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Kirche - Eucharistisches Kongress
Er ist wahrhaftig unter uns gegenwärtig
Julián Carrón

Bari, Freitag, 27. Mai - Im Rahmen des 24. Eucharistischen Kongresses hat eine «Versammlung zum Laiensein» stattgefunden, von Kard. Ruini geleitet. Vertreter einiger kirchlichen Gemeinschaften und Bewegungen haben dabei einen Vortrag gehalten. Hier der Beitrag von Don Julián Carrón.

Ob von den Urgedanken
Du einer bist, und ewige Weisheit wollte
Dir Sichtbarkeit und dir Gestalt nicht geben,
Solltest der Not entrückt,
Frei vom Hinfälligen sein, vom nichtigen Leben;

Das Genie Giacomo Leopardis drückt in diesen Versen des Gedichtes An seine Herrin die wahre Sehnsucht des Menschen: den Wunsch, dass das Geheimnis zur Begleitung wird. In der Beziehung zur Frau wird dem Mann die eigentliche Natur seines Ichs deutlich. Nichts anderes erweckt im Mann das Verlangen nach Totalität, aus dem sein Ich besteht, so sehr wie die Frau. Je schöner sie ist, je mehr ihre Gegenwart das eigene Leben bestimmt, desto mehr zeigt sich das Verlangen nach der Schönheit, der Schönheit, die antworten kann auf das Verlangen nach Totalität, das die Liebe zur Frau erahnen und ersehnen lässt. Durch das, was Leopardi die «Erhabenheit des Fühlens» nennt, wird uns das «Ewige Geheimnis unseres Seins» offenbar.
«Ob von den Urgedanken / Du einer bist: dies ist der natürliche Blick des Menschen, der Blick, den die Natur eingibt, der Blick, das Gebet des Menschen, dass Gott ihm zur Begleitung werde» (L. Giussani, Le mie letture, Bur, Mailand 1996, S.30).
Aber im Gegensatz zu dem, was Leopardi glaubte, hat es das Geheimnis, die Schönheit, nicht verschmäht, die «ewige Weisheit» in menschliches Fleisch zu kleiden, es ist nicht «Frei vom Hinfälligen», «vom nichtigen Leben», sondern es ist Mensch geworden. Damit ist es zur Begleitung des Menschen geworden, und genau dies ist der Wunsch des menschlichen Herzens. Darum findet der, der Ihm begegnet, den «Schatz», von dem das Evangelium spricht und der wertvoller ist als jedes andere Gut. Der heilige Paulus ist ein gutes Beispiel für das, was durch die Begegnung mit Christus im Leben geschieht: «Doch was mir Gewinn bedeutete, das habe ich als Verlust geachtet um Christi willen. Ja, wahrhaftig, ich achte alles als Verlust, um der unüberbietbar großen Erkenntnis Christi Jesu willen, meines Herrn. Um seinetwillen habe ich alles preisgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu gewinnen» (Phil 3,7-8).
Das Geheimnis ist in die Geschichte eingetreten, es hat sich in «Sichtbarkeit und Gestalt» gekleidet, als Antwort auf das Bedürfnis, diese Schönheit zu finden, ohne die der Mensch verzweifeln würde, wie Dostojewski sagt: «Ein Mensch, der sich vom unendlich Großen in das Private zurückzieht, könnte nicht mehr leben und würde zur Beute der Verzweiflung.» (F.M Dostojewski, Die Dämonen, Piper, 2002). Wir sind heute Zeugen der Tragweite des Dramas dieser Flucht vor der Annahme des Unendlichen bis hin zu dem Punkt, dass der Mensch in den eigenen Grenzen erstickt und der Verzweiflung erliegt.
Um die Türe wieder für alle Menschen zu öffnen, die durch die Sünde, den Ausschluss des Geheimnis, verschlossen war, hat Jesus sein Leben gegeben, er hat es hingegeben für uns. Sein Leiden und sein Tod bezeugen, wie weit die Liebe Gottes zum Menschen reicht. «Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingegeben hat, damit jeder der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.» (Joh 3,16). Mit seinem Sieg über den Tod durch die Auferstehung ist Jesus endgültig in die Welt eingetreten, wo der Tod nicht mehr die Herrschaft über Ihn hat, und deshalb kann er für immer Begleitung unseres Lebens sein. «Und siehe ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt» (Mt 28,20). Das Gedächtnis dessen ist die Eucharistie.
«Das gesamte Triduum Paschale ... ist in der eucharistischen Gabe gewissermaßen gesammelt, vorweggenommen und für immer ‚konzentriert’. In dieser Gabe übereignete Jesus Christus der Kirche die immerwährende Vergegenwärtigung des Ostermysteriums. Mit ihr stiftete er eine geheimnisvolle ‚Gleichzeitigkeit’ zwischen jenem Triduum und dem Gang aller Jahrhunderte.» (Ecclesia de Eucharistia 5). Es ist daher die Eucharistie, «durch die das einzige und endgültige Erlösungsopfer Christi in der Zeit gegenwärtig wird» (Ecclesia de Eucharistia 12).
