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Thema - Hoffnung
Schulfreunde


Hallo Andrea,
es ist schwer zu sprechen in einem Moment wie diesem, in dem alles so offensichtlich und banal erscheint; in einem Moment, in dem jeder von uns sich lieber in sich selbst zurückziehen und allein in der Stille seines Zimmers leiden möchte. Die Worte fehlen, wenn auf einem unsichtbaren Bildschirm die Bilder dieser gemeinsam verbrachten Jahre laufen. Dann sehen wir uns, wie wir zusammen lachen und scherzen, wie wir eine Lateinübersetzung abschreiben, zwischen den Stunden Geschichte für die Prüfung lernen oder uns von der Lehrerin zurechtweisen lassen, weil wir das Schwätzen nicht lassen können. Bilder über Bilder von einer Klasse wie jeder anderen, oder vielleicht ist sie doch etwas außergewöhnlicher, weil es eben unsere Klasse ist. Jetzt sind wir alle hier zusammen mit vielen Fragen, die ohne Antwort geblieben sind, und nur einer Gewissheit: Jetzt bist du unbeschwert, du hast endlich die Ruhe erreicht. In unserem Egoismus hatten wir gehofft, dass diese Ruhe so spät wie möglich kommen sollte.
Vielleicht war es wegen dieser großen Machtlosigkeit, die uns quälte, aber wir konnten nichts Konkreteres tun, als zu beten. Das taten wir vielleicht auch deshalb, weil du uns durch deine Art und Weise zu leben gelehrt hast: "Das Schöne einiger negativer Erfahrungen ist, dass man oft in einigen einen positiven Aspekt finden kann …". Das sind deine Worte, schwer anzunehmen und noch schwerer zu verinnerlichen. Was ist außerdem noch zu sagen, Andrea? Vielleicht nichts weiter, als sich an deine Liebe zu erinnern, mit der du dich völlig Christus anvertraut hast, besonders intensiv in diesem letzten Jahr. Wir danken Jesus jeden Tag für diesen besonderen Engel, den er uns geschenkt hat, der uns jetzt beschützt und der die Glückseligkeit schaut, die wir vielleicht eines Tages auch erfahren werden. Wir haben dich lieb.
Deine Schulfreunde




Brucoli, 20. Mai 2005
Hallo Andrea,
wir sind fünf Gefangene im Gefängnis von Augusta. Wir besuchen das fünfte Jahr der Handelsoberschule. Unser lieber Freund und Bruder, Professor Giovanni Burgio, hat uns viel von Dir erzählt. Er hat uns von deinen Problemen erzählt und von allem, was dich bedrängt. Wir haben dich "virtuell" unter uns aufgenommen und du bist für uns wie ein Bruder. Die Gefangenen sind eine Gruppe von Personen, die von der Gesellschaft nicht sehr akzeptiert werden, die aber dem Herrn sehr am Herzen liegen, weil sie auf seine Barmherzigkeit angewiesen sind. Im Evangelium steht: Ich bin nicht für die Gesunden gekommen, sondern für die Kranken. Die menschliche Natur lehnt sich leider gegen die Leiden auf, die uns absurd erscheinen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Kraft uns die Selbstbeherrschung kostet. Dafür hilft uns aber in diesen schweren Momenten die Hoffnung und die Kraft eines großen Glaubens. Er bringt uns in die Verfassung, dass wir mit innerer Freude jede Prüfung annehmen, gleich wie schmerzhaft sie auch sein mag und wie unverständlich sie uns auch vorkommen mag. In einem Wechsel von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit vergehen die Stunden und Tage im Gebet und wir halten uns an der Richtschnur des heiligen Pater Pio von Pietralcina fest. Er ist ein Beispiel für ein Leben mit unglaublichen Leiden. Er, ein Mann Gottes, hat uns gelehrt, dass es ohne die Dinge des Himmels nicht möglich ist, auf dieser Erde zu leben. Die Leiden graben tiefe Spuren unglaublicher Schmerzen. Deshalb erleben wir uns letztendlich als Helden bis an die Grenzen: Im Leiden entwickelt sich die menschliche Solidarität. Man kann den Schmerz der anderen nicht verstehen, wenn man ihn nicht an seiner eigenen Haut verspürt hat. In einer dunklen und wirren Welt kann nur Gott allein in einem Herzen herrschen, das nach Wahrheit dürstet. Der Sieg am Ende ist schön, aber der Kampf ist würdig. In der Gewissheit, dass du bald gesund wirst, senden wir dir eine herzliche und brüderliche Umarmung. Du bist in unseren Herzen. Hab Mut Andrea, kämpfe zusammen mit uns. Einen großen, großen Kuss. Deine Freunde und Brüder
Antonio, Massimo, Giuseppe, Giuseppe, Salvatore

PS.: Wir sind Engel mit nur einem Flügel, wir können nur fliegen, wenn wir uns umarmen.