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Peter Hogdson / Zum Gedenken
»Es ist ein Glück, einen solchen Freund zu haben«
Marco Bersanelli

Ende Dezember verstarb der Physiker von Weltruf Peter Hodgson. In der Freundschaft mit dem Wissenschaftler zeigte sich auch ein großer Mann des Glaubens, wie uns ein Kollege berichtet, der ihm sehr verbunden war.

»It has been an apex of my entire life«, „Das war ein Höhepunkt meines ganzen Lebens“, sagte mir Peter, als er sich nach dem Meeting von Rimini vor zwei Jahren tief bewegt von mir verabschiedete. Peter Hodgson war ein Nuklearphysiker von Weltruf und über 55 Jahre lang Professor in Oxford. Er wurde von den berühmtesten Universitäten in Europa und den Vereinigten Staaten eingeladen und war an zahlreichen wissenschaftlichen Spitzenprojekten beteiligt. Am 8. Dezember ist er verstorben, während er sich mit seiner Frau zu einem Urlaub in Südafrika aufhielt. Ich hatte ihn erstmals 2002 in Paris bei einer wissenschaftlichen Konferenz kennen gelernt. In kurzer Zeit ist er für mich und viele andere von uns ein wahrer Freund geworden. Es ist ein Glück und eine Ehre, solche Freunde zu haben. Das Gewicht seiner Worte war so hoch wie die Leichtigkeit seines ebenso heiteren wie tiefen Blickes, der für große Persönlichkeiten typisch ist. Bevor ich ihn kennen lernte, war mir gesagt worden, er sei ein engagierter Christ, der sogar eine Vereinigung katholischer Wissenschaftler gegründet habe. Dann habe ich im Laufe der Zeit festgestellt, dass er vor allem ein großartiger Mensch war.
Am Anfang seiner Karriere hatte er den von der kosmischen Strahlung verursachten nuklearen Zerfall studiert. Anschließend hat er verschiedene Forschungen über die Struktur des Atomkerns und die nuklearen Reaktionen vertieft. Peter war jedoch nicht nur ein großer Physiker, sondern auch ein tief schürfender Forscher. Dies führte ihn dazu, in scharfsinniger und origineller Weise die Natur und die historischen Wurzeln der wissenschaftlichen Erkenntnis herauszuarbeiten. Mit Hilfe seiner breiten nicht nur naturwissenschaftlichen, sondern auch humanistischen Bildung hat Hodgson aufgezeigt, dass die als Wissenschaft bezeichnete besondere Art und Weise, die Natur aufzufassen und zu beobachten, ihre rationalen und anthropologischen Wurzeln im christlichen Mittelalter hat.
»Die Wissenschaft ist in der Geschichte nur ein einziges Mal entstanden«, sagte er. Ich erinnere mich noch an die leidenschaftlichen Diskussionen, die wir bei der gemeinsamen Vorbereitung der Ausstellung Auf den Schultern der Giganten führten, die von Euresis beim Meeting 2005 gezeigt wurde. »Die Gründe hierfür sind teils materieller und teils kultureller Natur«, sagte er. Hinsichtlich der ersteren unterstrich er, dass man im Mittelalter einen gewissen sozialen Fortschritt und angemessene linguistische Instrumente (Schrift und Mathematik) erreicht hatte und dass die Klöster und die ersten Universitäten des Mittelalters dazu in der Lage waren, das Wissen weiterzugeben und zu verbreiten. Doch dies allein reicht noch nicht. Andere antike Zivilisationen, in Griechenland und China beispielsweise, hatten zwar ein ähnliches Entwicklungsniveau erreicht. Die Wissenschaft hat dort aber nur ein bewundernswertes Aufzucken gekannt, ohne jemals zur Reife zu gelangen. Hierfür wären auch ganz bestimmte kulturelle Voraussetzungen nötig gewesen.
Hodgson unterstrich, dass nicht jede Auffassung von der Welt, dem Menschen und von Gott erlaubt, die Wirklichkeit auf jene ernsthafte Art und Weise zu beobachten und zu hinterfragen, die zur experimentellen Methode führt. Insbesondere muss man überzeugt sein, dass die materielle Wirklichkeit es wert ist, kennen gelernt zu werden. Dies mag selbstverständlich erscheinen, ist es aber nicht. Die Weltanschauungen der Gnostiker oder Epikureer beispielsweise machten das Entstehen der Wissenschaft unmöglich, da sie eine Gleichgültigkeit gegenüber der materiellen Welt predigten, deren Kenntnis man als unnütz und schädlich betrachtete. Außerdem bedarf es der Vorahnung, dass die Welt geordnet und diese Ordnung der menschlichen Vernunft zugänglich ist. Hier geht es um jene geheimnisvolle Entsprechung, die Einstein zur Feststellung veranlasste: »Das Unverständlichste am Universum ist die Tatsache, dass es verständlich ist.« Es reicht nicht, die Regeln in den Bewegungen der Sterne zu erkennen. Man muss es auch für möglich halten, dass diese Bewegungen zumindest teilweise dechiffrierbar sind. Und schließlich war noch die Überzeugung notwendig, dass die Kenntnis der Phänomene und Gesetze der Natur eine – möglicherweise nicht unmittelbare – Nützlichkeit für das einzelne Subjekt und die Menschheit insgesamt hat.

