wir sind Visionäre, wenn wir an die Auferstehung glauben. Ohne Christus herrscht das Nichts: wie meine Kollegen, die sich versteckten, oder wie einige von Paolos Kameraden, die nun schon Untersuchungen darüber anstellten, wer die Verantwortung für das Geschehene trage. Statt dessen hat mich Christus in diesen Tagen überrascht, weil er lebendig ist: in der Gemeinschaft der Bewegung, die mir half vor der Wirklichkeit zu "stehen", die ich vor Augen hatte, auch in ihrer Grausamkeit. Durch die einfache Tatsache, dass er "da" war, in der Einheit mit den anderen Lehrern der Bewegung, hat er mich verstehen lassen, dass wahre Verantwortung nicht in einer Vergewisserung der Schuld besteht, sondern im Bewusstsein, dass die Wirklichkeit, diese Wirklichkeit mich berührt hat, mich gerufen hat: Um mich zu bekehren, um das Leben zu verändern. "Wo bist du?" habe ich Jesus vom ersten Augenblick an gefragt. Christus ist da und ist wirklich auferstanden. Ich sehe das in dem, was er gewirkt hat und in diesen Tagen wirkt. Im Kreuz dieses Faktums hat er den Samen eines "neuen Anfangs" eingepflanzt, seine Auferstehung, die jeden Tag sein lebendiger und neuer Verbleib im Leben ist. Ich habe den Schülern aus Paolos Klasse in den drei Tagen des Zusammenseins gesagt, dass man nicht alleine ist und dass Er hier ist. Das ist keine Theorie über die Hoffnung, sondern die Hoffnung, seine süße Gegenwart. Die Wirklichkeit ist unabwendbar positiv, weil Er da ist. Und nicht nur das, er bewirkt die Wiedergeburt des Lebens. Der Sieg Christi ist das christliche Volk. Es ist wahr! Das zeigt der unabwendbare Durst nach dieser Gegenwart, der sich in der Freundschaft einiger meiner Schüler zu mir zeigt, der Durst nach einer Gegenwart, die die Tränen trocknet und sagt: "Weine nicht". Das ist Hoffnung.
Luca

