Aufmacher
Worte, die den Geist beleben und ihm den Geschmack eines Lebens in Verantwortung erschließen
Luigi Giussani
«Und Du, Kind, wirst Prophet des Höchsten heißen»,
weil das, was in die Geschichte des Volkes eingegriffen hat -
eines Volkes, das bereits völlig verinnerlicht hatte, dass das
Problem des Heils mit dem Problem des Menschenleben übereinstimmt -
eingegriffen hat, wegen «der Erfahrung des Heils in der
Vergebung der Sünden» geschah. Wenn wir das Benedictus
beten, dann teilen wir uns im Alltag diese tiefe Neuheit des Seins
mit, wir teilen sie uns erneut mit, oder besser: wir lassen uns
wieder von dieser Neuheit erfüllen.
«Und Du, Kind, wirst Prophet des Höchsten heißen».
Andernfalls wäre die Geschichte der Menschheit - die aus der
Geschichte der vielen Einzelnen besteht - und die Behauptung der
Rettung des Menschenlebens - die Behauptung einer Sicherheit, die
letztlich der `Stoff' für das menschliche Bewusstsein ist -
all dies hinge völlig in der Luft Alles wäre ein Elend,
ein unüberwindliches und unbestreitbares Elend.
«Die Vergebung der Sünden»: sie ist `gewichtig' für
unsere beständige Ausrichtung auf die geheimnisvolle Kommunikation
mit dem Göttlichen.
Das erste, was bei dieser Betrachtung auffällt, die eine Prophezeiung
für die Beziehung mit dem Göttlichen ist, das erste, was
auffällt ist also, dass du, dass ich und jeder einzelne Mensch Teil
eines Volkes ist: «Um sein Volk mit der Erfahrung des Heils zu
beschenken.»
Folgt man diesen Betrachtungen und richtet dabei sein Augenmerk auf den
Weg des Menschen, dann stellen sich all die Mauern unserer hinfälligen,
doch ewigen Wirklichkeit als das heraus, was das Hervorgehen eines
Volk ermöglicht: ein gemeinsames Herz, ein Antrieb zu der
entscheidenden Weissagung. Was für ein großes Ereignis ist
Christus doch und auch, dass die "Kinder" zu Propheten
des Höchsten werden! In der Genugtuung für die Fehler
leistet alles in ihnen und durch sie und für sie einen Beitrag
zur Hervorbringung eines Volkes, begründet die Gegenwart eines
Volkes, das menschlich ist.
Hier zeigt sich die Scharfsinnigkeit des Ewigen: in einem Antrieb bietet
sich Er, der Ewige, dem Herzen des Menschen dar (nicht, wie Gott, der Herr,
an Israel in Meríba handelte, in der Wüste am Tag von
Massa3); man bemerkt, dass da etwas ist, dass da etwas anwesend ist
und siehe, langsam wird das Herz bereit, seine Augen zu öffnen,
sie weit zu öffnen, sie sich aufreißen zu lassen
angesichts des Unvorstellbaren, des unvorstellbar Schönen, des
vollkommen Guten, das Gott an der Muttergottes gewirkt hat, das Gott
an Seiner Mutter gewirkt hat.
Wenn wir etwa vor dem Essen, mittags oder abends das Gegrüßet
seist Du Maria beten, dann anerkennen wir in der Gottesmutter die ersten
Schwingungen der Saiten jenes Musikinstrumentes, das die Wirklichkeit
Gottes für alle Engel und für all die Menschen ist, die
sagen: «Vater, der Du bist im Himmel, in der Tiefe aller
Dinge». Die Gottesmutter!
«Und Du, Kind, wirst Prophet des Höchsten heißen».
Vielleicht kann man sagen, dass uns die Gestalt der Gottesmutter vertraut
geworden ist, als Erstgeborene all dessen, was sich ereignet. Die Gestalt
der Gottesmutter, die Wirklichkeit der Gottesmutter, die man auch Ort der
Barmherzigkeit, der Vergebung und der Herrlichkeit, Ort der wahren
und herrlichen Wirklichkeit5 nennt, ist es, die Augenblick für
Augenblick in die Türen des menschlichen Herzens hineindrängt.
"Und Du, Kind, [d.h. ich oder du] wirst Prophet des Höchsten
heißen».
Wer nimmt denn mein ganzes Leben in Betracht, jeden einzelnen Moment
von ihm, auch die Momente der Gebrechlichkeit und der Bosheit
inbegriffen, die, auch wenn sie in die Eingeweide meiner Geschichte
eingedrungen sind, trotzdem die Verkündigung Seiner Gegenwart
nicht unterdrücken haben können: "Und Du, Kind, wirst
Prophet des Höchsten heißen»? Es ist dieses
Geschöpf, diese Frau! Eine Frau, die sich zu Fuß auf den
Weg macht und 120 Kilometer zurücklegt, um ihre Cousine, die
heilige Elisabeth zu besuchen. Wenden wir uns also bittend dieser
Mutter zu, weil der große Baumeister der Welt sie so geschaffen
hat, wie sie ist. Lassen wir mit der Zeit unsere Einwände immer
mehr beiseite, versuchen wir uns nicht mehr unserer Beziehung zu
dieser Gestalt zu entziehen, uns dieser Wirklichkeit zu entziehen,
die im Geheimnis aller Dinge enthalten ist, die im Herzen des Seins,
das sich vollzieht, enthalten ist! Veni Sancte Spiritus, veni per
Mariam (Komm Heiliger Geist, komm durch Maria!): vertrauen wir uns
ihr rückhaltlos und unbekümmert an, mit der Gewissheit
eines Mose und vor Mose noch mit der Gewissheit eines Abraham, mit
der Gewissheit der Kinder Gottes, die aus dem Menschen geboren
wurden: Die Hingabe an die Gottesmutter muss und kann alle Ängste
und Verstimmungen aufheben, zu denen unsere Ungeduld führt.
Denken wir beim täglichen Benedictusgebet an die eindringliche,
die aufdringliche, eindringliche, großartige Rolle dieser Frau;
denn überaus wahr ist die Bemerkung, dass die Sehnsucht dessen,
«der die Gnade sucht» und nicht Halt macht, um sie
anzurufen, vergebens wäre, wie der Versuch, «sich ohne
Flügel zum Flug zu erheben». Mit anderen Worten: «Du
verleihst meinem Herzen Flügel». Danke.
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