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Euthanasie - Der Sinn des Todes
Der Besitz eines Lebens ohne Ende
Luigi Giussani

Ein Abschnitt aus Avvenimento di libertà. Conversazioni con giovani universitari (Ereignis der Freiheit. Gespräche mit jungen Studenten; Marietti 1820, Genua 200, S. 166-167)

«Der Besitz eines Lebens ohne Ende»; wenn das Herz des Menschen dafür gemacht ist, dann ist alles, was geschieht, selbst der Tod, ein Ereignis das in der Definition des Lebens notwendigerweise enthalten ist - wie schon der große holländische Historiker Huizinga bemerkte (J. Huizinga, L'autunno del Medioevo, dt. Der Herbst des Mittelalters, Rizzoli Bur, Mailand 1995, XXXIII). Für die Definition des Lebens sind alle Phänomene notwendig, aus denen es besteht: Der Tod ist ein Phänomen des Lebens, weil der Tod einen Lebenden ereilt. Es ist paradox, aber der Tod geschieht einem Lebenden. Deshalb gehört der Tod zur Definition des Lebens.
Die Ewigkeit, das Ewige ist nichts anderes als dieses Wirklichkeit gewordene Glück.
Wenn das Herz dafür gemacht ist, dann geschieht jedenfalls alles für das Glück, und wer dich anschaut, ohne dein Glück zu wünschen, der ist ein Feind, auch wenn es deine Mutter wäre.
Für uns - das ist unser Glück oder unsere Gnade - ist ein Mensch gekommen, der uns nicht mehr erlaubt hat, an uns selbst und an die anderen Menschen wie an ein flüchtiges Nichts zu denken, an einen flüchtigen Atemzug oder Seufzer. Ein Mensch ist gekommen, der uns zu dem Gedanken gezwungen hat, dass im Leben das Dramatischste und Gewaltigste folgendes Problem ist: Alles ist für das Glück gemacht, und doch kann es der Mensch in nichts finden. Das Glück ist etwas, das jenseits des Horizonts liegt, den man von der Strasse der Menschen aus sieht. Aber der Weg ist unvermeidlich; er ist vernünftig und daher notwendig - über jene Grenze hinaus.
Der Mensch ist für ein Versprechen geschaffen, das sich am Horizont und jenseits davon ankündigt. Es ist etwas, das man spürt und nicht sieht, wie Pascoli in seinem kleinen Gedicht Il cieco (Der Blinde) sagen würde. Man spürt es, sieht es aber nicht! Jede Beziehung, ob affektiv, gesellschaftlich oder politisch, die außer Acht lässt, was der Mensch ist, was jeder Mensch, jedes Kind einer Frau ist, jedwede Beziehung, die das außer Acht lässt, ist eine Folge der Schurkerei, die heute die Welt der Kultur beherrscht und deretwegen es uns allen schlecht geht. Nein, vielen geht es nicht schlecht, weil sie noch nicht unter den ersten Folgen gelitten haben. Wenn alles für das Glück geschaffen ist, dann besteht darin das wesentliche, alles umfassende Problem unseres Lebens, mehr als jede Rechnung, mehr als jedes Bauwerk, mehr als jede Erfindung, mehr als jede Langlebigkeit. Und man verleugnet die Natur - man verleugnet die Natur! - wenn man das Geheimnis der Antwort leugnet.