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Thema-1968 in Amerika
Tatsachen, die die Augen geöffnet haben
Lorenzo Albacete

Vor nicht allzu langer Zeit hätte der Ausdruck «68er-Generation» für die meisten Bürger der USA nichts bedeutet. Nicht nur weil die meisten Amerikaner von Geschichte, auch von der eigenen, nicht viel wissen, sondern auch weil man die Ereignisse von 1968 im Unterschied zu Europa nicht als Ausdruck ideologischer Veränderungen in der amerikanischen Geschichte auffasste. Die Ermordung Martin Luther Kings und Robert F. Kennedys, die Têt-Offensive in Vietnam, die dem Krieg die Unterstützung der Bevölkerung entzog, die wachsende Gewalt im Kampf um Bürgerrechte, der zunehmende Einfluss der Frauenbewegung und der Homosexuellen und so weiter, all das wurde als Zeichen bevorstehender Veränderungen in Amerika verstanden. Aber abgesehen von denen, die ohnehin so dachten, sah man dies nicht als Ausdruck einer einheitlichen Gedankenströmung, die sich immer mehr Raum schaffte, um schließlich jeden Lebensbereich in den USA zu beeinflussen. Im Gegenteil, man sah in den Ereignissen in der Regel den Ausdruck von Problemen, die es zu lösen galt. Man glaubte, dass das politisch-ökonomische System in der Lage sei, diese Fragen zu lösen.
Als einzige ideologische Auseinandersetzung sah die Gesellschaft in den USA den Kampf zwischen der traditionell amerikanischen Denkweise – ganz gleich ob liberal oder konservativ – und dem Kommunismus.
Zwei Ereignisse, die nicht in der üblichen Liste von Schlüsselereignissen der 68er auftauchen, zeigten aber nach und nach, was in den folgenden Jahren geschehen würde. Sie machten deutlich, dass es sich in Wirklichkeit tatsächlich um den Beginn einer ideologischen Auseinandersetzung handelte.
Das erste war die Veröffentlichung der Enzyklika Humanae Vitae von Papst Paul VI., der die traditionelle Verurteilung der künstlichen Geburtenkontrolle seitens der Kirche erneuerte. In einer Atmosphäre des Fortschritts hatten die Innovationen des Zweiten Vatikanischen Konzils auch die meisten US-Katholiken davon überzeugt, dass die Kirche den Gebrauch der Pille akzeptieren würde; zumal sie immer mehr Frauen benutzten, um sich von der Abhängigkeit vom eigenen Körper zu lösen. Die Menschen waren von dieser Abhängigkeit entbunden. Als die Enzyklika veröffentlicht wurde, begann sich die Einheit der Kirche aufzulösen. Die Pfarrgemeinden wurden zu Orten des öffentlichen Protestes. Viele Kritiker der kirchlichen Lehre versuchten zwar, sich und andere davon zu überzeugen, dass man das Problem durch einen Dialog lösen könne. Doch wurde es schnell deutlich, dass sehr viel mehr als die Geburtenkontrolle auf dem Spiel stand. Tatsächlich betraf der Streit die unterschiedlichen Interpretationen von Freiheit und die menschliche Sichtweise, von denen diese unterschiedlichen Interpretationen abhängen. In der Auseinandersetzung von 1968 begann, sich die wahre Natur dessen zu zeigen, was geschah.
Das zweite Ereignis war der Film 2001 – Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrik. Auch wenn die meisten den Film nur als Science Fiction sahen, handelte es sich in Wirklichkeit um eine außerordentliche und beeindruckende und imponierende Darstellung der Geschichte der menschlichen Evolution aus einer rein laizistischen, wissenschaftlichen und technologischen Perspektive, in der der Fortschritt als Emanzipation des Menschen von der Abhängigkeit von seinem Körper und als Triumph des Geistes verstanden wurde. Die wahre Natur dessen, was geschah, begann ihr Gesicht zu enthüllen.
Der Film konnte natürlich nicht das Jahr 2001 in Betracht ziehen. Der 11. September hat die Amerikaner aber gezwungen, ernsthaft über das nachzudenken, was bereits damals aufs Spiel gesetzt wurde.