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Famiglie per l'accoglienza
Pflegefamilien
Stets offen für die Nöte anderer

Marco Mazzi

Vor 25 Jahren entstand die italienische Vereinigung von Pflegefamilien «Famiglie per l'accoglienza». Zunächst schlossen sich ihr nur Adoptiv- und Pflegeeltern an. Inzwischen hat sie sich auch anderen Formen der Aufnahme geöffnet.

Die Vereinigung «Famiglie per l'accoglienza» [Familien für die Aufnahme] besteht aus Familien, die vorübergehend oder für immer eine oder mehrere Personen aufnehmen. Sich angenommen und geliebt zu wissen ist unverzichtbar für ein umfassendes Wachstum der Person. Dabei ist die Familie das erste natürlich Umfeld dieser Annahme.
Die heutige Gesellschaft sieht die Erfahrung der Familie allerdings als Privatsache an, die in geschlossener Weise gelebt und eifersüchtig gehütet werden muss. Zugleich beeinflusst sie aber deren Struktur, indem sie Lebensmodelle einführt, die nicht der Tradition entsprechen. «Famiglie per l'accoglienza» will hingegen dabei helfen, den Wert der Familie auch als gesellschaftliches Subjekt zu vertiefen und zu verbreiten. Ausgehend von der christlichen Lebenserfahrung, verfolgt sie das Ziel, «Minderjährige und Erwachsene, die in Schwierigkeiten sind, anzunehmen und ihre Aufnahme zu fördern", wie es in den Statuten heißt. Das geschieht in unterschiedliche Weise, nämlich durch Adoption, Pflege oder Gastfreundschaft für «schwache» Mitglieder einer Familie oder für Erwachsene.
Vorrangiges Ziel ist die Unterstützung von Familien, die ihr Zuhause Menschen in Schwierigkeiten öffnen: Kindern aus problematischen Verhältnissen, einsamen alten Menschen, Angehörigen von Patienten, die sich zur Behandlung in Krankenhäusern fern von ihrem Wohnort befinden, Studenten und jungen Menschen, die sich fern von ihren eigenen Familien befinden. Die Vereinigung will dabei den Erwachsenen helfen, die Aufnahme anderer in der eigenen Familie als Weg der persönlichen Reife für sich selbst zu verstehen. Durch ein Netz von Freundschaften werden dabei konkrete Erfahrungen ausgetauscht, hilft man sich gegenseitig im Alltag und bestärkt somit auch die Grundlagen der eigenen Erziehung.

Träger eines Gutes
Die Formen der Aufnahme sind zwar unterschiedlich. Was sie aber eint, ist die Öffnung des familiären Umfeldes, um eine «fremde» Person in den konkreten Alltag des eigenen Zuhauses aufzunehmen, also jemanden, der nicht zum aktuellen Modell der Kernfamilie gehört. Das Herz dieses Netzes der Solidarität bildet somit die Freundschaft zwischen ganz normalen Menschen, die die eigene Berufung als Ehegatten und Eltern in umfassender Weise leben und die Bedeutung der Annahme vertiefen wollen.
In der programmatischen Schrift La Dimora ritrovata, [Die wiedergefundene Heimstätte] heißt es dazu: «Unser beständiges Engagement erwuchs aus dem Bewusstsein, dass jede Person einen einzigartigen und unwiederbringlichen Wert besitzt, und dass wir alle vom Verlangen nach Glück und Erfüllung geprägt sind und in der Welt etwas schaffen wollen. Deshalb ging unserer Initiative nicht in erster Linie von den negativen Umständen aus, die nach Aufnahme und Gastfreundschaft riefen. Ausgangspunkt war hingegen das Bewusstsein, selbst ein Gut erhalten zu haben und so die Erfahrung des Aufgenommenseins leben zu können. Das ist eine notwendige Voraussetzung, um die eigene Person, das eigene Sein, als reich und wertvoll wahrzunehmen. Diese Erfahrung entstand durch das Beispiel einer Menschlichkeit, die andere annimmt. Sie befähigte uns selbst, andere ebenso aufzunehmen. Dabei wurden einerseits die Gründe dieser Haltung mitgeteilt und zugleich die wahren Bedürfnisse der Person deutlich.
Deshalb war die Aufnahme weder Folge einer besonderen Neigung oder Heldenhaftigkeit noch das Ergebnis eines Spezialeinsatzes. Stattdessen drückt sich darin eine Dimension der Person aus, die aus dem Bewusstsein erwächst, selbst angenommen zu sein.
Viele Mitglieder des Vereins berichten, dass sie mit der Aufnahme anderer begannen, weil sie die eigene Familie als etwas Positives wahrnahmen, das auch für andere Früchte tragen konnte. Die Aufnahme zeigt sich in der Gastfreundschaft, die für immer Bestand hat, weil sie nicht auf irgendwelche Ansprüche und Erwartungen baut, sondern sich auf die Natur der Person bezieht: Es handelt sich also vor allem um eine Begegnung von Personen».

*Vorsitzender der Famiglie per l´accoglienza