Das Hundertfache hier und jetzt
Maria Luisa, 55 Jahre alt, ist im vergangenen Oktober nach 21 Jahren Multipler Sklerose von uns gegangen; Franca dagegen vor etwas mehr als einem Monat mit 59 Jahren auf Grund eines Tumors. Das Hinscheiden zweier geliebter Freundinnen, einfach und groß, selbst, als das Geheimnis des Lebens die Form des Kreuzes angenommen hat: die Erfahrung des Schmerzes und der Mühe hat uns gezeichnet und zusammengeführt , indem sie uns alle aus der Fraternitätsgruppe Sant'Andrea verwandelt hat. Eine Gruppe, in der man um Maria Luisa und ihren Ehemann herum nicht schwatzen oder sich in einer sentimentalen oder theoretischen Art anschauen konnte. Dieses für mich und meine Freunde zu ersehnen, fiel mit der Nachfolge des Charismas von Don Giussani zusammen. Mit wachsamer Aufmerksamkeit auf das, was das Leben der Bewegung nach und nach vorschlug, zu schauen, bedeutete, einem Anderen zu folgen, ihn anzuschauen, zu hören. Und diese demütige und leidenschaftliche Treue wurde zu einer Quelle, die ständig durch eine wachsende Zuneigung unter uns erneuert wurde, einem ernsthaften Versuch, auf die Bedürfnisse des anderen zu antworten, einer unvorstellbaren Freude auch angesichts der Krankheit und des Todes. Wir hatten natürlich für unsere beiden Freundinnen um das Wunder der Heilung gebeten und das Wunder ist geschehen, wie der Sohn von Franca auf ihrer Beerdigung sagte. In der Form "einer Liebe, die zu einem reißenden Fluss geworden ist, eine Ungeschuldetheit aus einer anderen Welt in dieser Welt", die uns "der Ungeschuldetheit Gottes gewiss sein lässt, die Barmherzigkeit heißt". Ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes hatte Andrea überrascht gefragt, wie er es schaffte, Maria Luisa nach all den Jahren zu Hause zu behalten, da alle ihm bekannten Ehemänner, die Frauen mit einer Sklerose hatten, diese verlassen hatten. Ich glaube, das genau dies das Hundertfache hier und jetzt ist. Unsere Freundinnen, die bis zum Schluss am Leben der Bewegung teilnahmen, haben bewusst die große Prüfung akzeptiert, die ihnen vorbehalten war, indem sie Schmerzen und Mühen für Don Giussani, die Bewegung und später für Carrón aufgeopfert haben. Und man sah, dass dieses brüderlich vorgeschlagene und begleitete Opfer nicht einfach nur ein Wort war. Auf der anderen Seite war da das Zeugnis ihrer Familien: Es gab nie Klagen, Misstrauen oder Wut, sondern eine starke familiäre Einheit, eine intelligente Unterstützung in der Pflege, die Freiheit, um Hilfe zu bitten, wenn sie notwendig war, eine frohe Hinwendung zu dem guten Plan, der wirklich geheimnisvoll war, aber den es gab. Die Krankheiten von Johannes Paul II. und Don Giussani sind dabei besondere Möglichkeiten des Teilens und Beispiels gewesen. Für jeden von uns bestand das Hundertfache darin, das Leben von Maria Luisa und Franca bis zum Schluss teilen zu können, indem wir von ihnen mit Dankbarkeit aufgenommen wurden für das Wenige, was wir tun konnten; ein Anruf, ein Überraschungsbesuch, eine Stunde in Gemeinschaft oder ein Kuchen für die Familie. Wenige Tage, bevor sie starb, sagte mir Franca, während ich mich von ihr verabschiedete: "Weißt du ... Ich hätte nicht gedacht, dass Gemeinschaft so treu und intensiv sein kann!".
Elisa, Mailand

WELTJUGENDTAG
Das Maß Gottes

Bei den Messfeiern zur Eröffnung und zum Abschluss ist mir staunend bewusst geworden, dass es nur einen einzigen vernünftigen Grund für die weite Reise dieser vielen Menschen zum WJT gibt: dass Er da ist und uns eingeladen hat. Von einigen Freunden, die der Kirche nicht so nahe stehen, bin ich gefragt worden, woher denn wohl diese Begeisterung für den Papst komme, den die Jugendlichen doch noch gar nicht so gut kennen. Ich glaube, dass der Papst beim WJT sehr deutlich gemacht hat, dass es nicht um ihn geht, sondern dass auch er "gekommen ist, um Ihn anzubeten" und dass die Einladung und das "Maß" hierzu von Gott selbst ausgeht. Seine hingebungsvolle Beziehung zu Gott hat die Menschen fasziniert. Er hat die Jugendlichen ernst genommen und sie persönlich herausgefordert, das "Gold" ihres Lebens in der Hingabe ihres Lebens für Gott zu entdecken.
Annette Beckers, Köln

