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Thema - Das Werk der Bewegung
Wie ein Kloster im Alltag
Sebastian Hügel

Einige Familien von Würzburg bis München treffen sich regelmäßig, um eine persönliche Beziehung zu Christus als dem geheimnisvollen Sinn der Wirklichkeit zu pflegen.

Zu unserer Fraternitätsgruppe gehören Adolf und Marigiò mit ihren sechs Kindern Thomas, Franci, Monica, Veronika, Martin und Miki. Sie wohnen in der Nähe von Würzburg und sind vor zwei Jahren aus Kenia nach Deutschland gekommen. Erica und ich wohnen mit unseren beiden Kindern Simon und Sophie in München, wo auch Thomas lebt. Jessica und Bernhard sowie Martin und Maria mit ihren Kindern Benedikt und Bernadette wohnen genau dazwischen.
Was führt eine solche Gruppe zusammen? Am Anfang steht die Freundschaft der beiden Ärzte Martin und Adolf. Martin hat in Köln studiert, Adolf in Freiburg, 500 Kilometer voneinander entfernt. Zusammen haben sie Praktika in Krankenhäusern gemacht und sich mit den brennenden Fragen der Medizin auseinandergesetzt. Als Adolf Anfang der 90er Jahre nach dem Studium als Chefarzt nach Norduganda und später nach Kenia ging, gründete er mit Martin und einigen anderen Freunden «Support» - die deutsche Partnerorganisation der Hilfsorganisation AVSI, die jetzt von Martins Frau Maria geleitet wird. Vor zwei Jahren kam er mit seiner Familie nach Deutschland zurück. In Afrika hatte er seine italienische Frau kennen gelernt. Für Martin und Maria war schnell klar, dass sie die Freundschaft mit ihnen in einer Gruppe der Fraternität vertiefen wollten. Auch für Marigiò und Adolf war der Fall klar. Das Problem, dass sie fast 200 Kilometer auseinander wohnen, hielt sie keine Sekunde davon ab.
Auch alle anderen lernten irgendwann Maria und Martin in Eichstätt kennen und sie beurteilten viele Lebensentscheidungen zusammen. Später kam dann unsere Familie sowie Thomas dazu. Auch uns stört die Entfernung nicht. Nur Jessica und Bernhard wohnen relativ nahe bei Eichstätt. So treffen wir uns einmal pro Monat.
Alle haben wir im Laufe der Zeit die Erfahrung gemacht, dass die befreiende Begegnung mit Christus in der Bewegung unser ganzes Leben ergreift. Alle wünschen wir uns innerhalb des Alltags, in Familie und Beruf, den Frieden und die Lebensintensität zu erleben, die aus der Verfügbarkeit gegenüber Christus entspringen. Die Fraternitätsgruppe ist für uns eine besondere Gelegenheit, dieser verheißungsvollen Erfahrung treu zu bleiben. Wir alle brauchen Hilfe dabei, in den unterschiedlichsten Lebensumständen eine persönliche Beziehung zu Christus als dem geheimnisvollen Sinn der Wirklichkeit zu pflegen.

Den Sprung wagen
So hat jeder seine Gründe für die Treue gegenüber diesem Ort, an dem ein gemeinsames Urteil über die aktuellen Geschehnisse und Umstände entsteht, das die unendliche Sehnsucht des Herzens nach Wahrheit und Schönheit ernst zu nehmen versucht. Insofern erweist sich die Fraternität als Weggemeinschaft, die dabei hilft, «den Sprung über die Felsspalte zu wagen», von dem Giussani im Religiösen Sinn immer wieder sprach. Dabei entsteht auch Freundschaft. Sie ist nicht der Ausgangspunkt. Sie wächst durch das, was am wichtigsten ist, die persönliche Beziehung zu Christus.
Deshalb aber werden die Treffen «zu einer Begleitung, die Mut macht», zu etwas «nach dem man sich sehnt, einer Autorität, mit der man sich vergleichen möchte». So entsteht «das Bedürfnis, sich auch zwischen den Treffen zu sehen und zu hören. Sie werden als Ort erlebt, an dem die Nachfolge nicht abstrakt ist, ein Ort, der unsere Zuneigung zu CL und den eigenen Ehepartnern wachsen lässt, ein Ort, der die Bereitschaft entstehen lässt, Ihn an sich, an uns handeln zu lassen und der uns so befreit.
Dafür braucht man nichts Besonderes tun. Damit das gemeinsame Urteilen entsteht, damit die verbindende Liebe zu Christus wächst, reicht es, dass man zusammen ist, die Vesper betet, Kaffee trinkt und über ein Buch spricht, über die aktuelle Lage und vieles mehr. Die Fraternitätsgruppe ist daher auch, wie einige von uns bemerkten, wie ein Kloster mitten im Alltag - ein Faszinosum, das im Brief an die Neueingeschriebenen der Fraternität sehr gut beschrieben wird.