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Briefe
Briefe Maerz 2008
Zusammengestellt von Paola Bergamini

Das Leben ist ein Geheimnis
Am 2. Februar kamen in Bologna bei einem Verkehrsunfall Elena und Francesco, zwei Jugendliche von GS, ums Leben. Wir veröffentlichen die Briefe der Eltern.
Die Gemeinschaft von Bologna ist am 2. Februar, am Fest der Darstellung des Herrn, von der Liebe Gottes umarmt worden. Elena und Francesco sind zum Vater aufgestiegen. Die Leute würden sagen: «Zwei Leben, die durch die Tragödien der Samstag Abende zerstört wurden». Nein, es war nicht so, ihr Bild war schon vorgezeichnet. Wir Eltern sind dankbar, weil sie uns 19 Jahre anvertraut worden sind. Wir durften ihre Anwesenheit, ihre Fröhlichkeit und ihre Lebensfreude genießen. Häufig schickten sie eine Sms: «Mama, ich komme mit Bruno, mit Giacomo, Tommaso, und so weiter zum Essen.» Elena genauso. Sie füllten das Haus mit ihren tiefsinnigen Gesprächen, die aus dem Mund Erwachsener zu kommen schienen. Von einem Augenblick auf den nächsten machte Francesco einen Witz, der nie fehlen durfte. Ciccio (so wurde er von allen genannt) hatte viele Freunde, und vielleicht merken wir erst jetzt wie viele. Für ihn war die Freundschaft wichtig, aber die wahre Freundschaft, weil er in der Gemeinschaft «das freundschaftliche Antlitz Jesu» erkannte, das ihn immer begleitete: in den schönen Dingen, aber auch als er dem Schmerz gegenübertreten musste, als sein Freund Mattia starb. Francesco hatte während des Ferienjobs bei der TIVIGEST im Sommer 2006 Maria kennen gelernt. Sie kommt aus Bergamo. Sie sahen sich, wenn es die schulischen Verpflichtungen und die der Gemeinschaft erlaubten. Aber sie telefonieren jeden Tag, auch mehrmals am Tag. Lange Gespräche am Telefon halfen ihnen, die Entfernung zu verkürzen. Es war eine schöne Liebe, die immer sowohl von den Freunden aus Bologna als auch von den Freunden von Maria in Spirano oder in Bergamo begleitet wurde. Am Abend vor dem Unfall hatte sie ihm eine Sms mit den Worten von Chieffo geschrieben: «Ich würde dich gern so lieben, wie Gott dich liebt». Gott hat auch diesen Wunsch erfüllt, weil wir denken, dass er nun so wie Gott lieben kann. Wir sehen es in den Gesichtern der Personen, die uns in unserem Schmerz begleiten möchten, die mit uns bleiben möchten, weil sie sagen, dass sie uns brauchen. Sie kommen zu jeder Uhrzeit, sie schicken uns Nachrichten: «Wie geht es dir? Hast du geschlafen? Hast du gegessen?». Sie bringen uns etwas zu Essen nach Hause, sie unterstützen die Großeltern, die vor solchen Geschehnissen ihren Augen nicht trauen können. Die Klassenkameraden und die Freunde von GS erobern das Haus mit äußerster Feinfühligkeit, weil auch sie diese Gemeinschaft nötig haben. Gott hat uns die Gnade dieses Kreuzes gegeben. Wir müssen lernen, es voll und ganz zu umarmen, indem wir unser Ja sagen, wie es die Gottesmutter unterm Kreuz Jesu tat. Man hat uns gelehrt, dass Gott uns keine größeren Lasten auflädt, als wir tragen können. Der Tod eines Kindes ist menschlich gesehen unbegreiflich, und man denkt, es sei ein unerträglicher Schmerz. Gott wandelt ihn in Liebe; in eine Liebe, die so groß ist, dass sie uns vor Rührung weinen lässt, wenn wir die kleinen Wunder sehen, die er in den Personen wirkt, die beim Beobachten unserer Gemeinschaft die Größe Gottes entdecken. Wir fühlen uns täglich von all unseren Freunden der Fraternität begleitet, unterstützt, getröstet. Nicht nur. Auch von der ganzen Gemeinschaft von Bologna, die uns auch in den kleinsten Dingen geholfen hat: Die Organisation der Beerdigung, die sich zu einem echten Fest verwandelt hat. Auch wir, wie Ciccio, haben das freundschaftliche Antlitz Jesu in den Personen, die uns begleitet haben, erfahren können.
