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Leben von CL / Don Luigi Giussani
Damit Christus bekannt wird
Alberto Savorana

Carmen, Dado, Lorenza. Die Geschichten von drei jungen Leuten, die durch die Freundschaft mit dem Gründer von CL die Bedeutung der Mission entdeckt haben. Bis sie schließlich ihr ganzes Leben dafür hingaben.

Madrid
Aufbrechen für eine Erfüllung


Gudo Gambaredo bei Mailand, 1985. Carmen ist in der Waschküche des Hauses der Memores Domini (Personen von Comunione e Liberazione, die ihre Hingabe an Gott durch die evangelischen Tugenden leben). Don Giussani tritt ein. «Könntest du dir vorstellen, eine Studentengruppe von der Cattolica auf einer Wallfahrt nach Santiago zu begleiten? Es werden auch einige Spanier dabei sein.» Carmen faltet das Hemd zu Ende, das sie in den Händen hält, und sagt dann: «Ja, in Ordnung.» Sie ist 25 Jahre alt und lebt seit drei Jahren im Haus von Gudo. «Vorher gab es die grundlegenden, ich würde sagen, außergewöhnlichen Jahre des CLU, als ich als Studentin der Sporthochschule meinen Tag mit Luigi, Giorgio, Antonio ... teilte, also mit den Freunden der Cattolica und mit Don Giussani. Damals, in jenen Begegnungen, in jenem so dichten und vollen Leben, ist meine Berufung gereift und hat sich mein ganzer Lebensweg entschieden. Ich war 20 Jahre alt, als ich mit Giussani über die Berufung sprach, mit der Gott mich rief. Er lachte. Und als er sah, dass ich überrascht war, sagte er mir: «Welche Fantasie der Herr doch hat. Er wählt dich inmitten deines Freundeskreises», erzählt Carmen. Nach der Wallfahrt kehrt Carmen jedes Jahr im Sommer nach Spanien zurück. Die Beziehungen zu jenen Freunden werden intensiver, bis im Jahre 1987 ein Verantwortlicher der Memores Domini sie fragt, ob sie bereit wäre, nach Madrid zu gehen, um das erste Haus von Frauen der Memores Domini in Spanien zu eröffnen. Sie denkt kurz nach und antwortet: «Nein, ich denke, es ist besser zu warten.» Sie wiederholt es Giussani: «Um fahren zu können, möchte ich, dass meine Zuneigung zu den Personen, die Gott mir gibt, für immer ist. Das ist das Zeichen, dass du sie gehen lassen kannst. In mir muss noch etwas reifen.» Giussani ist einverstanden. Aber nach einem Jahr macht er ihr den Vorschlag erneut. Sie nimmt an. «Ich konnte fahren, weil mir in der Beziehung zu ihm und zu den Leuten zu Hause nichts fehlte. Es war eine vollkommene Zuneigung da», erklärt sie, «Es gab keinen Unterschied zwischen der Liebe zu Christus, zu ihm und zu den Leuten im Haus. Ich fuhr nicht, weil ich jung und abenteuerlustig war. Nein! Du kannst in die Mission gehen, weil dir nichts fehlt, weil du dein ganzes Leben lang mit den Leuten aus deinem Haus bleiben würdest, weil nämlich eine Zuneigung entstanden ist, die in der Lage ist, das Leben zu tragen.»

Lolas Geburtstag.
Am 14. September 1988 lädt Carmen die Koffer und einige andere notwendige Sachen ins Auto und fährt mit einem Freund, der sie begleitet, los. «Ich wollte am 15. ankommen, zu Lolas Geburtstag, einer der ersten spanischen Memores Domini. Während jener Fahrt hatte ich physisch das Gefühl, eine Welt zu verlassen, um in eine andere einzutreten.» Giussani ruft sie häufig an, sehr häufig.
Er stellt ihr ganz konkrete Fragen: «Brauchst du etwas? Wie läuft es mit dem Spanischen? Was hast du gestern Abend gemacht?» «Er war sehr aufmerksam, weil er verstand, dass die Zuneigung einer 30-jährigen Frau zu Christus an Zeichen gebunden war.» Bevor sie losfuhr, hatte er ihr gesagt: «Für uns, die wir uns um Christi Willen lieben, hat das Opfer der Trennung nur eine Bedeutung: dass Christus bekannt wird, d. h. dass die anderen sich geliebt wissen, wie wir uns geliebt fühlen. Sonst würde ich dich nicht gehen lassen. Und noch eine andere Sache. Die Missionare schickten im Bewusstsein, dass sie wahrscheinlich nicht zurückkommen würden, häufig Fotos, auf denen sie, wenn sie zum Beispiel in China waren, als Chinesen gekleidet zu sehen waren. Sie gingen in die Mission, um eins zu sein mit diesen Leuten: um noch mehr Chinese zu sein als die Chinesen. Für dich ist es genauso. Du gehst nach Spanien, um mehr Spanierin zu werden als die Spanier. Christus ist mehr Mensch als ich, mehr Italiener als ich.» Und nach einigen Jahren sagte er ihr lachend: «In der Heiligen Schrift steht, dass Gott sich sogar des Esels von Bileam bedient hat. Dies bedeutet, dass Gott der Höchste ist. Die Gnade ist unfassbar, er bedient sich der Menschen, um sein geheimnisvolles Bild zu schaffen. Du warst auf jener Wallfahrt, nun bist du in Spanien für sein Bild. Die Fantasie Gottes ist größer als all unsere theoretischen Überlegungen.»

Eintauchen ins Spanische.
Im ersten Monat geht Carmen acht Stunden am Tag in den Spanischunterricht. Mehr Spanierin als die Spanier. «Ich habe mich nie als Italienerin im Ausland gefühlt. Giussani rief mich weiterhin an, um zu fragen und zu verstehen. Er, der so intelligent ist, fragte mich, die ich nichtig war. Dies ist eine Sache, die ich in mir trage. Er störte sich nicht an meinen Grenzen, an meinen Fehlern. Er war sicher, dass Christus sein geheimnisvolles Werk durch Menschen hindurch aufbaut, die einen Vor- und Nachnamen haben, eine Geschichte, ein Temperament, und dass diese Personen begleitet und umsorgt werden müssen. Dieses Kriterium wandte er bei mir an.»
Carmen ging nicht mehr weg aus Madrid. Am Telefon fällt es ihr fast schwerer, Italienisch als Spanisch zu sprechen. Heute jedoch ist Giussani nicht mehr da. «Ich war nie nostalgisch oder habe je gesagt: ‚Er fehlt mir.‘ Giussani ist da. Er ist eine Präsenz. Er ist in seinen Texten da. Er ist da als Charisma in vielen Weggefährten. Ich sehe ihn, wenn etwa ein Freund eine kluge Intuition hat oder in einem menschlichen Zug einer anderen Person. Die Beziehung ist für immer, sie verschwimmt nicht, sondern sie identifiziert sich stets mit dem lebendigen Christus. Jesus teilt sich durch eine vollkommene Zuneigung mit. Man braucht keine Angst zu haben, sich an denjenigen zu binden, der diesen Widerschein unverwechselbarer Menschlichkeit hat. Letztlich habe ich von Giussani gelernt, dass man niemanden kritisieren soll, weil, wie Péguy schreibt, es leichter ist zu zerstören als aufzubauen – es ist leichter zu töten, als lebendig zu machen. Wer jedoch liebt, sucht die Zeichen Seiner Gegenwart, die mit unserem Nichts aufbaut.»