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Ökumene - Benedikt XVI. und Kirill
Der gemeinsame Weg führt zur Wahrheit


Das Dankesschreiben von Papst Benedikt XIV. an den Metropoliten von Smolensk für dessen Vorwort zur russischen Ausgabe seines Werkes Einführung in das Christentum. Es erscheint in der «Bibliothek des Geistes» auf Anregung hoher Vertreter des Moskauer Patriarchats.

Vertikaler Text S. 114 Die Russisch-Orthodoxe Kirche hat von Beginn an mit Interesse das Pontifikat Benedikt XVI. verfolgt. Im Umfeld der orthodoxen Kultur schätzt man den Papst als einen Theologen von großer Tiefe, Aufmerksamkeit und Liebe zur Tradition. Im Kulturzentrum «Bibliothek des Geistes» kam vor rund einem Jahr von einigen Vertretern des Patriarchats der Vorschlag, einige bedeutende Werke der Gedanken Joseph Ratzingers einem breiteren Publikum in russischer Sprache zugänglich zu machen. Die Wahl fiel in erster Linie auf den Band Einführung in das Christentum, der schon unter der Hand in einer gedruckten Ausgabe des belgischen Verlags «Le Foyer oriental chrétien» zirkulierte.
Das Vorwort, das der Präsident des Amtes für die Außenbeziehungen des Patriarchates von Moskau, Metropolit Kyrill, für das Buch verfasst hat, bezeugt das gemeinsame Bewusstsein für die missionarischen Aufgaben der Kirche in der gegenwärtigen Welt und die Zentralität Christi, auf die sie sich gründet. Aufgrund dieser Übereinstimmung und der Perspektiven, die daraus entstehen, erwächst die Dankbarkeit, mit der der Papst den Text des hohen Vertreters der Russisch-Orthodoxen Kirche aufgenommen hat.
Giovanna Parravicini


An den verehrten Bruder Kyrill,
Metropolit von Smolensk und Kaliningrad
Mit inniger Freude habe ich vernommen, dass Sie in Zusammenarbeit mit dem Kulturzentrum der «Bibliothek des Geistes» gerne die Einladung angenommen haben, das Vorwort zur russischen Ausgabe des Buches Einführung in das Christentum zu verfassen, welches die Lektionen meiner Zeit als Professor an der Universität Tübingen enthält. Als ich die Überlegungen las, mit denen Sie den Text vorstellen, stellte ich eine enge Entsprechung der Analyse bezüglich einiger grundlegender Probleme fest, die die Christen von heute quälen. Sie sind von der Konfrontation mit den maßgeblichen Inhalten des Glaubens einerseits und dem Relativismus andererseits, der die moderne Kultur kennzeichnet, ermüdet. In einem Umfeld, das in Gefahr ist, jegliche Meinung und Ethik gleichzustellen, darf der Christ, der sich fest auf den Felsen Christi gründet und an der erfrischenden Quelle der lebendigen Tradition tränkt, nicht fürchten, die Wahrheit Gottes zu verkünden, die die Person wahrhaft befreit und glaubwürdig macht. Auch im Herzen des modernen Menschen sind berechtigte Fragen und Unruhen lebendig, auf die nur das Fleisch gewordene Wort die befriedigenden Antworten zu geben weiß. Diese Überzeugung erfährt in der heutigen modernen Welt einen wachsenden Strom von Übereinstimmung: der Laizismus und der Säkularismus mit ihren keinen Widerspruch duldenden Behauptungen erweisen sich immer unfähiger, den Herausforderungen einer materiell wohlhabenden, aber kulturell und geistig immer brüchigeren Moderne zufriedenstellende Lösungen anzubieten. Es ist meine feste Überzeugung, dass, gerade aufgrund dieser Beobachtung, eine gemeinsame und solidarische Verpflichtung von Orthodoxen und Katholiken erwächst, eine Verpflichtung, die auch von der Furcht motiviert ist, dass entfremdende Ideologien das Gemetzel wiederholen könnten, das die Menschheit während des eben vergangenen Jahrhunderts in vielen Teilen der Welt am eigenem Leib erlebt hat. Die Barmherzigkeit, die uns jetzt schon verbindet, kann ein gemeinsames Handeln gegen die drohenden Gefahren garantieren; auf ihrer Grundlage entwickelt sich ein bilateraler Dialog, der reich an verheißungsvollen Perspektiven ist.
Während ich Ihnen für Ihre Betrachtungen danke, mit denen Sie diesen meinen Text bereichern wollten, der mir trotz der langen Jahre immer sehr am Herzen liegt, vertraue ich Ihre pastorale und kirchliche Mission dem mütterlichen Schutz der seligen Jungfrau Maria an und erbitte Sie, verehrter Bruder und alle Ihnen nahe stehenden Personen die Fülle der himmlischen Gnaden.

