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Katholisch-muslimisches Forum
Wir und der Islam. Auf welcher Grundlage ein Dialog möglich ist
Riccardo Piol

Anfang November fand im Vatikan das erste katholisch-muslimische Dialog-Forum statt. Die Inhalte? Nicht Fragen der Doktrin, sondern das Leben, die Würde des Menschen, die Religionsfreiheit und eine gesunde Laizität. Wie Papst Benedikt XVI. sagte, ist es lebensnotwendig, hierüber Punkte der Begegnung zu finden. Pater Miguel Angel Ayuso, der Präsident des Päpstlichen Instituts für Arabistik und Islamwissenschaften erläutert warum.

Ein bedeutender Schritt auf einem langen Weg.
Anfang November fand das erste Studienseminar des katholisch-islamischen Forums im Vatikan statt. Es war ein wichtiges Ereignis im Dialog zwischen der Römischen Kirche und der facettenreichen Welt des Islam. Das Forum entstand aus dem offenen Brief »Ein gemeinsames Wort« von 138 muslimischen Intellektuellen an die Führer der christlichen Welt sowie einer entsprechenden Antwort Kardinal Tarcisio Bertones im Namen Benedikts XVI.. Thema des ersten Treffens war: »Gottesliebe und Nächstenliebe: Die Würde der menschlichen Person und der gegenseitige Respekt«. In diesem Titel spiegeln sich der Inhalt des Briefwechsels vor einem Jahr wider. Zugleich zeigt er, auf welcher Grundlage sich Katholiken und Muslime begegnen, diskutieren und zusammenarbeiten wollen.
Die beiden größten monotheistischen Religionen wurden von Experten, Forschern und religiösen Autoritäten repräsentiert. Auf katholischer Seite nahm auch der Comboni-Priester Miguel Ángel Ayuso Guixot teil. Er war lange Zeit Missionar bei den Christen des Niltales, zuerst in Ägypten und dann im Sudan. Inzwischen ist er Präsident des Päpstlichen Instituts für Arabistik und Islamwissenschaften. Für ihn ist die islamische Welt Studienobjekt und Missionsfeld zugleich. Seines Erachtens hat das Forum einmal mehr gezeigt, was der Papst seit Beginn seiner Amtszeit betont: Der Dialog mit dem Islam ist nichts Beiläufiges sondern lebensnotwendig.
Benedikt XVI. nahm auch nach dem Forum hierauf Bezug. Er äußerte sich in einem Schreiben an Marcello Pera, Mitglied des italienischen Senats, aus Anlass der Veröffentlichung von dessen jüngstem Buch Perché dobbiamo dirci cristiani – Warum wir uns Christen nennen müssen. Der Papst erklärte dabei, dass »ein interreligiöser Dialog im eigentlichen Sinne nicht möglich ist, aber ein interkultureller Dialog dringend erforderlich, mit dem Ziel, die kulturellen Konsequenzen der zugrunde liegenden religiösen Entscheidung besser kennen zu lernen.«
Die Tage im November waren vielleicht nicht das innigste Treffen, aber sie läuteten hoffentlich eine neue Zeit ein. »Von katholischer Seite gibt es reichlich Dialogangebote auf offizieller und halboffizieller Ebene, beginnend mit der Veröffentlichung der Konzilserklärung Nostra Aetate«, sagt Pater Ayuso. »Das Forum ist nun eine weitere Gelegenheit mit zwei wichtigen neuen Aspekten.«
Statt zuerst auf zukünftige Früchte dieses Geschehnisses zu blicken, verweist der Institutsleiter erst einmal auf das, was dem Seminar vorausging und was während der Sitzungen geschah. »Vor allem gilt es, eine neuartige Methode zu würdigen: Die islamische Delegation ist gestärkt durch einen breiten Konsens hierher gereist, einen sogenannten igmâ‘ , der ihr Autorität verliehen hat.« Den ersten 138 Unterzeichnern des Briefes schlossen sich nach und nach weitere an. Bis November waren es knapp 300. Dies ermächtigte die 29 islamischen Delegierten dazu, mit der katholischen Kirche in Dialog zu treten. Denn der Konsens ist in der islamischen Theologie das entscheidende Kriterium für die Weiterentwicklung von Glaubenssätzen.
»Der zweite neue Aspekt ist inhaltlicher Art und betrifft die religiöse Seite des Treffens.« Laut Abschlusserklärung haben die islamischen Teilnehmer »mit der Autorität der Weisheit« teilgenommen. Die unpolitische Gesandtschaft wollte »eine geistliche Denkarbeit, die von unseren Unterschieden, unseren unterschiedlichen theologischen und anthropologischen Sichtweisen ausging«, sagt Pater Ayuso. »Wir versammelten uns, um zu erkunden, was wir gemeinsam tun können, ausgehend von unseren Unterschieden.«
Die Arbeitsweise und der breite Raum für den freien Austausch rundeten das Geschehen ab. Am ersten Tag behandelten die beiden Delegationen die theologischen und geistlichen Grundlagen einer für beide Seiten zentralen Frage: Gottesliebe und Nächstenliebe. »Dabei zeigten sich Ähnlichkeiten und Unterschiede, in denen sich der je spezifische Geist der beiden Religionen widerspiegelt«, heißt es weiter in der gemeinsamen Erklärung. Pater Ayuso berichtet: »Viele Jahrhunderte blieb man bei dem stehen, was verschieden ist, und entwickelte eine den Blickpunkt des anderen diskreditierende Apologetik, um den eigenen Blickpunkt zu bestätigen. Hier geht es aber nicht darum, wer Recht und oder Unrecht hat, sondern um die gemeinsamen Werte, damit eine bessere Welt entsteht.«
Ayuso erinnert daran, dass auch Benedikt der XVI. während seiner USA-Reise den interreligiösen Dialog so ausgerichtet hat. »Der Papst hat damals erklärt, wie wichtig es sei, vereint zu sein, um das Leben und Religionsfreiheit in der Welt zu fördern. Meiner Meinung nach kann man das auch in der Abschlusserklärung feststellen.« Dort wird das Leben als »höchst wertvolles Geschenk Gottes« definiert. Es ist von »Menschenwürde« die Rede, die »sich aus der Tatsache ableitet, dass jede Person von einem liebenden Gott geschaffen ist.« Die gleiche Würde von Mann und Frau wird unterstrichen. Ferner betonten die Gelehrten »das Recht von Individuen und Gemeinschaften, die eigene Religion privat und öffentlich auszuüben«. Die 15 Punkte des Dokuments sind ein Arbeitsergebnis, aber auch die Basis, auf der Katholiken und Moslems den Dialog miteinander und mit der jeweiligen Gesellschaft, sozialen Gruppe und den staatlichen Institutionen fortsetzen müssen.
