Gesellschaft - Spanien
Der Sturm auf die heterosexuelle Bastille
Fernando de Haro
Da Zapatero merkte, dass mit den Utopien der 68er-Generation keine Politik mehr
zu machen war, musste er irgendeine bestehende Unterdrückung finden, die es zu
beseitigen, oder ein Recht, das es zu schützen galt. Die Änderung des
Zivilrechts erlaubt es ihm, sich als Revolutionär darzustellen, der ein seit
Jahrhunderten im Abendland "verletztes Recht" endlich anerkennt. Tatsächlich
jedoch geht dadurch der Reichtum verloren, der einer Gesellschaft beschieden
ist, die um den Unterschied der Geschlechter weiß.
Zapatero brauchte eine Revolution. In den ersten Monaten seiner Regierung fiel
ihm alles leicht. Mit dem Rückzug der Truppen aus dem Irak wurde er zum
Vorreiter des Pazifismus und zu einem Helden, der der Weltmacht USA die Stirn
bieten konnte. Aber Zapatero konnte nicht über die gesamte Legislaturperiode
hinweg von dieser Entscheidung zehren. Deshalb musste er eine bestehende
Unterdrückung finden, die er beseitigen, und ein Recht, das er schützen konnte.
In aller Eile bedurfte er eines Programms des radikalen Umbruchs, mit dem er
sich endgültig als Revolutionär profilieren konnte. Diese Aufgabe schien jedoch
nicht leicht. Denn die Verfassung Spaniens von 1978 gehört mit zu den
modernsten der westlichen Welt. In ihr finden sich die Errungenschaften fast
aller bis dahin ergangenen Verfassungswerke wieder.
Das Recht auf Erziehung
Darüber hinaus ist Spanien ein Land, in dem Klassenkämpfe seit langem keine
Rolle mehr spielen. Die bei weitem große Mehrheit der Arbeiter ist mehr an
ihrem eigenen wirtschaftlichen Wohlstand interessiert als an einem
Arbeiteraufstand gegen die Regierung. Hier war also nichts zu holen. Dennoch
gibt es im Moment natürlich einige Gesetzesentwürfe, wobei in einigen Fällen
erhebliche Schwachstellen zu verzeichnen sind. Nehmen wir etwa den Fall des
Grundrechts auf Erziehung. Die Pisastudie hat gezeigt, dass unsere Schüler mit
die schlechtesten Kenntnisse der gesamten westlichen Welt haben. Bei der
Notwendigkeit, eine tiefgreifende Gesellschaftsreform zu wählen, wäre diese
sicherlich nicht die oberflächlichste gewesen. Es scheint aber, dass die
Bildungsreform Zapateros auf sich warten lässt. Solche Maßnahmen brauchen Zeit.
Ebenso wenig leicht ist es, einen Einklang zwischen Familien- und Berufswelt zu
erzielen, wenn 48 Prozent der Bevölkerung Spaniens glauben, dass eine Frau in
jedem Fall ihre Arbeit aufgeben müsse, wenn sie Kinder haben wolle. Hier eine
Änderung der Familienpolitik voranzutreiben, bei der Spanien ebenfalls am
unteren Ende Europas zu finden ist, erschien Zapatero jedoch eher eine Sache
konservativer Politik zu sein.
Weniger Anstrengung und mehr symbolische Wirkung
Er brauchte also eine schnelle und Aufsehen erregende Revolution. Wie jene der
Jakobiner, die zur Zeit des Nationalkonvents forderten, den sonntäglichen
Feiertag in "Dekade" umzubenennen, um die Erinnerung an die Auferstehung
Christi mit der Feier des Fortschritts zu ersetzen. Aber Zapatero ist kein
Dummkopf und wusste, Vorsorge zu treffen. Er hatte bereits in seinem
Wahlkampfprogramm die Einnahme der heterosexuellen Bastille aufgenommen, und
zwar durch die Einführung einer Ehe für gleichgeschlechtliche Partner.
Wahlkampfprogramme sind nicht dafür gemacht, eingehalten zu werden, sondern
entstehen aus der Situation heraus. Ein solches Unterfangen erfordert weit
weniger Anstrengung als die Einnahme des Königspalastes und hat eine starke
symbolische Wirkung. Im Übrigen verlangt sie keinen großen Einsatz. Eine
Änderung des Zivilrechts erlaubt ihm aber in jedem Fall, sich als Revolutionär
darzustellen, der ein seit Jahrhunderten im Abendland "verletztes Recht"
endlich anerkannt hat. Er konnte sich nicht einfach nur darauf beschränken, den
laut Erhebungen 10.000 gleichgeschlechtlichen Verbindungen lediglich mehr
Rechte einzuräumen. Eine solche Initiative wäre in ihren Wirkungen zu
bescheiden ausgefallen.