Vatikan, 15.November 2006
Benedikt XVI.

Vorwort des Metropolits Kyrill zum Buch von Papst Benedikt XVI Einführung in das Christentum

Das Buch Einführung in das Christentum, das wir hiermit dem russischen Leser vorlegen, wurde zum ersten Mal vor etwa 40 Jahren, im Jahr 1968, veröffentlicht. Es enthält die Vorlesungen, die der damalige Priester Joseph Ratzinger und jetzige Papst Benedikt XVI. an der Universität Tübingen im Laufe des Sommers 1967 gehalten hat.
Dennoch ist es nicht die aktuelle Situation des Autors, die die Publikation dieses Buches in Russland heute motiviert. Meiner Meinung nach liegt der Hauptgrund der mehrmaligen Drucklegung und Übersetzung des Buches in verschiedenen Sprachen in der Aktualität des Themas; einer Aktualität, die von Jahr zu Jahr zunimmt. Es kann paradox erscheinen, aber wir Christen an der Schwelle des dritten Jahrtausends bedürfen immer mehr einer Einführung in das Christentum, und zwar um darin seine begründenden Prinzipien wieder zu entdecken und zu den Grundpfeilern und Ursprüngen zurückzukehren. Diese Notwendigkeit zeigt sich besonders eindringlich auf dem europäischen Kontinent, der für Jahrhunderte Wiege des Christentums war und dessen Kultur und Gesellschaft sich auf den christlichen Glauben gründet.
Die Einführung in das Christentum ist ein Versuch, die Bedeutung des Glaubens an Christus in der modernen Welt von Grund auf zu klären. Man könnte meinen, dass das Umfeld der 60er Jahre sich sehr vom Umfeld des heutigen Menschen unterscheidet. Was kann dieses Buch dem zeitgenössischen Leser sagen – so könnte man fragen –, dem Menschen, der in einer Zeit von Internet, Handy und Globalisierung lebt? Zwar schaffen der technische Fortschritt und die sozialen Veränderungen in materieller Hinsicht bequemere Bedingungen, aber sie wirken sich nicht positiv auf das geistige Leben der Leute aus. Im Gegenteil, die besorgniserregenden Tendenzen, die sich schon in den 60er Jahren im Hinblick auf die geistigen Bedingungen der Welt, die sich christlich zu pflegen nannte, beobachten ließen, wirken sich nun intensiv aus und Europa schämt sich sogar seiner eigenen christlichen Wurzeln. Wenn man die aktuelle Situation des Christentums in Europa analysiert, ist man schnell geneigt, die Schwierigkeiten und Unterschiede ausschließlich geschichtlichen und politischen Faktoren zuzuschreiben. Umso mehr, als die religiöse Situation der Länder Osteuropas und vor allem Russlands besonders durch die Verfolgungen der Gläubigen von Seiten der totalitären Regime beeinflusst wurde. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde auch die katholische Kirche Mexikos und des republikanischen Spanien von vergleichbaren Verfolgungen heimgesucht. Es muss unterstrichen werden, dass auch jene, die die Christen damals verfolgten, ihrerseits in einem christlichen Umfeld aufgewachsen waren und immer die Möglichkeiten gehabt hatten, die Verkündigung des Glaubens zu hören. Und trotzdem nahmen sie, aus unterschiedlichen Gründen, „die Worte des ewigen Lebens“ nicht auf (Joh 6,68). Lehnten sie es bewußt und vorsätzlich ab, oder kamen die Botschafter der christlichen Verkündigung nicht hinreichend ihrer Mission nach?
