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Meeting Rimini
Die andere Seite des Islam
Camille Eid

Vier Begegnungen mit dem Vize-Chefredakteur von Corriere della Sera, einem Islamwissenschaftler, einem Professor für Arabische Sprache und Literatur und mit der Vorsitzenden des Vereins der marokkanischen Frauen in Italien

Gibt es einen moderaten Islam? Diese Frage gehört mittlerweile zum Standard im Themenkatalog des westlich-islamischen Dialogs. Und wer die Möglichkeit hatte, während des Meetings an einer der vier Begegnungen zum Thema Islam teilzunehmen, konnte eine bestätigende Antwort mit den Händen greifen. Beeindruckende Zeugnisse von Personen, die ihre persönliche Unversehrtheit aufs Spiel gesetzt haben, um die Möglichkeit einer Versöhnung des eigenen islamischen Glaubens mit den westlichen Werten zu bekräftigen. Einer von ihnen ist der Islamist Nasr Hamid Abu Zayd, der 1995 in Ägypten wegen Abtrünnigkeit verurteilt wurde und nach Holland floh, da er in seinen Schriften die Vorgehensweise der klassischen Schriftauslegung auf den Koran angewandt hatte. Den Zuhörern des Meetings erklärt Zayd, warum sich im Verlauf der Begegnung "Der Islam und das alltägliche Leben" so viel Opposition regte. "Das Rezitieren des Koran skandiert das Leben der Gemeinschaft und des einzelnen Muslim. Die Muslime fürchten das kritisch-literarische Studium. Sie haben instinktiv Angst vor dem Verlust dieser sinnlichen Erfahrung, die nur im Rezitieren und innerhalb des Ritus geschieht und darauf basiert, dass jedes einzelne Wort des Koran als direktes Gespräch mit Gott gilt. Sie fürchten, dass der Koran sich der Bibel angleicht und somit zu einem Buch wird, das auf Eingebungen basiert und von Gott spricht, jedoch nicht mehr das direkte Gespräch mit ihm beinhaltet."
Besonders herzlich wurde der Vizedirektor des Corriere della sera, Magdi Allam begrüßt. Er stellte den letzten Teil seiner Autobiographie Die Angst besiegen vor. "Aufgrund des verständlichen Klimas, das der Terrorismus islamischen Typs verursacht, haben wir aufgehört, den Stereotyp des homo islamicus zu kreieren. So haben wir Schwierigkeiten, uns die menschliche Dimension jenseits einer Ideologie vorzustellen, die wiederum Frucht der Instrumentalisierung einer ganz bestimmten Interpretation der Religion ist."
Wenn es kein Modell des islamischen Menschen gibt, dann gibt es auch kein Modell der arabischen oder muslimischen Frau.Valentina Colombo, Dozentin für arabische Sprache und Literatur an der Universität in Viterbo, hat in ihrer Anthologie Worte einer Frau, Körper einer Frau, arabische Frauen vorgestellt, die über sich und ihr Leben sprechen, insoweit "das Wort der grundsätzliche Ausdruck einer freien Person ist." "Als ich begann, das Material für diese Anthologie zu sammeln", erklärt Colombo, "fürchtete ich, kaum etwas zu finden. Ich habe jedoch mit großer Freude entdeckt, dass es unendlich viele arabische Frauen gibt, die zum Stift greifen, um sich und ihre eigenen Probleme zu erklären."
Auch Souad Sbai, Präsidentin der Vereinigung marokkanischer Frauen in Italien, ist bei der Veranstaltung Frauen und Islam zugegen. Sie wird als "klassischer Beweis der anderen Seite arabischer Frauen" vorgestellt, "der Frauen, die eine führende Rolle übernehmen." Sbai berührt brennende Themen, wie etwa die Frage des islamischen Schleiers. "Ich bin dagegen", sagt sie, "ich bewundere Frauen, die ihn wegen ihres Glaubens tragen, doch betrachte ich ihn als einen politischen Schleier, der instrumentalisiert wird. Sie berichtet auch von dem Kampf der Frauen, der in vielen muslimischen Ländern um ihre Rechte geführt wird: "Wenn man heute den Grad der Demokratisierung in der muslimischen Welt messen will, muss das erste Kriterium die Situation der Frau sein."
Ein breites Forum bot das Meeting den Erfahrungen der beiden islamischen Länder Irak und Afghanistan, die zäh nach der Freiheit suchen. "Einige Gesellschaften halten die Demokratie für selbstverständlich, weil sie nur dieses Modell kennen gelernt haben", sagte der irakische Außenminister, Hoshyar Zebari. "Aber wir im Irak wissen viel zu gut, was die Alternative zur Freiheit ist." "Der Islam", so fügt er hinzu, "ist kein Synonym für Terrorismus. Die Integralisten und die islamischen Gemeinschaften sind für die Verbreitung dieser Ideologie des Hasses verantwortlich. Umso mehr brauchen wir deshalb einen Dialog mit den moderaten Kräften, der uns dann ermöglicht, die allgemeinen Ideale anzuerkennen." Der afghanische Außenminister griff diese Thematik auf, indem er sich als "Muslim und Weltbürger" vorstellte. Sein Islam "ist eine Religion, die zum Dialog mit allen anderen Gemeinschaften des Glaubens ermutigt" und, so fügte er hinzu, "den Islam durch eine unkorrekte Interpretation zu missbrauchen, die die Zerstörung von historischen Monumenten zulässt, hat nichts mit diesem Glauben zu tun."
Die Muslime, die gegen diesen Typ des Islam angehen, kämpfen offenbar gegen sehr konkrete Windmühlen. Aber "wir können weder der Angst noch dem Pessimismus nachgeben", wie Benedikt XVI. den Stellvertretern der islamischen Gemeinschaften in Deutschland gesagt hat. Denn das, was uns bewegt, ist eine Leidenschaft für die Begegnung mit den Personen für das, was sie sind. Im Namen der Liebe für die Freiheit, die uns alle zu Brüdern macht.