Die kulturelle Homosexualität
Zapatero verschafft sich mit dieser Reform das Wohlwollen der kulturellen
Homosexualität. Es handelt sich dabei um eine Strömung mit tiefgreifenden
Wurzeln. Einmal scheint unser Europa ein riesiges nach Schweiß riechendes
Fitness-Studio zu sein, ein andermal wiederum ein aus den Fugen geratener
Operationssaal. Ein Operationssaal, in dem so besessen daran gearbeitet wird,
das Gesicht, das wir von unseren Vätern ererbt haben, zu verändern, so dass
daraus eine neue Rasse hervorgeht, eine aus Silikon. Die Sehnsucht nach Glück
drückt sich mehr denn je in einer gewaltsamen Auflehnung gegen die physische
Gestalt aus, mit der ein jeder von uns auf die Welt gekommen ist. Sei es die
körperliche, sexuelle, kulturelle, charakterliche oder geistige Gestalt und
Ausrichtung. Stets wird die uns gegebene Identität geradezu zwanghaft als etwas
Schlechtes gesehen, das uns einschränken will und von der es sich zu befreien
gilt. Die einzige Identität, die wirklich zählt, ist jene, die wir mit unserer
eigenen Willenskraft erzeugen können.
Die Verwerfung des Unterschieds
Diese Haltung im geschlechtlichen Bereich führt so weit, dass der Unterschied,
durch den wir von Natur aus geprägt sind, in bislang unerreichtem Ausmaß
abgelehnt wird. Das Abendland hat im Laufe seiner Geschichte die Meinung
gegenüber der Homosexualität mehrfach geändert. Stets aber anerkannte man die
Tatsache, dass es zwei verschiedene Geschlechter gibt, Mann und Frau, und dass
aus dieser Unterscheidung eine leidenschaftliche Dramatik hervorgeht. Am Anfang
des 21. Jahrhunderts nun stellt eine derartige Ideologie, die zwar die meisten
nicht kennen, deren Forderungen jedoch schon viele angenommen haben, die
Behauptung auf, es gebe keine Geschlechter und jeglicher Unterschied der
körperlichen Gestalt sei einzig ein Produkt der Kultur. Das heißt jede Person
ordnet sich im Laufe mehrerer Entscheidungen einer der zahlreichen Gruppen zu.
So entstehen Homosexuelle, Bisexuelle, Heterosexuelle, Metrosexuelle und so
weiter. Die Liste ist beliebig erweiterbar. Um diese Ideologie zu verteidigen,
unternehmen Interessensgruppen alles, damit sich die Homosexualität weiter
ausbreiten kann. Zu diesem Zweck deuten sie auf all die zu beseitigenden
Ungerechtigkeiten aus den Reihen derer, die sich krankhaft gegen die
Homosexualität wehren würden. Aus diesem Zusammenhang heraus entscheiden sich
viele, die sich gar nicht bewusst waren, dass eine bejahende Haltung gegenüber
der eigenen sexuellen Identität auch mit Problemen verbunden sein kann, dafür,
einfach ihr "Geschlecht zu ändern".
Der letzte Schritt
Mit dieser Veränderung suchen sie nun nach Beziehungen, die weniger von
"Unsicherheit" geprägt sind als diejenigen mit einem "anderen", der
"verschieden" ist. Die Homosexualität stellt also den letzten Schritt dar, um
diese so gewaltsame Art und Weise des Strebens nach Glück auf die Grundlage
rechtlicher Forderungen und Veränderungen zu stellen. Hier liegen die wahren
Wurzeln dieser Reform. Es geht nicht darum, den Bedürfnissen einer
gesellschaftlichen Gruppe gerecht zu werden, sondern darum, dass nun auch die
Rechtsordnung, in der sich die grundlegendsten, allseits akzeptierten Werte
einer Gesellschaft widerspiegeln, keine Unterscheidung mehr vornimmt. Wenn
zunächst nur die Unterscheidung der Geschlechter verworfen wurde, wird mit
dieser Reform nun auch die Unterscheidung, die die jeweiligen Geschlechter im
gesellschaftlichen Leben mit sich bringen, verworfen. Aber wir wollen weder in
einem Fitness-Studio noch in einem Operationssaal leben.
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