Logo Tracce


Editorial
Erziehen, um der Angst Herr zu werden
-

Mit Bestürzung nahm die Weltöffentlichkeit die hinterhältigen Terrorattentate zur Kenntnis, die kürzlich mehrere Länder beinahe gleichzeitig erschütterten. Solch blinder und doch zugleich präzis gesteuerter Gebrauch von Gewalt stellt die extremste Form des Hasses dar, der im jeweils anderen immer nur den Feind zu erblicken vermag. Es ist keinen politischen, und noch weniger einen religiösen Grund, der solch mörderische Kälte jemals rechtfertigen könnte. Angst be innt unser Leben zu prägen. Schon weckt jedes über uns hinwe fliegende Flugzeug üble Befürchtungen. Genau auf dieses Gefühl der Unsicherheit zielen die Hintermänner von Terrorismus und Selbst- mordanschlägen ab. Eine ebenso verrückte wie brillante Strate ie. Denn Angst und Schrecken lähmen das Leben, sie bringen Beziehungen ins Wanken. Indes spannt sich die Lage weiter an. Wie sich in den ver angenen Monaten gezeigt hat, sollen anze Völker eingeschüchtert werden. Der Krie , in dem wir uns befinden, ist komplex und verheißt nichts Gutes.

Das Schlimmste, was wir uns momentan erlauben könnten, wäre Unverantwortlichkeit -die Unverantwortlichkeit seitens der Staatsoberhäupter ebenso wie seitens der Führer internationaler Or anisationen und politischer Parteien. Dass man vielerorts der Lo ik der Feindschaft und einer manichäischen Klassifizierung der Welt in Gute und Böse zu verfallen droht, ist die traurige Folge allgemeiner Unverantwortlichkeit. Politik als Kunst des Kompromisses könnte hier Wege eröffnen, die Probleme realistisch anzugehen sowie sie nachhaltig und friedlich zu lösen. Doch auch wir selbst, die wir nicht zu den Mächtigen zählen, dürfen uns jetzt einfach nicht erlauben, uns unserer Verantwortung zu entziehen. Jeder Einzelne von uns hat die lebenswichtige Aufgabe, Gott um Hilfe anzurufen und sich zu bekehren. Der Papst, dieser Leuchtturm der Hoffnung für unsere Zeit, hat uns alle daran erinnert. Politik eignet sich zum Eindämmen, Organisieren und Koordinieren. Doch der wahre Kampf gegen die Lo ik der Feindschaft und der Angst wird auf dem Feld der `Erziehung' geschlagen. Zwar äußert sich Angst in unterschiedlicher Weise und hat stets verschiedene Gründe. Doch was T. S. Eliot `Wüste und Leere' nennt, ehört immer mit zu den Ursachen von Angst. Und selbst in prall gefüllten U-Bahnwagons ist man nicht vor dieser `Leere' gefeit.

Erziehung vermittelt die Kraft zu Aufbau und Wiederaufbau. Kraft derer man bedarf, will man nicht versanden in der Wüste eines seiner Bedeu- tung beraubten und entleerten Lebens, das so leicht zum Spielball der Macht wird. 1987 sprach Don Giussani vom `Tschernobyleffekt', der sich in uns allen in Folge einer Verkürzung der Sehnsucht des Ichs auswirke, die die Macht in uns zu bewirken suche. Erziehung muss aus diesem Grunde wieder das eigentlich Menschliche bewusst machen:dass das Leben eines jeden Einzelnen in seiner Beziehung zum Unendlichen besteht, dass dies die Quelle der Menschenwürde ist und dass diese Beziehung unsere letzte Bestimmung ausmacht. Konstruktives persönliches und soziales Handeln ist das Werk von Personen und Völkern. Denn sie sind die Träger von Traditionen, d. h. in ihnen werden menschliche Erfahrungen weitergegeben sowie Zielvorstellungen kritisch vermittelt -kritisch, weil Ziele stets an der Sehnsucht zu messen sind, deren Ursprung und Erfüllung sie sind. Genau aus diesem Grunde fühlen auch wir uns verantwortlich, der Verwüstung entgegenzutreten.