Milvia e Marcello

Der Glaube von Maritza
Lieber Don Julián, Nachdem wir heute im Seminar der Gemeinschaft den Brief gelesen hatten, den du uns nach den Ereignissen vom 20. Januar in Rom geschrieben hast, wollte ich dir von dem berichten, was wir in diesen Jahren erlebt haben. Die Leidenschaft für die Vernünftigkeit des Glaubens, mit der uns Don Giussani vertraut machte, wie du gesagt hast, setzten wir bei Maritza in die Tat um. Sie ist ein Mädchen aus Peru, das vor 15 Jahren nach Italien kam und in Folge glücklicher Umstände bei uns in der Familie wohnte und als Babysitter für unsere Enkel arbeitete. Es waren acht sehr glückliche Jahre des Zusammenlebens und der Gemeinschaft, während der wir uns an den langen Winterabenden um den Küchentisch herum versammelten, um das Seminar der Gemeinschaft zu machen. Ich hatte es zunächst mit großem Zögern vorgeschlagen. Denn, wenn man sich wie unsere Freundin dem Glauben von einer anderen Erfahrung her nähert, hätte man den Vorschlag durchaus etwas seltsam finden können. Das, was aber geschehen ist, verursacht mir immer noch Herzklopfen: Maritza fand im Religiösen Sinn die Antwort auf ihre dringendsten Fragen; dabei verstand auch ich einige wesentliche Dinge wesentlich besser. Kurze Zeit später bat sie darum, an dem wöchentlichen Treffen des Seminars der Gemeinschaft von Florenz teilzunehmen. So legten wir jeden Donnerstag 30 Kilometer zurück. Dabei teilte sie mir alle ihre Erwartungen mit und ihre ganze Haltung gegenüber den Dingen, die bereits ihre Tage erfüllten. Wir sagten oft, das all ihre Leiden, die sie auf sich genommen hatte – sie hatte ihr Land und all ihre Lieben verlassen, ihre Mutter und ihre Geschwister, um lieber in Florenz zu sein, als in einer anderen europäischen Stadt, wo sie hätte hingehen können –, dieses Opfer nahm immer mehr einen Sinn an, eine Vernünftigkeit, die sich langsam zu einem Weg entwickelte. Nach diesen glücklichen Jahren beschloss Maritza, nach Peru zurückzukehren. Sie hatte sich in die Fraternität eingeschrieben und hoffte, dort ihren Weg fortsetzen zu können. Aber die wirtschaftlichen Bedingungen waren ungünstig und so kehrte sie nach wenigen Monaten wieder zurück. Sie fand eine gute Arbeit und begegnete den Memores Domini. So nahm ihre Berufung vor unseren bewegten und erstaunten Augen diese Form an. Wir haben bei ihr einen Glauben gesehen, der vernünftig ist und sich durch die völlige Hingabe an die Gesichter auszeichnet, die für sie das gegenwärtige Geheimnis waren. Maritza hatte 2003 bei Don Giussani ihre Profess abgelegt, als die Krankheit schon an ihr zehrte. Aber ihr großer Wille, ihr Wunsch, die Universität abzuschließen, ihre Liebe zum Leben, haben sie uns bis zum 21. Januar gelassen. Bei ihrer Beerdigung sagte Don Pino sehr schöne Worte, so dass es schien, als habe er sie schon immer gekannt. Vielleicht hat er diese in unseren Gesichtern gelesen. Denn wir konnten sie lieben, und dafür danken wir Jesus.