Um sich in der Eucharistie gegenwärtig zu machen, bedient sich Christus der «Armseligkeit» der sakramentalen Zeichen: Brot und Wein. Auf diese Weise wird noch deutlicher, wie es das Geheimnis – im Unterschied zum Denken Leopardis – nicht verschmäht hat, sich in diesen Gaben mit der wahrnehmbaren Form zu identifizieren. «In der Hingabe Christi – schrieb Don Giussani – stimmt die sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit des Brotes und Weines, die zum Geheimnis des Glaubens, das heißt zum Fleisch und Blut des fleischgewordenen Wortes werden, buchstäblich mit dem Geheimnis des Sohnes Gottes überein. Das Geheimnis stimmt mit dem Zeichen überein: Wo erreicht diese höchste und Ehrfurcht gebietende Einheit, die man nur mit Furcht und Zittern aussprechen kann, ihren Gipfel, wenn nicht in der Eucharistie?» (L. Giussani, «Eucharistie: das große Gebet», in Litterae Communionis – Spuren, Mai 2005, S. 1-5).
Sogar in der Armseligkeit dieser Gaben ist es derselbe Christus, der auf den Menschen zugeht. In der Tat, durch diese schenkt sich jene Neuheit, die er selbst ist. «Jedes Mal, wenn sich der Sohn Gottes in der ‚Armut’ der sakramentalen Zeichen von Brot und Wein uns zeigt, wird der Keim jener neuen Geschichte in die Welt gelegt» (Ecclesia de Eucharistia 58). Durch die sakramentalen Zeichen erreicht mich demnach die Freiheit Gottes und ruft meine Freiheit an zu antworten. Nichts ist weiter entfernt von einer rein mechanischen Wiederholung. Es ist dies das Drama der Beziehung zwischen Christus und dem Menschen, das sich jedes Mal wieder ereignet, wenn sich jemand bewusst und wie ein Bettler nähert, um am Mahl der Eucharistie teilzunehmen.
Auf diese Weise fordert Christus jedes Mal die Freiheit des Menschen heraus. Der Mensch ist dabei aufgerufen, die Gabe Christi selbst zu empfangen, um leben zu können.
Im Bewusstsein, dass sich sein Leben nur in der Annahme des Unendlichen vollenden kann, steht der Mensch vor der eigentlichen Wahl: Ihn, der ihn vollendet und der in der Armseligkeit dieser Gaben zu ihm kommt, anzunehmen oder zurückzuweisen. «Das Sakrament ist wirklich der Gestus des auferstandenen Christus, der an die Tür der Person klopft, sie bedrängt, es sei denn, der Mensch will Ihn nicht empfangen: dann bleibt er an der Schwelle stehen» (L. Giussani, Warum die Kirche, pro mauscripto). «Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür aufmacht, so werde ich bei ihm einkehren und mit ihm Mal halten und er mit mir.» (Off 3,20).
Wenn sich der Mensch in der Einfachheit des Herzens vom Fleisch und Blut Christi beleben lässt, wird er mit Ihm eins. Gemeinsam mit der Einheit der anderen, die wie er als Bettler herangetreten sind, um sich von seinem Reichtum erfüllen zu lassen, schafft seine Einheit mit Christus jene Communio, die das größte Zeugnis für die Macht und die Wahrheit Christi ist. In diesem Sinn schafft die Eucharistie die Kirche. Die Fülle des Lebens, die Er mitteilt und an der er teilhaben lässt, ist der Ursprung jener Einheit, die begonnen hat, die großen Trennungen der Antike abzuschaffen. «Da gibt es nicht mehr Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Mann und Weib. Denn ihr alle seid einer in Christus Jesus» (Gal 2,38). Von daher ruft die christliche Communio Staunen hervor. «Die christliche Communio – schreibt J.A. Möhler – ist ein ständiges Wunder des Heiligen Geistes, ein ständiger Beweis seiner Gegenwart und seiner unmittelbaren Werke; und vor allem ist es der ergreifendste Beweis dafür, dass sie wahrnehmbar ist auf das hin, was wirklich groß und erhaben ist.» (J.A. Möhler, Die Einheit der Kirche).
Diese Communio, die Seine Gegenwart wie eine unerschöpfliche Quelle in sich birgt, wird so zum Ort, der das Leben neu hervorbringt, zu einem Ort, an dem jeder eine Neuheit des Lebens erfahren kann, die wahrhaft einen «neuen Menschen» schafft. «Denn weder Beschneidung gilt etwas noch Vorhaut, sondern eine neue Schöpfung» (Gal 6,15). Dies ist die Neuheit der Kreatur, die Zeugnis von Christus ablegt. So verschmäht es Christus wiederum nicht, sich mit einer wahrnehmbaren Form zu identifizieren, um den Dialog mit dem Menschen aus dem Inneren der Geschichte fortzusetzen.
Indem Er allen die Lebensfülle dessen vor Augen stellt, der Ihn aufnimmt – dieser Lebensfülle wegen öffnet man Ihm die Tür, wie Benedikt XVI. am 24. April auf dem Petersplatz in Erinnerung rief: «Er nimmt nichts und gibt alles» –, fordert Christus beständig das Verlangen nach Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit heraus, das im Herzen jedes Menschen wohnt, wenn es auch verschüttet ist. So bittet Christus fortwährend unsere Freiheit, sich zu vollenden; durch die einzige Form, die der fleischlichen Natur des Menschen angemessen ist (die «wahrnehmbare Form», wie Leopardi auf geniale Weise erahnt hat). Das heißt, er zieht unsere Freiheit so stark an, dass er sie rettet. Und das ist nur durch die wahrnehmbare Form möglich.