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Benedikt XVI. - Jesus von Nazareth
Ein geschehenes Faktum in der Menschheitsgeschichte


Das neue Buch von Benedikt XVI. beschreibt anschaulich, dass der «Jesus der Evangelien» der wahre und historische Jesus ist, der vor 2000 Jahren in Palästina seine Spuren hinterlassen hat. Noch heute kann man diese Spuren dank der vielen Zeugnisse jener verfolgen, die die christliche Erfahrung und die Freundschaft mit Ihm anzieht und die seine Liebe erfahren. Joseph Ratzinger begann sein Buch als Kardinal und beschloss es als Papst. Auf 446 Seiten, unterteilt in zehn Kapitel, benutzt er die Methode der modernen Exegese, um im Leser «das Wachsen einer lebendigen Beziehung mit Christus zu fördern». Der Papst ist überzeugt, dass es des besseren Verständnisses wegen notwendig sei, von der Gemeinschaft Jesu mit dem Vater auszugehen.
Das bei Herder erschienene Buch Jesus von Nazareth will, so der Papst, «in keiner Weise ein lehramtlicher Akt» sein, «es steht daher jedermann frei, mir zu widersprechen». Es handelt sich um eine tiefe und leidenschaftliche Meditation über Jesus und sein Leben, Frucht - so der Autor - eines «langen innerlichen Weges». Zugleich wendet sich Ratzinger darin gegen alle Versuche, die Gestalt Christi zu reduzieren, indem man ihn als einen Revolutionär, Moralisten oder einen einfachen religiösen Lehrer des Judentums präsentiert.

Von der Taufe zur Verklärung
Das Werk befasst sich im ersten Teil mit dem Leben Jesu von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung. Der erhoffte zweite Teil soll dem zentralen Geheimnis des christlichen Glaubens, dem Tod und der Auferstehung Jesu, gewidmet sein. Schon im Vorwort unterstreicht Ratzinger die Bedeutung der Geschichte: «Denn für den biblischen Glauben ist es wesentlich, dass er sich auf wirklich historisches Geschehen bezieht. Er erzählt nicht Geschichten als Symbole über geschichtliche Wahrheiten, sondern er gründet auf Geschichte, die sich auf dem Boden dieser Erde zugetragen hat». Eine andere Passage kommentiert die Genauigkeit, mit der Lukas den Beginn des öffentlichen Lebens Jesu datieren will: «Das Wirken Jesu ist nicht als ein mythisches Irgendwann anzusehen, das zugleich immer und nie bedeuten kann; es ist genau datierbares, historisches Ereignis mit dem ganzen Ernst wirklich geschehener Geschichte» (S. 38). Deshalb zeigt sich Benedikt XVI. «überzeugt, und ich hoffe, dass auch der Leser sich davon überzeugen kann, dass der Jesus der Evangelien eine historisch verständige und überzeugende Figur ist».
Der Text stellt zugleich ein persönliches Zeugnis dar, das Zeugnis dieser «intimen Freundschaft», die die Nachfolger Jesu mit ihrem Meister verbindet. Aber es wäre völlig falsch, wenn man daraufhin und aufgrund der Tatsache, dass der Papst nicht ex cathedra spricht, das Buch in den Bereich der subjektiven oder andächtigen Meditation verweisen würde. Im Gegenteil, Ratzinger hat sich dem Forum der öffentlichen Debatte stellen wollen, wie Kardinal Schönborn während der Präsentation des Buches im Vatikan unterstrichen hat, um mit all jenen in einen Dialog zu treten, die nach der Wahrheit verlangen und sie suchen. Und er macht dies, indem er der Reduzierung Jesu auf einen nebulösen Schatten widerspricht, die eine Frucht der letzten zwei Jahrhunderte historisch- kritischer Auslegung der Schrift ist. Eine Situation, die «dramatisch für den Glauben ist, da sie seinen authentischen Bezugspunkt unsicher lässt».

