Logo Tracce


Der Familientag in Rom auf dem Platz vor der Lateranbasilika
Family Day - Ein Volk auf der Straße
Carlo Dignola

Am 12. Mai sind über eine Millionen Katholiken und Laien auf der römischen Piazza San Giovanni für den Wert der Familie eingetreten. Sie demonstrierten gegen Pläne der italienischen Regierung, so genannte Lebenspartnerschaften neben der Familie einzuführen. Die Kundgebung war nicht parteipolitisch motiviert, sondern aus Sorge um den Ort, an dem der Glaube und das Leben auf normale Weise weitergegeben werden. Damit reicht die Bedeutung weit über Italien hinaus. Denn in zahlreichen anderen Ländern ist die Familie ähnlich gefährdet.

«Die Kirche ist hier zugleich Autorität und Interessengruppe, Himmel und Erde, Predigt und Druck der Straße. Welche Gefahr stellt diese neue doppelte Rolle der Kirche für die italienische Demokratie dar?» So fragt die Repubblica in ihrem Kulturteil touché!, nach dem Family Day vom 12. Mai.
Nicht die großen Gewerkschaften oder Parteien hatten diesmal eineinhalb Millionen Menschen auf der Piazza San Giovanni vor der Lateranbasilika zusammengebracht, sondern Dutzende katholische Gruppierungen wie das Neokatechumenat, CL, ACLI, die Katholische Aktion, die Charismatische Erneuerung, MCL, Fokolare oder Sant’Egidio. Erstmals vereinten sie sich und sorgten für eine gewisse Erschütterung des wohlhabend verbürgerlichten Italien. Die Kirche, das sind zwanzig Jahrhunderte «Autorität und Interessengruppe, Himmel und Erde, Predigt und Druck der Straße», wetterte die linksliberale La Repubblica. Nun wittert dieses Bürgertum auf einmal «Gefahr». Allerdings dürfte sie sich kaum auf die parlamentarische Demokratie in Italien beziehen.
So waren auch zahlreiche Politiker zugegen, unter ihnen der ehemalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi, Bildungsminister Fioroni oder die Senatorin Binetti.
Natürlich durfte auch der ehemalige mehrfache italienische Regierungschef Giulio Andreotti nicht fehlen. Er bezeichnete es als «eine gute Sache, dass die Familien, die Katholiken wieder auf die Straße gehen. Eine gesunde Reaktion». Und nach seiner Einschätzung geht diese neue «Katholische Aktion», weit über die Grenzen der Herkömmlichen hinaus.

«Laizistischer Mut»
Die Gegendemonstration sprach hingegen von einer Demonstration «von Klerikalen und Faschisten». So jedenfalls meinte es Alessandro Cecchi Paone. Er ist ein Vertreter jener gesellschaftlichen crème de la crème, die sich auf der Gegendemonstration unter dem Motto «coraggio laico» (Laizistischer Mut) auf der Piazza Navona eingefunden hatte.
Vor dem Lateran zeigte sich allerdings ein Italien, das viel Fröhlichkeit, aber auch eine klare Meinung besitzt. Es gab wenige Priester, dafür ungeheuer viele Familien. Und diese hatten zwei Grundforderungen: Ja zu einer Politik, die diesen Familien endlich die gebührende Achtung erweist – nein zu registrierten Lebenspartnerschaften. So waren alle Katholiken vereint, aber ohne Sektierertum und Klerikalismus.
«Wir wollen, dass unsere Kinder auch in Zukunft Mama und Papa sagen können», brachte der Sprecher des Family day, Savino Pezzotta das Anliegen auf den Punkt. Der Staat müsse die Vorgaben der italienischen Verfassung endlich mit Leben erfüllen und die Familien tatsächlich fördern. Ein «Menschenbild, das nur auf der Selbstständigkeit des Individuums, auf Nutzendenken und auf schwacher, vorläufiger Zuneigung beruht», sei falsch.
Tatsächlich stellt der Family day für Italien eine Neuheit dar. Selbst die wichtigsten Zeitungen konnten sich eines gewissen Staunens nicht erwehren. So bekundete auch Mario Ajello im Messaggero, dass die Demonstration kein Ausdruck eines konservativ-katholischen Bastionsdenkens oder eines Klerikalismus gewesen sei. «Das macht alles viel schwieriger, weil diese Demonstration nicht einzuordnen ist», so seine Schlussfolgerung. Das amtliche Italien habe plötzlich bemerkt, dass «es ein bislang unsichtbar gebliebenes Volk gibt», eine «Stimme der Italie profonde», ein «weißes Heer, das nicht nach Sakristei muffelt», allerhöchstens nach Milch und Bonbons: Katholische Pazifisten, Zehntausende von Ciellini, Fokolarinis und charismatisch Bewegte ... .
Als Vertreter der jüdischen Gemeinschaft betonte Giorgio Israel, es sei notwendig, gegen «ein falsches Gesetz» zu demonstrieren, das die «auf der Verbindung von Mann und Frau beruhende Familie» in Zweifel ziehe. Giancarlo Cesana betonte, dass die Familie nicht nur der Schoß der Fruchtbarkeit sei, weil sie Kinder zeuge, sondern auch, weil sie den Unterschied zwischen Jugend und Erwachsenenalter ausmache, zwischen einer schönen Idee und einer Tatsache. Deswegen habe mancher Angst vor ihr. Und er fügt hinzu, «dass die Familie der erste Ort ist, „an dem es einem Menschen erlaubt sei, nicht allein zu sein“». Sexualität und Zuneigung umfassten auch eine öffentliche Verantwortung, so Cesana. Italien scheint sich verändert zu haben. Die Katholiken gehen auf die Straße, um die Sexualität zu verteidigen, während die Laizisten auf der Piazza Navona über Euthanasie diskutieren.
Der französische Philosoph Alain Finkielkraut schrieb: «Wir leben nicht, um nur zu leben. Es beginnt nicht alles mit jeder Generation von vorn. Wir empfangen und geben weiter. Das Leben wird geschrieben auf dem Blatt eines bestimmten Vaterlandes, einer Sprache. Wir müssen die Art und Weise, in der dies geschieht, mit Sorgfalt bewahren, vielleicht sogar mit Liebe.»
Die Großdemonstration für die Familie vor der Lateranbasilika, weist weit über Italien hinaus. Denn die Familien als Keimzelle der Gesellschaft ist auf diese oder ähnliche Weise auch in zahlreichen anderen Ländern gefährdet und herausgefordert.