Hodgson stellte fest, dass »im Mittelalter in der jüdisch-christlichen Weltanschauung erstmals all diese Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt waren«. In ihr ist die Wirklichkeit gut und geordnet, da sie von einem personalen und vernünftigen Gott geschaffen ist, der in Freiheit den Geschöpfen das Sein schenkt, um mit der Schöpfung einen guten Plan zu verwirklichen. Die physische Welt, jedes einzelne Geschöpf oder Phänomen, ist bedeutungsvoll, insofern es ein Zeichen des Schöpfers ist. Das Universum ist von Gott geschaffen, aber von Ihm unterschieden: Die Schöpfung ist eine freie Initiative des Geheimnisses. »Der Gott der Juden unterscheidet sich stark von dem Gott Platons oder dem ersten Beweger des Aristoteles ... [Er] schuf eine Welt, die völlig von ihm getrennt ist.« Um das Universum zu erkennen, reicht es daher nicht aus zu meditieren oder abzuleiten. Man muss sich mit der Wirklichkeit auseinandersetzen und die Gegebenheiten der Natur beobachten. In der jüdisch-christlichen Weltanschauung ist »das Erkennen stets ein Ereignis«, eine Begegnung mit der Wirklichkeit.
Doch gerade das Kommen des Christentums war es, das die entscheidende kulturelle Wende mit sich brachte. »Die Menschwerdung, das Ereignis, in dem Gott selbst Mensch wird, wertet die Materialität der Wirklichkeit unglaublich auf«, sagte Hodgson. »Von da an war die Geschichte nicht mehr eine unendliche Folge von Zyklen, sondern eine lineare Geschichte mit einem Anfang und einem Ende. Eine Gesamtheit von Glaubenswahrheiten hinsichtlich der Welt, die in der Lehre Christi enthalten waren, führte schließlich zur Geburt der Wissenschaft im späten Mittelalter und zu ihrem Aufblühen in der Renaissance.«
Hodgson war auch ein Zeuge und leidenschaftlicher Unterstützer des Realismus als Bedingung für einen gesunden Gebrauch der Vernunft und somit auch der wissenschaftlichen Erkenntnis. »Man kann die Wirklichkeit eine Weile ignorieren – sagte er – doch je länger man sie ignoriert, desto schrecklicher wird das Ergebnis sein.« Auf einem Kongress in Triest im letzten Herbst hatte er gesagt: »Die Wahrheit des Christentums oder die Wahrheit der Atomtheorie oder des Sonnensystems beruht nicht auf einem oder einigen logischen Argumenten. Vielmehr beruht sie jeweils auf einer enormen Anhäufung persönlicher Erfahrungen, auf der Konvergenz einer großen Anzahl getrennter Hinweise, von denen keiner für sich allein genommen entscheidend ist.«
Peter Hodgson hatte ein weites Verständnis der Vernunft entdeckt und sich angeeignet. So fühlte er sich sofort zu Hause, als er dem Charisma Don Giussanis begegnet ist. So sehr, dass er sich vergangenes Jahr mit Enthusiasmus bereit erklärte, zusammen mit Julián Carrón in London das Buch Das Wagnis der Erziehung vorzustellen. Bei Peter Hodgson hat die Weite seiner Kenntnisse die ganze Frische eines einfachen Blicks auf die Wirklichkeit erhalten. So schien hinter jedem seiner Hinweise die Feststellung auf: »Wie schön ist die Welt, und wie groß ist Gott!«.