Irene, Florenz

Einzig und unwiederholbar
Am 10. Februar wurde das neue Krankenhaus «Villa Santa Maria» eingeweiht, das Kinder und Jugendliche mit psychischen oder neurologischen Problemen aufnimmt. Die Klinik wird seit einiger Zeit von der CdO (Verband: Compagnia Delle Opera – Gemeinschaft der Werke) unterstützt. Im Folgenden das Zeugnis einer Mutter:
Mich hat am meisten betroffen gemacht, dass man unsere Kinder hier in ihrer Ganzheit anschaut, in ihrem Sein, das von Wert und Bedürfnis, von Größe und Begrenzung, von Schönheit und Mühe gekennzeichnet ist. An diesem Ort sieht man sie nicht als pathologischen Fall an, sondern hier haben sie einen Namen. Als erstes möchte ich daher meinen Dank aussprechen, denn es ist offensichtlich, dass man großen Wert darauf legt, auf professioneller Ebene immer auf dem neuesten Stand zu sein, gleichzeitig aber hat man immer im Blick, dass es nicht die modernste medizinische Errungenschaft ist, die – für sich genommen – das Leben unserer Kinder erleichtern kann. Die Kinder und Jugendlichen brauchen moderne Diagnosemöglichkeiten und entsprechende Reha-Maßnahmen. Aber sie brauchen auch das geduldige Lächeln dessen, der ihnen täglich beim Essen und in der Hygiene hilft. Wir leben in einer Mentalität, in der man nur dann als wertvoll oder als zum Glück fähig angesehen wird, wenn man keine Krankheiten, Unvollkommenheiten oder Probleme hat. Man glaubt sogar, dass es gut wäre, von Anfang an jene, die Probleme haben könnten, vom Leben auszuschließen (betrachtet man es aber recht: Wem begegnet dann nicht früher oder später Krankheit oder Leid?) Diese Mentalität verstärkt die Befürchtungen der Eltern eines behinderten Kindes: Wird es je glücklich sein? Ich habe ein Kind in die Welt gesetzt, das immer leiden wird – war das richtig? Wer wird uns helfen? Die größte Hilfe in unserer Lebensgeschichte war es, nicht allein zu sein bei der Entdeckung, dass jeder von uns unabhängig von seiner Wesensart einen unendlichen Wert hat, dass er einzig und unwiederholbar ist. Jeder ist gewollt, jeder hat seinen Platz, seine Aufgabe in dieser Welt. Wenn wir morgens kommen und sehen, wie man unsere Kinder annimmt und begleitet, dann begreift man, wie falsch die Annahme ist, Glück sei mit dem Fehlen von Problemen gleichzusetzen. Und man versteht, dass wir nicht alleine sind, und dass das Gute für unsere Kinder möglich ist. Wir bitten daher all jene, die die Gründung der Villa Santa Maria und ihre Erweiterung in diesen Jahren ermöglicht haben, so weiterzumachen, mit diesem Blick auf unsere Kinder, von dem wir wissen, dass er viel Engagement verlangt, – weil er ständig gepflegt und der Gewohnheit und Selbstverständlichkeit entrissen werden muss.
Daniela

Konzert in München
Lieber Don Julián,
Ende Januar haben wir ein «Open Air» Konzert in der Münchner Fußgängerzone veranstaltet, um Geld für Support International zu sammeln, ein Werk, welches den «Meeting Point» von Rose in Kampala unterstützt. Wir waren mehr als 20 Freunde und haben unterschiedlichste Lieder gesungen, von Spirituals und irischen Gesängen bis hin zu afrikanischen oder südamerikanischen Liedern mit Gitarren- und Bongobegleitung. Die Vorbereitungen waren ziemlich mühsam: Wir trafen uns an acht Abenden. Für viele war es das Ende eines anstrengenden Arbeitstages. Einige mussten auf das Verständnis ihrer Ehepartner vertrauen. Beeindruckend war dabei auch, wie alle möglichen Freunde zum Gelingen beitrugen, selbst wenn sie nicht mit uns sangen: Manche haben den Infoständer gebastelt, andere haben die Spendenbox gefertigt, andere haben Handzettel vorbereitet und wieder andere ihre Wohnung für die Proben zur Verfügung gestellt. Es gab einige, die uns heißen Punsch kochten, den wir bei der Kälte gut brauchen konnten. Viele luden ihre Freunde, Arbeitskollegen und Eltern der Schulfreunde ein, vorbeizukommen und eine Spende zu geben. Am Ende des Konzertes waren wir alle unendlich dankbar – zuerst einmal gegenüber Erica, die die Idee hatte und uns mit Geduld und Enthusiasmus dirigierte. Aber vor allem waren wir dem Herrn dankbar, der das wenige, was wir an Freiheit und Verfügbarkeit hatten, genommen hat, um eine «Symphonie» (auch im wörtlichen Sinne) hervorzurufen, von der wir selber nicht wussten, woher sie kommt. Diese Dankbarkeit erfüllte auch unsere Augen und unsere Gespräche, als wir uns nach dem Konzert in einer Bar beziehungsweise bei Freunden trafen. Das alles geschah noch bevor wir von unserem «finanziellen» Erfolg erfuhren. Es waren immerhin 470 Euro in einer Stunde, auch wenn einige Spenden von unseren Freunden von CL kamen. Für uns war es eine völlig freie Geste, weder offiziell noch selbstverständlich, im Gegenteil: ungewöhnlich. Dabei war es offensichtlich, dass es uns um mehr ging, als bloß «Support» zu helfen. Wir hatten die Sehnsucht, dass Jesus kennengelernt wird, wie die Worte eines Liedes unseres Konzerts («Tomorrow») am besten ausdrücken. Dabei spricht Jesus kurz vor seiner Geburt: «Morgen wird der Tag meines Tanzes sein. Wie sehr wünsche ich mir, dass meine große wahre Liebe [der Mensch] das Spektakel meines Spiels sehen möge»
Giovanni, München