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Don Giussani
Das spannende Abenteuer des Zeugnisgebens
Camillo Ruini

Am 22. März, dreißig Tage nach dem Tod von Don Giussani, feierte Kardinal Camillo Ruini in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore das Seelenamt für den verstorbenen Gründer von CL . «Man bringt Jesus den Menschen nahe, wenn man von Ihm fasziniert ist.» Wir veröffentlichen im Folgenden eine Mitschrift seiner Predigt.

Wir sind hier versammelt, um das wirksamste aller Gebete zu beten, nämlich das Opfer Christi, die heilige Messe. An diesem Dienstag der Karwoche, der uns in die Geheimnisse des Leidens, des Sterbens und der Auferstehung Jesu einführt, beten wir für Don Luigi Giussani. Es sind die Geheimnisse, die das Leben des Gründers von Comunione e Liberazione so sehr beseelt haben, dass er sie zum Mittelpunkt seines Erziehungskonzeptes machte. Beten wir für Don Giussani an diesem dreißigsten Tag nach seinem Ableben, dass der Herr die Hingabe seines gesamten Lebens annehme: seine lange und aufopferungsvolle Hingabe für die Kirche, die bereits so viele Früchte in der Menschheitsgeschichte gebracht hat und in der Zukunft noch reichere Früchte bringen wird. Nicht zufällig hat Jesus selbst, das Leben dessen, der ihm nachfolgt, mit einem Weizenkorn verglichen, das in die Erde gesät wird und reiche Frucht bringt.
Die Tage unmittelbar nach dem Ableben Don Luigi Giussanis waren für uns, und durch die Zeitungen und das Fernsehen für alle Italiener sowie für so viele Menschen in der Welt, Anlass zu einem zweifachen Zeugnis: vor allem das Zeugnis, das die Bewegung von Comunione e Liberazione und noch allgemeiner alle Freunde Don Giussanis von der empfangenen Erziehung gegeben haben. Die Gemessenheit und stille Heiterkeit, mit der zehntausende Mitglieder der Bewegung diese Tage lebten - die Schönheit der Lieder während der Eucharistiefeier, die Ordnung, die Andacht, die Stille -, haben vielen ermöglicht, das wahre Gesicht von Comunione e Liberazione zu entdecken. Dieses tiefer liegende Antlitz der Bewegung ist sicherlich nicht abgewandt von der Gesellschaft, aber dennoch tief in Gott und in Seinem Sohn verwurzelt.

Die Schönheit des Christentums
Jene Tage waren zum Zweiten auch ein Zeugnis für Don Giussani, für die wirkliche Liebe, die seiner Person galt. Er war der Sohn eines sozialistischen Vaters, der die Schönheit und die Vernunft liebte, und einer tief christlichen Mutter. Mit seinem Leben hat er eine existenziell lebendige und treue Verwurzelung in der Tradition der Kirche zum Ausdruck gebracht. Zugleich zeigte er die Notwendigkeit auf, dass die Menschen unserer Zeit dieser Tradition in ihrem eigenen Lebensumfeld begegnen können. Don Giussani hat die wesentlichen Forderungen zum Ausdruck gebracht, die die ältere und jüngere Geschichte unseres Landes prägen: Es sind die Forderungen nach Freiheit und Solidarität. Mitunter haben diese beiden Begriffe die Italiener gespalten. Don Giussani hat es hingegen mit seiner Lehre verstanden, den tiefsten Erwartungen zu entsprechen, indem er diese Erwartungen von allen Verkrustungen der Ideologien befreite, die im vergangenen 20. Jahrhundert so viel Leid über unser Europa gebracht haben.
Viele Menschen, die wohl von Comunione e Liberazione reden gehört hatten, aber gewiss nicht das Leben und Werk dieses Priesters näher kannten, haben mir in diesen Wochen bekundet, dass das Ableben Don Luigi Giussanis, für sie Anlass war, die Schönheit des Christentums neu zu entdecken - wiedererweckt von der Gestalt eines Priesters, der zutiefst als Mensch in unserer Zeit lebte. Unser Land und unsere Kirche brauchen solche Persönlichkeiten, die ihrer Geschichte Rechenschaft abzulegen verstehen und imstande sind, jenen christlichen Humanismus neues Leben zu verleihen, der noch viele Bereiche und Schichten unseres Lebens prägt.
Der Glaubenssinn des christlichen Volkes hat in dieser schwierigen Lage gleichsam intuitiv die Wahrheit von Don Giussanis Erfahrung erkannt. Er hat in ihm einen Bezugspunkt erspürt und in seiner Erfahrung das Echo des Versprechens vernommen, das Gott den Menschen gegeben hat. Die Tage seines Ablebens und seines Begräbnisses waren Tage des Schmerzes, und deswegen in einem gewissen Maße auch der Bestürzung. Sie stellten aber zugleich einen leuchtenden Anlass dar. Das letzte Wort, das Don Giussani mit seinem Tod gesprochen hat, lautet nicht «Schluss», sondern «Leben». Genau so, wie es das wunderschöne Lied beschreibt, das am Ursprung der Bewegung steht und das er immer wieder empfohlen hat: «Das ganze Leben verlangt nach der Ewigkeit».

