Logo Tracce


Urbi et orbi
Botschaft beim Segen »urbi et orbi«
Papst Benedikt XVI.

Die Gnade Gottes hat sich im Fleisch geoffenbart und seit Antlitz gezeigt. »Apparuit gratia Dei Salvatoris nostri omnibus hominibus« (Tit 2, 11)

Liebe Brüder und Schwestern! Mit den Worten des Apostels Paulus verkünde ich erneut die freudige Botschaft der Geburt Christi: Ja, heute »ist allen Menschen die Gnade Gottes, unseres Erlösers, erschienen«!
Sie ist erschienen! Dies ist es, was die Kirche heute feiert. Die Gnade Gottes, reich an Güte und Liebe, bleibt nicht verborgen, sie »ist erschienen«, sie wurde im Fleisch sichtbar, sie hat ihr Antlitz gezeigt. Wo? In Bethlehem. Wann? Unter Kaiser Augustus, während der ersten Volkszählung, die auch der Evangelist Lukas erwähnt. Und wer bringt die Offenbarung? Ein neugeborenes Kind, der Sohn der Jungfrau Maria. In ihm ist die Gnade Gottes, unseres Erlösers, erschienen. Darum heißt dieses Kind Jehoshua, Jesus, das bedeutet »Gott rettet«.
Die Gnade Gottes ist erschienen: Darum ist Weihnachten ein Fest des Lichts. Nicht ein strahlendes Licht wie jenes, das am hellichten Tag alle Dinge erfasst, sondern ein Schein, der in der Nacht aufleuchtet und sich von einem bestimmten Ort des Universums her ausbreitet: von der Grotte in Bethlehem, wo das göttliche Kind »das Licht der Welt erblickt« hat. In Wirklichkeit ist er das Licht selbst, das sich ausbreitet, wie es so viele Weihnachtsbilder gut darstellen. Er ist das Licht, das mit seinem Erscheinen die Finsternis zerreißt, die Dunkelheit vertreibt und uns erlaubt, den Sinn und den Wert unserer Existenz und der Geschichte zu verstehen. Jede Krippe ist eine schlichte und beredte Einladung, das Herz und den Verstand für das Geheimnis des Lebens zu öffnen. Es ist eine Begegnung mit dem unsterblichen Leben, das sterblich geworden ist im geheimnisvollen Weihnachtsgeschehen; dieses Geschehen können wir auch hier auf dem Platz bewundern wie auch in unzähligen Kirchen und Kapellen auf der ganzen Welt und in jedem Haus, wo der Name Jesu angebetet wird.
Erschienen ist die Gnade Gottes allen Menschen. Ja, Jesus, das Antlitz des Gott-der-rettet, ist nicht nur für wenige sichtbar geworden, nicht nur für ein paar, sondern für alle. Es stimmt, in der bescheidenen, schmucklosen Bleibe in Bethlehem haben ihn nur wenige Menschen gefunden, aber er ist für alle gekommen: für Juden und Heiden, Reiche und Arme, Nahe und Ferne, Gläubige und Ungläubige ... für alle. Die übernatürliche Gnade ist nach dem Willen Gottes für alle Geschöpfe bestimmt. Der Mensch muss sie jedoch annehmen, sein »Ja« dazu sagen, wie Maria, damit das Herz von einem Strahl dieses göttlichen Lichtes erleuchtet wird. In jener Nacht haben Maria und Josef, die es schon mit Liebe erwartet hatten, das fleischgewordene Wort aufgenommen ebenso wie die Hirten, die bei den Herden wachten (vgl. Lk 2, 1-20). Eine kleine Gemeinschaft also, die herbeieilte, um das Jesuskind anzubeten; eine kleine Gemeinschaft, die die Kirche und alle Menschen guten Willens verkörpert. Den Gott, der aus Liebe unser Bruder geworden ist, finden auch heute jene, die ihn in ihrem Leben erwarten und ihn suchen; jene, die ihm ihr Herz zuwenden, verlangen danach, sein Antlitz zu schauen und zum Kommen seines Reiches beizutragen. Jesus wird es in seiner Verkündigung selbst sagen: es sind die Armen im Geiste, die Notleidenden, die Sanftmütigen, die nach Gerechtigkeit Hungernden, die Barmherzigen, die, die ein reines Herz haben, die Friedensstifter, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten (vgl. Mt 5, 3-10). All diese werden in Jesus das Antlitz Gottes erkennen und wie die Hirten von Bethlehem mit einem von der Freude seiner Liebe erneuerten Herzen nach Hause aufbrechen.
Brüder und Schwestern, die ihr mir heute zuhört, die Verkündigung der Hoffnung, die den Kern der Weihnachtsbotschaft darstellt, ist für alle Menschen bestimmt. Jesus ist für alle Menschen geboren, und wie Maria ihn in Bethlehem den Hirten dargeboten hat, so zeigt ihn die Kirche heute der ganzen Menschheit, damit jeder Mensch in jeder Situation die Kraft der heilbringenden Gnade Gottes erfahren kann, die allein Böses in Gutes zu verwandeln vermag, die allein das Herz des Menschen verändern und zu einer »Oase« des Friedens machen kann.
(...)
Heute »ist die Gnade Gottes, unseres Erlösers, erschienen« (vgl. Tit 2, 11), in unserer Welt, mit ihren Möglichkeiten und ihren Schwächen, mit ihren Fortschritten und ihren Krisen, mit ihren Hoffnungen und ihren Ängsten. Heute erstrahlt das Licht Jesu Christi, des Sohnes des Höchsten und des Sohnes der Jungfrau Maria: »Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen«. Heute beten wir überall auf der Erde ihn an, der in Windeln gewickelt und in eine armselige Krippe gelegt ist. Wir beten ihn in Stille an, während er, der noch nicht sprechen kann, uns zu unserem Trost zu sagen scheint: Fürchtet euch nicht, »ich bin Gott und sonst niemand« (Jes 45, 22). Kommt zu mir, Männer und Frauen, Völker und Nationen, kommt zu mir, fürchtet euch nicht: Ich bin gekommen, um euch die Liebe des Vaters zu bringen, um euch den Weg des Friedens zu zeigen.
Brechen wir also auf, Brüder und Schwestern! Eilen wir herbei wie die Hirten in der Nacht zu Bethlehem. Gott ist uns entgegengekommen und hat uns sein Antlitz gezeigt, reich an Gnade und Erbarmen! Sein Kommen soll für uns nicht vergeblich sein! Suchen wir Jesus, lassen wir uns von seinem Licht anziehen, das die Traurigkeit und die Furcht aus dem Herzen des Menschen vertreibt; treten wir voll Vertrauen zu ihm hin, und fallen wir demütig vor ihm nieder, um ihn anzubeten.

Frohe Weihnachten euch allen!