Pater Ayuso nannte drei unverzichtbare Bedingungen für die Fortsetzung des Dialogs: Einheit, Leben und Freiheit. »Die Einheit braucht es, weil die Gläubigen sich in der globalisierten Welt zusammengehörig fühlen müssen, wenn es darum geht, das Religiöse zu betonen und es vor der Irrelevanz zu retten, in die die Gesellschaft es abschieben will. Wir brauchen eine gesunde Trennung von Religion und Staat und als Gläubige müssen wir zur gesellschaftlichen Entwicklung beitragen.« Daher müssen wir lernen, zusammenzuarbeiten, »um das Leben zu fördern. Die Menschenwürde muss die Wurzel unseres gemeinsamen Einsatzes sein. Hier kommt es auf die Erziehung der nachwachsenden Generationen an. Diese Arbeit wird uns erlauben, in Freiheit zu leben und frei die Bedeutung der verschiedenen Glaubensrichtungen für den Aufbau der Gesellschaft anzuerkennen. So sieht die „Goldene Regel“ der Gegenseitigkeit aus. Denn unser Glaube soll den anderen nicht ausschließen, sondern ihn respektieren.« Gerade weil der Weg noch weit ist, ist der Dialog eine »heilige Pflicht«.
Pater Ayuso geht von seiner Erfahrung als Missionar und Gelehrter aus und betont »die Notwendigkeit, den anderen, so wie er ist, zu begreifen.« Hier geht es um intellektuelle Aufrichtigkeit, denn wir können nicht lieben, was wir nicht kennen. Deswegen war es kein Zufall, dass im Forum der Wunsch aufkam, sich durch die Empfehlung von Büchern besser kennen zu lernen. Dieser erste Schritt kann Achtung und Sympathie hervorbringen. »Indem ich den anderen kennen lerne, entdecke ich mich selbst erneut. In der Beziehung zu ihm ist keine Zweideutigkeit, solange ich mir selbst treu bleibe. Das ist wesentlich.«
Aber was bringt eine gegenseitige Bekanntschaft? Man könnte sich davon ein Zusammenleben oder eine im Allgemeinen verharrende Toleranz erwarten. Aber Pater Ayuso wischt diese Gemeinplätze beiseite und spricht von Zeugnis. »Die Großzügigkeit und Öffnung im Kennenlernen der Werte des anderen schließt auch die Freiheit ein, meine eigene Wahrheit zu verkünden: Jesus, dieser ewige Logos, der Fleisch geworden ist, um den Menschen mit Gott zu versöhnen und den Grundgedanken aller Dinge zu enthüllen. Es ist gerade die „brennende Sehnsucht“, seinen Spuren zu folgen, die die Christen dazu bringt, Herz und Verstand zum Dialog zu öffnen.« Gerade aus diesem Ansinnen ist das Päpstliche Institut für Arabistik und Islamwissenschaften entstanden. Pater Ayuso berichtete davon auch auf dem Forum. »Ich habe an die nun 50-jährige Arbeit des Instituts bei der Ausbildung von Menschen, die den Dialog fördern, erinnert. Auch drei Mitglieder der islamischen Delegation hatten mit unserem Institut bereits Kontakt. Sie studierten oder lehrten dort. Darum hatte ich auch keine Bedenken, den Wunsch nach einer islamischen Institution zu äußern, die ihrerseits objektiv über die katholische Kirche und das Christentum informiert. So könnte es auch in der islamischen Welt gut ausgebildete Förderer des interreligiösen Dialogs geben. Mein Vorschlag wurde wohlwollend aufgenommen.«
Gerade die Erziehung ist für Ayuso entscheidend für die Zukunft des Dialogs. Er gesteht, dass ihn »kritische und bittere Ablehnung entmutigt. Manchmal mag sie auch begründet sein, aber die eigentlichen Probleme und Schwierigkeiten lassen sich nicht durch Angst, Abweisung und Anschuldigungen beheben. Genauso wenig wie durch Strohfeuer und Partys, bei denen letztlich nichts herauskommt. Was uns aufgegeben ist, ist vielmehr ein stilles Eintauchen im Vorangehen, Lernen, Erkennen, um zusammenzuleben, sich zu respektieren. Dazu ist Erziehung vonnöten, eine gründliche, gerechte und objektive Ausbildung. Das ist es, was ich mir wünsche. Es gibt viel zu tun. Und der Weg ist nicht der meine, sondern der der künftigen Generation, also der heutigen Jugendlichen. Wir müssen ihnen helfen, diesen Weg zu entdecken, der reiche Frucht für unseren eigenen Weg bringen wird.«