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Gesellschaft - Spanien
Eine Frucht des Nihilismus - Geschichte einer totalitären Initiative in einem Rechtsstaat
Javier Prades

Die Änderung des spanischen Zivilrechts, das nun die so genannte Ehe unter Gleichgeschlechtlichen erlaubt, widerspricht dem gesunden Menschenverstand, der Natur und der Geschichte des Abendlandes. Es ist die jüngste Initiative der Regierung Zapatero, die in Folge des Attentates vom 11. März 2004 an die Macht kam.
Wie hat die Bewegung diese Monate eines Kulturkampfes gelebt? Welchen Urteilskriterien ist sie gefolgt? Eines wurde in jedem Falle klar: Das Thema der Erziehung muss in den Mittelpunkt rücken. Die folgende Beiträge stammen von Javier Prades und drei renommierten Journalisten aus Madrid.

Nach den Attentaten des 11. März 2004 und der Wende bei den darauf folgenden Wahlen hat sich das Bild in Spanien grundlegend gewandelt. Die sozialistische Partei entschied sich für eine radikale Politik, die der Gesellschaft ein utopisches Programm aufdrängt. Ihr Ursprung liegt dabei nicht in den gesellschaftlichen Herausforderungen, sondern in einem ideologischen Anspruch. Die jüngsten Gesetzesreformen verwirklichen dabei zwei Ansprüche. Einerseits stellen sie einen neuen Versuch der "Auflehnung gegen die Väter" dar, der schon die 68er-Generation kennzeichnete, was im weitesten Sinne eine Auflehnung gegen alles Gegebene und Vorangehende einschließt. Andererseits möchten sie die spanische Übergangspolitik sowie die Verfassung von 1978 überwinden. Paradoxerweise bricht damit gerade diese Regierung mit dem Konsens in der Gesellschaft und gegenüber der Verfassung, auf dem das Zusammenleben der letzen 30 Jahre in Spanien gründet.
Die politische Macht hat mit Hilfe einflussreicher Medien ein soziales und kulturelles Misstrauen in die Gesellschaft getragen, das zur Stellungnahme zwingt. Dieses Misstrauen aber hat - wenngleich nicht beabsichtigt - das Gewissen im Volk wachgerufen, was wiederum zum Wohl unseres Volkes sein könnte. Doch bevor wir über das vergangene Jahr sprechen, gilt es festzuhalten, dass bereits die Volkspartei in ihren letzten Regierungsjahren Initiativen ergriff, die gegenüber Kirche und Gesellschaft ungerecht waren. Hier sei nur an unsere Kritik gegenüber der Haltung der Regierung Aznar zum Irakkrieg sowie gegen den Versuch einer Instrumentalisierung der Kirche in Spanien im Kampf der Parteien gegen den Terrorismus erinnert.
Uns beeindruckte vor allem die Hartnäckigkeit, mit der Don Giussani in seinen Stellungnahmen zum Krieg auf die Notwendigkeit einer Erziehung verwies. Er rief zu einer Erziehung auf, die den Umständen, in denen wir leben, gewachsen ist, ja man kann sagen, eine Erziehung, die die grundlegenden Bedürfnisse des menschlichen Herzens berücksichtigt. Dies ist für uns die Grundlage für unsere Beurteilung der gesellschaftlichen und politischen Ereignisse wie die Attentate, Parlamentswahlen, Europawahlen und das Referendum zur europäischen Verfassung sowie in der Debatte mit anderen, weltlichen oder katholischen Positionen.
Vielleicht ist es das Wichtigste, bei der Beurteilung und im Handeln, bei diesen Problemen auf die Erziehung zu verweisen, die aus den wesentlichen Faktoren der christlichen Erfahrung hervorgeht. In den einfachen Menschen findet sich noch das Streben nach einem erfüllten menschlichen Leben. Es mag zwar von der vorherrschenden Mentalität geschwächt sein, aber es ist nicht ausgelöscht.
In der Tat ist es sinnlos, sich dabei auf Schuldzuweisungen an die Regierung zu beschränken oder ihr eine Ideologie vorzuhalten, die der christlichen Tradition fremd ist - auch wenn wir die Bedeutung dieser Faktoren nicht unterschätzen. Wir müssen uns aber zuerst nach dem Ergebnis der Erziehung in unserem Land fragen. Was funktioniert nicht? Die staatliche Erziehung ist dabei, die eigenen ideellen Bezugspunkte zu verlieren. Sie beschränkt sich auf eine reine Bildung und den Versuch, die Disziplin zu erhalten, wie es einige Repräsentanten der Linken deutlich machen. Die vom Staat unterstützten Privatschulen umfassen 30 bis 40 Prozent und sind mehrheitlich katholisch. Doch auch hier finden sich Schwächen in der Erziehung: Es gibt fast keine christliche Erziehung des religiösen Sinnes. Sichtbar wird dies in der Unfähigkeit, reife Persönlichkeiten hervorzubringen. Über Generationen hinweg wurde das Band zwischen der Person und ihrem Schicksal, ihrem Glück, fast ausschließlich mit der "Pflicht" identifiziert.
