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Don Giussani
Eine herausragende Gestalt des Glaubens
Olivier Clément

Der bekannte orthodoxe Theologe des Instituts S.Sergij in Paris berichtet von seinen Begegnungen mit Don Giussani. Vom Meeting in Rimini bis hinauf in die Dolomiten

Ich habe Don Luigi Giussani während des Meetings in Rimini getroffen, ein Treffen, dass mich inspirierte. Ich war beeindruckt von der Schönheit und Intelligenz dieses Treffen, von dem Willen, die Jugendlichen in Freiheit alle Aspekte der zeitgenössischen Kultur, bis hin zu den tragischsten, entdecken zu lassen. In diesem Zusammenhang erinnere mich etwa an eine Ausstellung, die Francis Bacon gewidmet war. Ferner beeindruckte mich die herzliche Gastfreundschaft, auch wenn ich fast nie die Zeit fand, im Meer zu baden, obgleich es so nah war! Ich war überrascht, Jugendliche zu treffen, mit ihrer Aufmerksamkeit und ihrer Leidenschaft, die aber zugleich fähig waren, mit Realismus schwierige Situationen zu meistern.

Zwischen Theologie und Poesie
Im Verlauf des Treffens lernte ich Don Giussani kennen. Er vereinte in sich Kraft und Güte und besaß einen wunderbaren Sinn für das christliche Geheimnis als Geheimnis des Lebens, eines Lebens ohne Grenzen. Während eines Meetings hielt er nach mir eine Rede. Ich erinnere mich nicht mehr an die Details meiner Rede, die das Publikum mit Begeisterung aufgenommen hat. Als er aber das Wort ergriff, hat mich die Wucht seiner Sprache gleichsam überflutet, ihre lebendige und zugleich geistige Strahlkraft. Die geplante Redezeit einer halben Stunde überschritt er um eine Stunde, ohne dass irgendjemand dies bemerkt hätte. Hunderte von Jugendlichen waren von seiner flammenden Rede fasziniert, die er zum großen Teil improvisierte. Sie reichte von Anekdoten seiner Familie bis hin zur bedeutenden Theologie. Aber eigentlich handelte es sich gar nicht um Theologie, sondern um Poesie. Denn Giussani liebte es, die großen Dichter ausführlich zu zitieren.
Wir wurden allmählich Freunde. Er lud mich etliche Male zu sich ein und erzählte mir das Abenteuer seines Lebens: Wie er seine Karriere unterbrochen hatte, als ihm im Zug einige Jugendliche begegneten, die sich zwar katholisch nannten, aber nichts vom Christentum wussten. Sie waren getauft und glaubten daran, verstanden aber nichts von der Taufe. Hier zeigte sich die wirkliche Berufung Giussanis. Er machte den Jugendlichen verständlich, was es bedeutet, Christ zu sein, das Evangelium zu entdecken und Christus zu begegnen.
Ängste verabscheute er ebenso wie Entmündigungen und lähmende Zurückweisungen. Man muss das Leben intensivieren, sagte er, es läutert sich dann von selbst.

Durch das Feuer
Eines Tages erklärte er mir, warum ihm die zwei Begriffe "comunione e liberazione" gefallen hatten und er sie vereinte. Bei den großen russischen Denkern, Chomjakov etwa, habe er entdeckt, dass die Kirche Gemeinschaft sei, andernfalls sei sie ein Nichts. Erst die Gemeinschaft befreie den Menschen aus seiner unglücklichen Einsamkeit und seinem traurigen Individualismus.
Er berichtete mir dann von seinen Projekten, die sich fast alle verwirklicht haben. Einige konnte ich in ihrer Entwicklung verfolgen, etwa eine Versammlung in den Dolomiten, wo ich zwei bedeutende Bildhauer traf, denen ich dann in Frankreich wiederbegegnete. "Nicht durch die Angst, sondern durch das Feuer", sagte Don Giussani. Es war, als ob er das von der Vorsehung bestimmte Kommen von Johannes Paul II. geahnt und vorbereitet hätte. Künftig habe ich regelmäßig seine Artikel in Spuren gelesen. Er war eine herausragende Gestalt, eine herausragende Gestalt des Glaubens und als solche halte ich ihn in Erinnerung.