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Claudio Chieffo
Geschichte einer Begegnung
David Horowitz

Es war der Sommer des Jahres 1999. Man hatte mir gesagt, dass es da jemanden gäbe, der mich unbedingt treffen wolle. Ein Sänger. «Na gut», dachte ich bei mir , «wenn es sein muss, dann treffen wir ihn eben …» Dann hat sich mir so ein Mann mit Gitarre vorgestellt und hat mir sogleich ein Lied von sich vorgesungen, Come la rosa. «Nicht gerade ein großer Gitarrist», dachte ich damals, und trotzdem hat mich etwas sofort und tief getroffen. Es ist ein unmittelbares Erkennen gewesen, eine Entsprechung tief im Herzen. Diese Entsprechung war zwischen einem autodidaktischen Liedermacher aus Forlì und einem jüdischen Berufsmusiker aus New York natürlich ebenso unerwartet wie unwahrscheinlich, aber ich war doch begeistert und fühlte mich angezogen. Claudio hat mich damals sogar zum Lachen gebracht. Als er mich fragte, woher meine Familie stamme, erwiderte er auf meine Antwort, dass sein Nachname Chieffo ebenfalls von dort käme, nämlich Kiew. «Vielleicht sind wir ja entfernte Verwandte!». Aus der Freundschaft, die aufzublühen begann, ist dann auch der Wunsch entstanden zusammenzuarbeiten. Wenn man der Freundschaft Zeit und Kraft widmet, wird man erkennen, dass sie reiche Früchte trägt. Wir begannen, gemeinsam zu spielen. Ich kam ein paar Mal nach Italien, und dann kam Claudio nach New York, um Come la rosa aufzunehmen. Ich spielte mit vielen Menschen und beeinflusste sie, aber Claudio war anders. Claudio war zutiefst musikalisch, er hatte diese Gabe. Seine Melodien, seine Lieder sind natürlich, so wie seine Liebe zu Gott und zu den Menschen, die Teil seiner Natur waren. Mich ergriff eine tiefe Traurigkeit, als ich von seiner Krankheit erfuhr. Anfangs empfand ich es, ehrlich gesagt, als ungerecht. «This is not fair …». Das war aber meine Reaktion, nicht die seine. Er hat zwar stets mit ganzer Kraft gekämpft, aber er hat sich in meiner Gegenwart kein einziges Mal beklagt.
Als meine Frau Jane und ich ihn letzten Sommer besuchten, hätten wir nie gedacht, dass er so lange durchhalten würde. Claudio hat gekämpft, solange er konnte, dann vertraute er sich an. Wir blieben während der Krankheit immer in Kontakt und teilten Hoffnungen und Augenblicke der Trostlosigkeit miteinander. Martino hielt uns ständig über seinen Gesundheitszustand auf dem Laufenden. Wir hatten schon länger geplant, wieder beim Meeting aufzutreten, unsere Musik und unsere Freunde aus New York mitzubringen. Aber als mir dann klar wurde, dass er es nicht wie verabredet nach Rimini schaffen würde, ließ ich alles stehen und liegen und brach sogleich auf. Und heute bin ich dankbar, dass ich das getan habe.
Was ich getan habe? Ich war da. Es gab nichts, was ich hätte tun können, außer da zu sein. Bei meinem Freund Claudio zu sein. Er wusste es. Als ich ankam, wachte er einen Moment aus dem Koma auf, in das er immer tiefer hineinfiel. Und flüsterte mir auf Englisch zu: «How are you?» Sein Freund, der Pianist Flavio, hatte ein Keyboard in das Krankenzimmer mitgebracht, und spielte ab und zu für ihn: Improvisationen, Lieder von ihm, Melodien von mir… Marta bat mich, auch am letzten Tag zu spielen.
Claudio war ein Mensch, der ganz aus seinem katholischen Glauben gelebt hat. Aber das war nie ein Hindernis für unsere Freundschaft. Im Gegenteil. Wenn du glaubst, musst du mit ganzem Herzen und ganzer Seele nachfolgen. Claudio lebte so, und gerade deswegen waren wir Freunde. Claudio war ein Poet, und in seiner Musik kam seine Poesie zur Vollendung.
Danke, Claudio.