Lehrer, Eltern und Priester versicherten den Jugendlichen das Glück durch die Erfüllung von Pflichten, und das Glück lag tendenziell im Jenseits. Ihnen hatte die Freiheit zu folgen, um zur Vollkommenheit zu gelangen. Die Worte "Sehnsucht" oder "Wunsch" schienen im Vokabular und in der erzieherischen Praxis gar nicht vorzukommen. Es ist weiter nicht verwunderlich, dass diese Verkürzung des christlichen Faktums und der Natur des menschlichen Herzens die Zugehörigkeit für viele Christen zur Kirche zu einer Formalität erstarren ließ. Kirchenaustritt oder Verbleib erklären sich somit aus rein gesellschaftlichen Gründen. Der erzieherische Vorschlag Giussanis erlaubt es, Gott als ein Faktum zu erkennen, das der menschlichen Erfahrung innewohnt ( und sie natürlich auch übersteigt). So versteht man sich als Geschöpf, als Söhne und Töchter, und nicht als Herren (hier ist die "Pflicht" verwurzelt). Andererseits ist jede Form der "Sklaverei" aufgehoben, da Gott nicht als eine äußere Grenze meiner Sehnsucht wahrgenommen wird, sondern als die innewohnende Bedingung ihrer Erfüllung. In diesem Sinn kann der in Christus Mensch gewordene Gott den Bedürfnissen der Freiheit der Jugendlichen begegnen und sie verwirklichen. Demgegenüber äußert sich die Freiheit der Jugendlichen, die heute von jedem transzendenten Bezugspunkt abgekoppelt sind, weitgehend in einer Übersteigerung der Sehnsucht und damit in einer tiefen Unzufriedenheit.
In besonderer Weise beeindruckt, dass es nach dem 11. März fast unmöglich war, in der spanischen Medienlandschaft eine aufrichtige religiöse Frage zu erkennen, die sich durch die Tragödie der Attentate hätte eigentlich stellen müssen. Es schien so, als ob der Bezug auf Gott unnötig oder sogar gewaltsam wäre, um auf menschliche Weise auf die Opfer und die schrecklichen Folgen des Anschlages zu schauen. Nicht einmal den Schrei der Verzweiflung oder der Wut konnte man hören: Von Gott kann man auch absehen, lautete das Diktum der Kultur der "Intellektuellen". Und diese Zensur der menschlichen Fragen, die latent im Volk bestehen bleiben, ist ein Vorbote großer Schäden am gesellschaftlichen Zusammenleben.
In diesen Jahren versuchen wir, uns in den gesamten Lebensvorschlag hineinzuversetzen, den Don Giussani jedem von uns entgegenbringt. Jede unserer öffentlichen Stellungnahmen zu den großen Kundgebungen am 12. März, am 4. Januar oder 18. Januar sowie die Flugblätter oder Gesten der Begegnung sind ein Versuch, uns in diesem Blick auf die Wirklichkeit zu unterstützen, der die Wirklichkeit als etwas uns Gegebenes sieht, als Geschenk, das unsere Freiheit aufruft ihr anzuhängen und die Gesellschaft aufzubauen.
Das eindringliche Zeugnis Carróns über die Arbeit am Seminar der Gemeinschaft bahnt sich langsam einen Weg und beginnt Früchte zu tragen in den Gegebenheiten des Alltags. Dies ist auch die Quelle der Initiative für viele Erwachsene. Ich denke vor allem an die erzieherischen Werke, die in Villanueva de la Vanada und in Madrid entstanden sind, aber auch an die spanische Gruppe von Familien, die besonders die Dimension der Annahme anderer leben, sowie an alle jene, die damit beschäftigt sind, Familien zu begleiten. Ich denke aber auch an kulturelle Initiativen wie "Encuentro" Madrid. Um das Bewusstsein zu fördern, dass die Erziehung unser größtes Gut ist und gleichzeitig unsere große Verantwortung allen gegenüber, sind wir dabei, eine Kampagne mit dem Titel "Es ist an der Zeit zu erziehen" in Gang zu bringen. Ab Juni wird sie das ganze Jahr die Einzelnen sowie unsere Vereine in eine Arbeit zur Vertiefung und Verbreitung der Pädagogik von Don Giussani einbeziehen. Dabei wollen wir versuchen, so weit wie möglich Persönlichkeiten und soziale Realitäten einzubeziehen, um eine Wirklichkeit hervorzubringen, die Ausdruck eines Volkes ist.