Das Schöne in die Welt tragen
Die Tage des Weltjugendtags haben mich sehr bewegt und einen Wandel in meinem Leben eingeleitet. Ich habe vor einigen Monaten endlich den Kontakt zum Seminar der Gemeinschaft in Köln gefunden. Bisher war ich nur auf den Freizeiten von CL dabei. Durch meine Begegnung mit diesen Personen ist mir bewusst geworden, was Freundschaft bedeutet und wie sehr die Gemeinschaft in Christus mein Leben bereichert. Einige Zeit hatte ich das Interesse an der Kirche nahezu völlig verloren. Durch die Mitglieder von CL fühle ich mich ernst genommen und auf neue Art herausgefordert, so dass ich meinem Leben gegenüber viel neugieriger und bewusster geworden bin als zuvor. Der Weltjugendtag hat für mich in dieser Entwicklung einen neuen Schritt in der Begegnung mit Christus im Kreis der Freunde eingeleitet. Durch die Begegnung mit der Bewegung war ich angeregt, die Woche des Weltjugendtags zusammen mit mehr als 900 italienischen und deutschen Schülern und Studenten von CL zu verbringen, die nach Köln angereist waren. Wenngleich ich in Köln wohne, war für mich klar: Ich möchte die Woche der Weltjugendtage unmittelbar mit diesen Menschen erleben, egal unter welchen Bedingungen. So wurde auch ich mit einem Pilgerrucksack ausgestattet und schlief, wie die anderen, im Schlafsack im Musiksaal des Albertus-Magnus-Gymnasiums in Bad Godesberg. Mein Bett zu Hause vermisste ich nicht, trotz wenig Schlaf. Die Tage waren voller großartiger Eindrücke und begannen stets mit der Katechese in der Stadthalle Bad Godesberg. Schon am ersten Tag fiel mir in der Gruppe eine Vertrautheit auf, die mich, wie bei jeder Freizeit von CL, überraschte. Als wir dann am Mittwoch den Kölner Dom besuchten, wo auf dem Vorplatz die Jugendlichen verschiedener Nationen zusammen feierten, freudig Lieder ihres Landes sangen und Polonäsen veranstalteten oder am Donnerstag den Papst begrüßten, wurde mir das Motto des Weltjugendtages Wir sind gekommen, um ihn anzubeten in seiner Dimension wirklich bewusst: Alle diese Menschen aus so vielen Ländern waren aus dem gleichen Grund da. Christus führte uns zusammen! Doch besonders der Samstagabend mit der Vigil auf dem Marienfeld brachte für mich eine entscheidende Wende: Bei den Freunden in der Gruppe hatte ich mich aus Interesse über den von Papst Benedikt XVI. angekündigtem Ablass erkundigt und dafür schon am Mittwoch im Dom gebetet. Ich hatte das letzte Mal 1998 aus Anlass meiner Firmung gebeichtet. Mehr aus Neugierde als aus Überzeugung hatte ich mich auf den Vorschlag des Ablass eingelassen und am Samstagabend, direkt nach der Vigil, bei einem Priester der Bewegung auf dem Marienfeld gebeichtet. Ich habe davor einige Tage überlegen müssen, da mir erst gar keine Sünden einfielen. Nach dieser Beichte fühlte ich mich befreit und gewiss, von Christus geliebt zu sein, so wie ich bin. Ich gehe glücklich und gestärkt aus diesen Tagen hervor! Das Schöne, das ich getroffen habe, möchte ich nun, wie die Heiligen Drei Könige, hinaus in die Welt tragen.
Marco, Köln

Die Weiße Rose
Die Wahrheit zeigt sich sichtbar in der Geschichte, genauso wie in meinem Leben für meine eigene Person. Die Geschichte der Freunde der Weißen Rose, wie wir sie entdecken durften, ist für uns (so wie es uns auch viele andere bezeugt haben) nicht von unserer eigenen Geschichte getrennt. Im Gegenteil, die Beschäftigung mit ihr war eine Gelegenheit, unsere eigene Erfahrung zu vertiefen, deutlicher werden zu lassen. Auf dem Weltjugendtag und dem Meeting, aber auch den vielen weiteren Ausstellungsorten teilte und teilt sich weiterhin diese Menschlichkeit in der je eigenen Art und Weise mit. Das versetzt uns in Staunen und Dankbarkeit. Wenn nun äußerlich andere Aufgaben anstehen, wächst die Wertschätzung für die Mitteilung. In der wachsenden Gewissheit, dass in Christus alles Bestand hat, möchten wir mit dem Zitat von Romano Guardini auf unserer Tafel Entscheidung schließen: - das alles hebt seinen eigentlichen Sinn nicht auf. Im Letzten wird es vollzogen vor Gott allein, Seinem Wissen anvertraut und Seiner Hand anheimgegeben, dass Er es in die große Rechnung der Welt einfüge, wo er will.
Karin Amann, Rita Sumser, Freiburg