Ich denke, dass wir als Gläubige und Mitglieder der Kirche, die wir die Verkündigung des Evangeliums als unsere erste Aufgabe sehen, eine Lehre aus der Geschichte ziehen und erneut entscheiden müssen, jeder für sich selber, was und in welcher Art und Weise der Welt von Christus zu sprechen ist, um gehört werden zu können. Ich wage es hier, folgendes zu behaupten: ein schwerwiegender Faktor, der verhindert, die christliche Botschaft in der säkularisierten Welt von heute aufzunehmen, ist die Tatsache, dass wir Christen, im Osten wie im Westen, uns hauptsächlich darum gesorgt haben, eine angemessene Sprache zu finden, um mit der Welt in Dialog zu treten. Dabei haben wir vergessen, welche Inhalte es zu vermitteln gilt. In Wirklichkeit ist der Gehalt und die Bedeutung der guten Nachricht, die wir zu verkünden aufgerufen sind, die Wahrheit selbst. Sie trägt eine große Fähigkeit in sich, die Personen an sich zu ziehen, indem sie direkt zu ihren Herzen spricht. An uns liegt es nur, den Menschen die Wahrheit in ihrer ganzen Fülle und Integrität zu zeigen, und dann wird sie selbst es sein, die sie frei macht. (Joh 8, 32). Gerade deswegen ist es notwendig, ständig zu den Ursprüngen zurückzukehren, zur Tradition, die eine lebendige Bedeutung für die Kirche bekleidet, denn letztlich erwächst sie aus dem Mensch gewordenen Gott. Wir müssen immer bedenken, dass das Zentrum unserer Verkündigung das Wort, das Fleisch geworden ist, unser Herr Jesus Christus sein muss. Er ist es, den wir den Menschen vor allem bringen müssen. Wenn wir das tun, werden unsere Worte immer größeres Gehör finden, so wie die ganze Welt den Aposteln, einfachen Fischern aus Galiläa, zuhörte.
Mir scheint, dass genau dies die eigentliche Botschaft des Buches Einführung in das Christentum ist. Deswegen ist es so wichtig für uns, die Persönlichkeit seines Autors zu betrachten. Joseph Ratzinger war in der ganzen Welt als berühmter Theologe bekannt, noch bevor er zum Papst gewählt und auch bevor er zum Präfekten der Glaubenskongregation ernannt wurde. So hat der jetzige Papst immer einen soliden Ruf als Traditionalist und Bewahrer genossen. Insofern betrachteten ihn liberale Kreise, die leider immer mehr Gewicht in der heutigen christlichen Welt erhalten, mit einem gewissen Misstrauen. Aus gewissen Gründen verknüpft die allgemeine Mentalität, die am Überlieferten orientierte Einstellung mit einer gewissen geistigen Enge, was jedoch in Wirklichkeit überhaupt nicht wahr ist. Der Traditionalismus von Benedikt XVI beinhaltet einen Blick, der in die Tiefe geht, eine weise Fähigkeit, den innersten Gehalt der Dinge zu verstehen. Aufgrund der Besorgnis, die ihn leitet, zu den Grundlagen des Christentums zurückzukehren, beabsichtigt er gerade nicht, sich den schwerwiegenden Fragestellungen der Welt zu entziehen. Im Gegenteil, er antwortet ihnen mit Entschiedenheit, immer auf die ewige und unveränderliche Wahrheit gründend. Im Übrigen verändert die Welt sich nur äußerlich und die Fragezeichen, die sie setzt, sind die selben wie vor tausend Jahren. Deswegen muss sich auch der Inhalt unserer Antworten nicht ändern. Dies sollte nach meiner tiefen Überzeugung die Haltung aller Christen sein, die der ewig jungen Tradition der Kirche angesichts der fortwährenden Offensive des totalitären Relativismus treu bleiben möchten. Diese Treue zur Tradition bekennt die orthodoxe wie auch die katholische Kirche heute mit Klarheit. Dies lässt sie ihre Standpunkte einander annähern und auf eine Überwindung der aktuellen Probleme hoffen, bis sie eine fruchtbare Zusammenarbeit in der Verkündigung der christlichen Werte erreichen können. Genau dieser Geist der Treue zu unseren gemeinsamen Wurzeln durchdringt das Buch Papst Benedikt XVI. buchstäblich. So möchte ich es den orthodoxen Lesern ebenso wie allen Gläubigen in Christus und auch all' jenen, die noch auf der Suche nach einem Weg zur Wahrheit sind, sehr empfehlen.