Das Werk des Heiligen Geistes
Wie wird das Werk Don Luigi Giussanis weitergehen? Es ist nicht einfach nur das Werk eines Menschen, sondern eines von Gott erwählten Menschen und folglich ein Werk des Heiligen Geistes. Der Geist erwählt Menschen und verwirklicht durch ihr Leben, ihr Temperament und durch die Besonderheiten ihrer Existenz Seinen Plan. Das Werk des Heiligen Geistes hat in sich eine Lebendigkeit, die das Zeichen seines göttlichen Ursprungs ist. Aus diesem Grund ist das Werk von Don Luigi Giussani dazu bestimmt, in der Zeit fortzudauern. Er ist gegenwärtig unter uns, weil er «Ja» gesagt hat zum Geist Christi. Das, was er begonnen hat, setzt sich fort, indem es andere Personen mit derselben Dynamik des Anfangs einbezieht: Genau das ist nämlich die Dynamik der Kirche.
Deswegen freue ich mich außerordentlich über die Wahl, mit der der Internationale Beirat (Diakonie) der Fraternität von Comunione e Liberazione am 19. März - dem Fest des heiligen Josef -, Don Julián Carrón zum Präsidenten der Fraternität gewählt hat. Don Giussani hatte ihn seit etwa einem Jahr als seinen besonderen persönlichen Mitarbeiter zu sich gerufen. Ich grüße ihn mit besonderer Zuneigung und möchte ihm meine Unterstützung und meine Anteilnahme ausdrücken für die sensible Aufgabe, die ihn erwartet. Don Giussani unterstützt ihn vom Himmel aus. Ich bin mir sicher, dass ihm der Rat vieler Freunde und das Vertrauen der Bewegung nicht fehlen werden.

Der Dank der Kirche
Neue Aufgaben in Kirche und Gesellschaft warten nun auf Comunione e Liberazione. Aber in erster Linie ist eine bestimmte Aufgabe die Grundlage aller anderen: Jesus zu den Menschen zu bringen, so wie es Don Giussani sein ganzes Leben hindurch getan hat. Man bringt anderen Jesus, wenn man selbst von Ihm fasziniert ist, innerlich überzeugt von Seiner Person, die uns hauptsächlich in den Sakramenten der Kirche erreicht. Und man ist fasziniert von Ihm, wenn man Ihm in anderen Menschen begegnen kann. Auf diese Weise enthüllt sich jener kreisförmige Prozess, der die Seele des pädagogischen Weges von Comunione e Liberazione bildet.
Liebe Brüder und Freunde, erlaubt mir abschließend im Namen dieser Diözese und der Kirche in Italien Folgendes zu sagen: Dank an Don Giussani, danke für den Einsatz seines Lebens für den spannenden Weg, Christus - Mittelpunkt und Quelle des Lebens - zu bezeugen. Ein Weg, den er vorgelebt, weitergeschenkt und erklärt hat, den er für Tausende von Männern und Frauen in so vielen Ländern der Welt Wirklichkeit werden ließ. Damit erneuert sich der Dank der Kirche, den der Heilige Vater in seiner persönlichen Botschaft zur Begräbnisfeier zu Ausdruck brachte und er wird zum Gebet für die ganze Bewegung von Comunione e Liberazione.