Der Antichrist
Nach einem ersten Kapitel, das der Taufe Jesu im Jordan gewidmet ist, beschreibt der Papst die Versuchungen, mit denen der Teufel den Nazarener auf die Probe gestellt hat. So erklärt er zum Beispiel, dass ein Beiseiteschieben Gottes «im Namen wichtigerer Dinge», wie etwa der großen sozialen Fragen, «auch und gerade diese vermeintlich wichtigsten Dinge zum Scheitern bringt. Das beweist nicht nur der negative Ausgang der kommunistischen Erfahrung», sondern auch «die auf rein technisch-materiellen Prinzipien aufgebaute Entwicklungshilfe des Westens, die Gott nicht nur ausgelassen, sondern die Menschen von Gott abgedrängt hat mit dem Stolz ihrer Besserwisserei» (S. 62).
Anhand der Ausführungen W?adimir Solowjews führt Benedikt XVI. eine weitere Versuchung auf: «Die Interpretation der Bibel kann tatsächlich ein Instrument des Antichristen werden (...) Aus scheinbaren Ergebnissen der wissenschaftlichen Exegese sind die schlimmsten Bücher der Zerstörung der Gestalt Jesu, der Demontage des Glaubens geflochten worden» (S. 64). «Und der Antichrist sagt uns dann mit der Gebärde hoher Wissenschaftlichkeit, dass eine Exegese, die die Bibel im Glauben an den lebendigen Gott liest und ihm selbst dabei zuhört, Fundamentalismus sei; nur seine Exegese, die angeblich rein wissenschaftliche, in der Gott selbst nichts sagt und nichts zu sagen hat, sei auf der Höhe der Zeit» (S. 65). Hochaktuell auch eine weitere Betrachtung bezüglich der Versuchung der Macht: «Der Kampf um die Freiheit der Kirche, der Kampf darum, dass Jesu Reich mit keinem politischen Gebilde identisch sein kann, muss alle Jahrhunderte geführt werden. Denn der Preis für die Verschmelzung von Glauben und politischer Macht besteht zuletzt immer darin, dass der Glaube in den Dienst der Macht tritt uns sich ihren Maßstäben beugen muss» (S. 69).

Den Weg kennen
Fundamental ist dann die Antwort auf die Frage, was Jesus Gutes und Neues auf die Erde gebracht habe, bedenkt man, dass sich nach seiner Offenbarung die messianische Hoffnung auf eine bessere, gerechtere und friedlichere Welt scheinbar nicht erfüllt hat. «Die Antwort lautet ganz einfach: Gott. Er hat Gott gebracht.(...) Er hat Gott gebracht: Nun kennen wir sein Antlitz. (...) Nun kennen wir den Weg, den wir als Menschen in dieser Welt zu nehmen haben. Jesus hat Gott gebracht und damit die Wahrheit über unser Wohin und Woher; den Glauben, die Hoffnung und die Liebe. Nur unserer Herzenshärte wegen meinen wir, das sei wenig» (S. 73).

Dialog von Angesicht zu Angesicht
Breiter Raum ist der Beziehung Christi mit dem Judentum gewidmet. Der Papst entwickelt diese Beziehung, indem er die Bergpredigt kommentiert und sich dabei auf das Buch des jüdischen Gelehrten Jacob Neusner, Ein Rabbi spricht mit Jesus. Ein jüdisch-christlicher Dialog, bezieht. Ratzinger zeigt, dass es nicht korrekt ist, Jesus als Liberalen darzustellen, der die übertriebene Genauigkeit der Gesetzesvorschriften mildern wollte: der Nazarener führt das Alte Gesetz zur Erfüllung, noch mehr, «er versteht sich selbst als die Tora» Und der Papst bemerkt, dass es «der Christenheit insgesamt gut tun wird, ehrfürchtig auf diesen Gehorsam Israels hinzuschauen und so die großen Imperative des Dekalogs besser wahrzunehmen, die die Christenheit in den Raum der universalen Gottesfamilie übertragen muss und die Jesus uns als "neuer Mose" geschenkt hat» (S. 155). Sicher, so erklärt Ratzinger weiter, hat die Figur Jesu «in der Praxis alle verfügbaren Kategorien übersprungen» und «konnte so nur vom Geheimnis Gottes ausgehend verstanden werden». Dies ist der Schlüssel zum Verständnis des ganzen Buches. «Die Lehre Jesu kommt nicht aus menschlichem Lernen, welcher Art auch immer. Sie kommt aus der unmittelbaren Berührung mit dem Vater, aus dem Dialog von "Gesicht zu Gesicht". (...) Sie ist Sohneswort. Ohne diesen inneren Grund wäre sie Vermessenheit. (...) Der Jünger, der mit Jesus mitgeht, wird so mit ihm in die Gottesgemeinschaft hinein-gezogen» (S. 32f.).

