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Heilige - Birgitta von Schweden
Die Mutter, die Europa formte
Paola Bergamini

Sie kam aus adeligem Hause und hatte nur einen Wunsch: Sie wollte in ein Kloster eintreten. Aber sie heiratete und hatte acht Kinder (darunter auch eine Heilige). Als Witwe verließ sie Schweden und durchquerte den ganzen Kontinent, um den Papst davon zu überzeugen, nach Rom zurückzukehren. Ein schwieriges Unterfangen.

„Herr, zeige mir den Weg und gib mir die Verfügbarkeit, ihm zu folgen“: Dieses Gebet wiederholte die heilige Birgitta gerne. Und der Herr bat sie, Braut, Mutter, Pilgerin und Ordensgründerin zu werden. Er betraute sie mit einer grundlegenden kirchlichen und sozialen Sendung: In einem dramatischen historischen Moment für die Christenheit, dem 14. Jahrhundert, geht es um die Wiedererweckung der westlichen Kirche. Birgitta, die gegen 1302 im fernen Schweden geboren wurde, durchreist Europa, um die Botschaften zu überbringen, die Christus und die Jungfrau ihr offenbaren. Ihre Worte lassen Könige, Päpste, Kirchenfürsten und mächtige Männer, die sich vom Evangelium entfernt hatten, erzittern.
Natürlich träumte Birgitta nicht im Geringsten davon, als sie in dem schönen elterlichen Hause bei Finsta, 50 Kilometer vor Stockholm, aufwuchs. Sie will sich Gott weihen und ins Kloster eintreten. Die Vorsehung verfügt es aber anders. Als sie 13 Jahre alt ist, entscheidet ihr Vater, Birger Personn, einer der mächtigsten Männer Schwedens, sie mit dem fünf Jahre älteren Rechtsgelehrten Ulf Gudmarsson zu verheiraten. Sie gehorcht unter Tränen und im Jahre 1318 wird die Hochzeit gefeiert. Die Brautleute ziehen auf die Burg Ulvåsa, die auf einer der Landzungen des Boren-Sees liegt. Hier werden ihre acht Kinder geboren, darunter die heilige Katharina von Schweden, welche die Mutter bis zu deren Tod begleiten wird. In über 27 Jahren des Ehelebens widmet Birgitta sich vollständig der Familie, der Erziehung der Kinder, aber auch allen Personen auf ihrem Landgut, für die sie sich verantwortlich fühlt. Abends findet man sie oft dabei, wie sie die Bibel liest und den Bediensteten erklärt. Ulf ist ein rechtschaffener Mann und er ist fasziniert von jener gleichermaßen sensiblen wie starken Frau; ihre Religiosität wirkt anziehend. Birgitta lehrt ihn, das Offizium der Gottesmutter zu beten. Gemeinsam beten sie in der Kapelle, aber vor allem begleitet er sie in der tätigen Nächstenliebe gegenüber den Bedürftigen. Sie gründen ein kleines Hospital in der Gegend, wo sie den Kranken helfen. Bei der Armenspeisung bedienen sie selbst. Birgitta möchte, dass auch die Kinder ihr bei den Krankenbesuchen helfen, damit sie lernen, Gott in den Kranken und Bedürftigen zu dienen. Viele Menschen jeglichen Standes bitten sie um ihre Hilfe. Eine besondere Leidenschaft hat sie für Prostituierte, denen sie, auch in materieller Hinsicht, hilft, ehrenhafte Ehen zu schließen oder ein neues Leben im Kloster zu beginnen.

