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Gesellschaft - Eluana
Weshalb uns Eluana am Herzen liegt
Giancarlo Cesana

Der Fall der italienischen Komapatientin droht ein tragisches Ende zu nehmen. Ein Kassationsgericht hatte überraschend entschieden, ihr die Nahrung zu verweigern, obgleich es Menschen gibt, die gerne bereit sind, sich um sie zu sorgen. Was aber sagte der Fall für einen jeden von uns? Ein Kommentar zum Flugblatt von CL, das in der letzten Spuren-Ausgabe erschien.

Folgendes ist ein Kommentar zum Flugblatt von CL über den Fall der italienischen Komapatientin Eluana Englaro. Im Flugblatt ist bereits alles gesagt. Es lohnt sich aber einige Aspekte zu vertiefen, um die verbreitete Verwirrung über die Natur des Lebens zu klären, über das Leben von Eluana und das von uns, alle Tage.
«Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinen Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein.» (Mt 5, 21-22)
Der Katechismus der Katholischen Kirche hebt unter Verweis auf diese Verse hervor: «Das Leben ist heilig» (2258).
Don Giussani hat uns dazu erzogen zu erkennen, dass unser Dasein vom ersten Atemzug an auf unsere Abhängigkeit von etwas anderem hinweist: nicht nur vom Sauerstoff, sondern vom Sein, vom Schöpfer. Das menschliche Leben findet kein Fundament in sich selbst, denn so wie es beginnt, endet es. Mit einem Wort, das Leben ist ein Geheimnis, etwas Offensichtliches, das wir aber nicht besitzen. „Unser“ Leben wurde uns gegeben, wie das der anderen, um darin das Fundament zu erkennen und es zu genießen, das Licht des Lichtes, wie Eliot schrieb.
Wer sich anmaßt, das Leben zu manipulieren, ist wie ein Jäger, der etwas im Gebüsch rascheln hört und einfach schießt, ohne zu wissen, ob es ein Kind oder ein Hase ist. Das ist unakzeptabel, es widerspricht der obersten Kategorie der Vernunft, nämlich der Kategorie der Möglichkeit. Die willkürliche Manipulation des Lebens hat immer Schäden verursacht, wie uns viele Experimente mit dem Menschen zeigen, nicht nur in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, sondern in den Laboren und Krankenhäusern dieses Jahrhunderts. Es ist kein Zufall, dass die Weltgesundheitsorganisation die ethischen Komitees einführte und die Einverständniserklärung von Seiten der Patienten oder deren gesetzlichen Vertretern. Auch von der armen Eluana wurde ein Einverständnis zu ihrer Hinrichtung erpresst, durch Sätze, die sie gesagt haben soll, als sie noch nicht wusste, wie sie enden wird.

Die Hoffnung der Ordensschwerstern
Die Euthanasie, wie die Abtreibung, wie die Versuche mit Embryos, stellen eine Verletzung von etwas dar, was nicht uns gehört. Im Fall Englaro liegt die Sache aber noch viel schlimmer. Man kann zumindest verstehen – wenn auch nicht rechtfertigen –, dass Menschen in besonders schwierigen Umständen wie Krieg, Elend, Einsamkeit sich nicht in der Lage sehen, das Gewicht der Hilfe und des Leides zu tragen. Wenn es aber jemanden gibt, der sich dessen annimmt und hilft, warum sollte man das verhindern? Die Barmherzigen Schwestern helfen Eluana seit 18 Jahren! Ihre Hingabe ist unentgeltlich, und sie ist zugleich eine Bekräftigung des Seins, das in Eluana wie in ihnen ist. In spem contra spem: Der Tod kann nicht das letzte Wort über das Leben des Menschen sein, der Tod als absoluter Widerspruch zur unverkürzbaren Ausspannung des Menschen nach dem Sein. Christus ist auferstanden, Gott ist Mensch geworden und hat den Tod besiegt. Das ist das Fundament des Lebens. Ansonsten verliert das Leiden seien Sinn. Dieser liegt in der Teilhabe am Leiden Christi für uns, um uns von unserer Allmacht-Illusion zurückzurufen. Es soll uns zur Einsicht verhelfen, dass wir gewollt und geschaffen sind.

Eine Frage der Zivilisation
«Die Wirklichkeit aber ist Christus», sagt der Heilige Paulus. Man kann ohne zögern lieben. Die Positivität überwiegt. Damit ist die Bestimmung des anderen ein Verbündeter und kein Feind. «Das ganze Leben verlangt nach Ewigkeit», heißt es im ersten Lied unserer Bewegung. Das ist eine Bitte mit einer Antwort!
In unserer abendländischen Welt hat die enorme Anstrengung nach medizinischer Erkenntnis nicht dazu geführt, den Kranken zur Seite zu stehen. Da ihr Anblick hässlich war und sie oft ansteckend waren, verbannte man sie. Der Schatten des Todes rief eine unwiderstehliche Angst hervor. In der Zeit nach Christus sind die Kranken – gemäß dem anhaltenden Mangel an Wissen – noch immer nicht heilbar, aber man beginnt sie aufzunehmen, so wie die Armen und die Unglücklichen. Die Begrenztheit macht keine Angst mehr, sondern, wie es Don Giussani auf faszinierende Art und Weise sagte, wurde sie als das anerkannt, was sie ist: «Eine Stufe, um zum Unendlichen zu kommen».
So versteht man das, was am Ende unseres Flugblattes steht. Der Respekt gegenüber der Würde des Lebens und der Person ist kein religiöser Mythos, sondern ein konstitutives Faktum unserer Zivilisation, der uns hilft, das zu sein, was wir möchten: geliebt werden. Jetzt scheint es, als würde diese Zivilisation untergehen, und unsere „Heimat“ nach und nach zerfallen. Wir können nicht umhin zu sein, zu leben und das zu verteidigen, was wir sind: Das ist unsere Öffnung zur Welt hin und die Öffnung der Welt selbst.