Zitate:
«Denn für den biblischen Glauben ist es wesentlich, dass er sich auf wirklich historisches Geschehen bezieht. Er erzählt nicht Geschichte als Symbole über geschichtliche Wahrheiten, sondern er gründet auf Geschichte, die sich auf dem Boden dieser Erde zugetragen hat. Das factum historicum ist für ihn nicht eine auswechselbare, symbolische Chiffre, sondern konstitutiver Grund: Et incarnatus est - mit diesem Wort bekennen wir uns zu dem tatsächlichen Hereintreten Gottes in die reale Geschichte. Wenn wir diese Geschichte wegschieben, wird der christliche Glaube als solcher aufgehoben und in eine andere Religionsform umgeschmolzen. Wenn also Geschichte, Faktizität in diesem Sinn, wesentlich zum christlichen Glauben gehört, dann muss er sich der historischen Methode aussetzen - der Glaube selbst verlangt das». (S. 14)

«(...) wollte ich doch den Versuch machen, einmal den Jesus der Evangelien als den wirklichen Jesus, als den historischen Jesus im eigentlichen Sinn darzustellen. Ich bin überzeugt und hoffe, auch die Leser können sehen, dass diese Gestalt viel logischer und auch historisch betrachtet viel verständlicher ist als die Rekonstruktionen, mit denen wir in den letzten Jahrzehnten konfrontiert wurden. Ich denke, dass gerade dieser Jesus, der der Evangelien, eine historisch sinnvolle und stimmige Figur ist».
(S. 20f.)

«Gewiss brauche ich nicht eigens zu sagen, dass dieses Buch in keiner Weise ein lehramtlicher Akt ist, sondern einzig Ausdruck meines persönlichen Suchens "nach dem Angesicht des Herrn." (vgl. Ps 27, 8). Es steht daher jedermann frei, mir zu widersprechen. Ich bitte die Leserinnen und Leser nur um jenen Vorschuss an Sympathie, ohne den es kein Verstehen gibt. (...) weil es mir vor allem vordringlich schien, Gestalt und Botschaft Jesu in seinem öffentlichen Wirken darzustellen und dazu zu helfen, dass lebendige Beziehung zu ihm wachsen kann». (S. 22f.)

«Die Lehre Jesu kommt nicht aus menschlichem Lernen, welcher Art auch immer. Sie kommt aus der unmittelbaren Berührung mit dem Vater, aus dem Dialog von "Gesicht zu Gesicht" - aus dem Sehen dessen heraus, der an der Brust des Vaters ruhte. Sie ist Sohneswort. Ohne diesen inneren Grund wäre sie Vermessenheit. Als solche haben die Gelehrten zur Zeit Jesu sie beurteilt, eben weil sie den inneren Grund, das Sehen und Erkennen von Gesicht zu Gesicht, nicht annehmen wollten. (...) Der Jünger, der mit Jesus mitgeht, wird so mit ihm in die Gottesgemeinschaft hineingezogen». (S. 32f.)

«Das Wirken Jesu ist nicht als ein mythisches Irgendwann anzusehen, das zugleich immer und nie bedeuten kann; es ist genau datierbares historisches Ereignis mit dem ganzen Ernst wirklich geschehener menschlicher Geschichte - mit ihrer Einmaligkeit, deren Weise von Gleichzeitigkeit mit allen Zeiten anders ist als die Zeitlosigkeit des Mythos». (S. 38)

«Aber was hat Jesus dann eigentlich gebracht, wenn er nicht den Weltfrieden, nicht den Wohlstand für alle, nicht die bessere Welt gebracht hat? Die Antwort lautet ganz einfach: Gott. Er hat Gott gebracht.(...) Er hat Gott gebracht: Nun kennen wir sein Antlitz. (...) Nun kennen wir den Weg, den wir als Menschen in dieser Welt zu nehmen haben. Jesus hat Gott gebracht und damit die Wahrheit über unser Wohin und Woher; den Glauben, die Hoffnung und die Liebe. Nur unserer Herzenshärte wegen meinen wir, das sei wenig». (S. 73)