Logo Tracce


Thema - Gehorsam und....
Familie
Stefano Andrini

Die Mutter und Neuropsychiaterin, Luisa Leoni, erzählt die Erfahrung des Gehorsams der Kinder und unter Eheleuten. «Der Mensch ist nicht die Quelle des eigenen Bestandes. Er erhält von einem anderen das, was er ist. Er ist nicht Herr über die Welt und die Wirklichkeit».

«Im Bezug auf die Familie gewinnt der Gehorsam eine besondere Form. Denn in der Familie gibt es eine natürliche Autorität, das heißt, du machst die Erfahrung von etwas Gutem: Jemand hält dich, ernährt dich, beschützt dich, gibt dir das, was du dir alleine nicht geben könntest - einen Platz, zu essen, Zuneigung, Hinweise, seinen Platz in der Welt zu finden. So wird es dir ermöglicht, auf eigene Art und Weise, in der Welt zu sein, teilzunehmen, in ihr voranzuschreiten. Diese grundlegende Autorität erlaubt es dir, Bestand zu gewinnen, die Dinge zu erfahren, ohne dass du sie als Kind schon beurteilst». Luisa Leoni ist Ärztin für Kinderneuropsychiatrie in Bologna. Sie ist verheiratet und hat sieben Kinder. «Trotzdem - erklärt sie - macht es auch dem Kind Schwierigkeiten zu gehorchen, es muss das lernen. Das Kind weiß nicht, was für es selbst gut ist. Es erkennt dies, wenn es dieses erfährt. Aber seine Urteilsfähigkeit ist begrenzt, deswegen ist es nicht in der Lage, seine Freiheit auszuüben. Im Gehorsam dem gegenüber, der sein Bestes will, erfährt es auch die eigene Freiheit. Denn es hat Zugriff auf ein Gut, das es von allein nicht in der Lage wäre zu sehen». Es steht also Wesentliches auf dem Spiel. «Das gilt nicht nur in der Gegenwart, sondern auch für die Zukunft, wenn mit dem Wachstum der Urteilsfähigkeit die Möglichkeiten der Ausübung der Freiheit für das Kind zunehmen. Indem du vom Kind verlangst, zu gehorchen, erlaubst du ihm, auf eine grundlegende Wahrheit zuzugreifen: Der Mensch ist nicht die Quelle des eigenen Bestandes. Was er ist, erhält von einem anderen. Er ist nicht Herr über die Welt und die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist von einem anderen gegeben worden und der Mensch selbst ist Frucht, "Geschenk" eines anderen». Heute, so unterstreicht Frau Leoni, «kommt innerhalb der Familien eine Haltung des gegenseitigen Gehorsams zwischen den Eheleuten nur selten vor. Die Anerkennung der Autorität des einen gegenüber dem anderen, ob Mann oder Frau, ist oft nicht vorhanden. Mit Autorität meine ich die Macht, sich in mein Leben einzumischen und Einfluss zu nehmen. Anzuerkennen, dass das Gute für mich nicht aus mir selber kommt, dass es ohne gegenseitigen Gehorsam kein wirkliches Miteinanderteilen gibt und dass man im Grunde in Einsamkeit lebt». Die Kinder, besondere beim Erwachsenwerden, sind den Eltern gegenüber ungehorsam, indem sie versuchen, die eigene, getrennte Identität festzustellen, aus dem Bedürfnis heraus, sich selbst zu zeigen, dass sie nicht ihre Eltern brauchen, um zu bestehen. «Und in diesem Moment - so schließt die Neuropsychiaterin - kann die Regel ein nützliches Instrument sein. Sie ist mehr noch für die Eltern als für die Kinder ein Ort der Vermittlung. Durch die Regeln ermöglicht der Erwachsene dem Jugendlichen, immer mehr sein eigenes Urteil zu bilden in einem im weiteren Raum. Es ist eine Auseinandersetzung, die es den Eltern erlaubt, das Wachstum des Kindes zu bemerken, und dem zu vertrauen, was im Herzen des Jugendlichen ist.