Wallfahrt nach Compostela
Im Jahre 1335 heiratet König Magnus die Tochter eines flämischen Grafen, Blanka von Namur. Birgitta wird an den Hof gerufen, um als Hofdame und Erzieherin der noch jungen Regentin zu wirken. Ihr Einfluss macht schnell von sich reden. Sie überzeugt den König davon, ungerechte und unmenschliche Bräuche gegenüber den Ärmsten der Armen abzuschaffen. Vor allem möchte sie, dass Magnus ein christlicher König ist. Aber das weltzugewandte höfische Leben ist nichts für sie und im Jahre 1339 bittet sie, wieder nach Hause zu ihrer Familie zurückkehren zu dürfen. Zwei Jahre später unternimmt sie anlässlich ihrer Silberhochzeit mit ihrem Gatten eine Pilgerreise nach Santiago di Compostela. Diese lange Reise von Heiligtum zu Heiligtum ist für die Eheleute entscheidend. Sie beschließen, sich vollständig Gott zu weihen.
1342 kehren sie zurück. Ulf tritt in das Zisterzienserkloster von Alvastara ein, in dem sich schon der Sohn Benedikt befindet. Und was macht Birgitta? Nach dem Tod des Ehemanns im Jahre 1344 verteilt sie ihre Güter an die Erben und Bedürftige und zieht sich in einen Klosteranbau zurück, um das monarchische Ideal, das ihr so am Herzen liegt, zu verwirklichen. Sie taucht in die Stille und das Gebet ein. Zentraler Punkt ihrer Betrachtungen ist die Passion Christi. Dies sind die Jahre der Visionen und Offenbarungen. Christus und die Gottesmutter sprechen zu ihr und bitten sie darum, dass sie gegenüber den Mächtigen - und nicht nur ihnen - als Prophetin auftrete, denn die Lehre des Menschensohnes ist die einzige Möglichkeit der Rettung. Es sind Momente der reinen Gnade. Wenn man die „Himmlischen Offenbarungen“ liest, die der Prior Petrus ins Lateinische übersetzt hat, ist man von der Kraft und Ausdrucksstärke beeindruckt. Hier spricht Gott. Mit Hilfe einer dieser Offenbarungen überzeugt Birgitta König Magnus, zwei Boten zu den Königen von Frankreich und England zu senden, um den Hundertjährigen Krieg zu beenden. Ein weiterer wird zu Papst Clemens gesandt, der sich zum Friedensbringer machen und von Avignon nach Rom zurückkehren soll. Aber Birgittas Hauptaufgabe besteht darin, einen neuen Orden zu gründen. Am 1. Mai 1346 tritt der König ihr als Ort dafür das Schloss bei Vadstena am Vättersee ab. Aber es bedarf noch der päpstlichen Bestätigung und zwar durch jenen Papst, der ihrer Aufforderung nicht nachgekommen ist und nicht in die Ewige Stadt zurückkehren möchte. Als sie im Herbst 1349 mit einer Gruppe von Pilgern Richtung Rom aufbricht, haben sie auch das Heilige Jahr 1350 vor Augen.
Das Gerede über ihre Offenbarungen hat Rom bereits erreicht, aber die Ewige Stadt ist alles andere als heilig. Es vergehen Tage, ohne dass eine einzige Messe in der Stadt gefeiert wird. Die Abwesenheit des Heiligen Vaters ist für Birgitta die Bestätigung für den Niedergang der Kirche. Vom Bruder des Papstes wird ihr eine Wohnung zur Verfügung gestellt, in der sie ein klosterähnliches Leben führt. Birgitta studiert, redigiert die Offenbarungen und pilgert zu den heiligen Orten innerhalb und außerhalb der Stadtmauern. Wie bereits in Schweden widmet sie sich den körperlich und geistig Armen. Als ihr das Geld ausgeht, bettelt sie sogar um Almosen. Unbarmherzig predigt sie gegen den Niedergang der Kirchenmänner und gegen den Missbrauch der Macht, wodurch sie sich den Zorn vieler zuzieht; einige drohen ihr, sie bei lebendigem Leibe als Häretikerin zu verbrennen. Sie lässt sich nicht einschüchtern. Ihre Pilgerreisen führen sie bis nach Neapel, wo sie dieselbe Dekadenz vorfindet. Noch einmal warnt und mahnt sie. Am 16. Oktober 1367 betritt Urban V. feierlich Rom. Birgitta strahlt. Sie präsentiert dem Papst die Ordensregel. In der Kurie rümpft man über den Text die Nase, er sei zu rau. Mit Hilfe von Niccolò Orsini erstellt sie eine neue Fassung. Die Bestätigung erfolgt am 5. August 1370 in Montefiascone, der Sommerresidenz des Papstes. Zu dieser guten Nachricht gesellte sich eine schlechte: Der Heilige Vater hat beschlossen, nach Avignon zurückzukehren. Birgitta ist außer sich. Während einer Privataudienz berichtet sie ihm, was die Gottesmutter ihr diesbezüglich mitgeteilt hat. Der Ton wird fast beleidigend. Aber Urban V. hört nicht auf sie. Am 19. Dezember desselben Jahres stirbt er.
Birgitta ist müde und ausgezehrt, aber der Bräutigam hat noch eine Bitte an sie: an den heiligen Orten zu beten. Mit Freunden und Verwandten, darunter auch zwei ihrer Söhne, macht sie sich erneut auf die Reise. Erste Station ist Neapel. Hier erfährt sie einen großen Schmerz: Ihr Sohn Karl verliebt sich in die Königin Giovanna, doch stirbt er nach wenigen Monaten.

Der letzte Brief. 1371 bricht sie nach Jerusalem auf, wo sie am 11. Mai 1371 ankommt. Vier Monate bleibt sie an den heiligen Orten. Danach geht sie nach Bethlehem und auf den Zionsberg. An jedem Ort erscheinen ihr Christus und die Gottesmutter. Sie betet ununterbrochen um die Reform der Kirche und die Wiederherstellung der cathedra Petri in Rom. Als sie nach Rom zurückgekehrt ist, übergibt sie Bischof Alfons einen letzten Brief für Gregor den XI. Es ist ihre letzte Tat. Sie stirbt am 23. Juli 1373. Der Leichnam sollte von der Wohnung an der Piazza Farnese zum Klarissenkloster überführt werden, den Birgitta zu ihrem Ruheort in Rom ausersehen hatte. Doch die Verehrung der Heiligen durch die Volksmenge war so groß, dass dies zwei Tage lang nicht möglich war. Ihre Tochter Katharina überführt die sterblichen Überreste 1374 nach Schweden, wo sie am 4. Juli in Vadstena ankommen. Katharina wird die erste Oberin des neuen Ordens. Am 17. Januar 1377 kehrt Gregor der XI. nach Rom zurück. Die Prophezeiung hat sich erfüllt, die Christenheit ist gerettet.
Papst Johannes Paul II. ernannte Birgitta am 1. Oktober 1999 zusammen mit Katharina von Siena und Edith Stein (Schwester Teresa Benedicta vom Kreuz) zu Patroninnen Europas.