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CL - Ferien
Corvara ist daran schuld
Paolo Perego

2001 nahmen zum ersten Mal ein Priester und ein Student aus Calabrien an den Ferien in den Dolomiten teil. Die gemeinsamen Sommerferien wurden zu einem festen Termin. 20 Stunden Busreise, um die Freundschaft zu vertiefen

Viki, Student aus Reggio Calabria, ist einigermaßen überrascht über das, was ihm Don Pietro da nach der Beichte als Buße aufgibt: «Komm einfach mit mir in die Dolomiten.» Viki zögert nicht. Er weiß zwar nicht wieso, nimmt aber die Einladung an. «Don Pietro hatte meine Freiheit herausgefordert. Unverhofft, aber im Grunde genommen war es alles andere als unerwünscht», erzählt Viki heute, vier Jahre später. Kurz zuvor hatte Don Pietro Besuch erhalten von seinem alten Freund und Seminarkollegen Don Beppe und von Alfred, einem Studenten aus Mailand. Die beiden hatten ihn zu den Ferien der Studenten aus Venedig und der Universität Bicocca in Mailand eingeladen. Sie sollten Ende Juli in Corvara stattfinden. Eigentlich war sich Don Pietro selbst nicht ganz sicher. Doch dann lud er unerklärlicherweise auch noch den Jungen aus der Beichte dazu ein.
Zwanzig Stunden Busfahrt! Don Pietro erinnert sich noch gut an seine Ängste und Zweifel in dieser Zeit, gerade auch wegen des Jungen, den er eingeladen hatte und der so unerwartet mitgekommen war. Viki ging es nicht anders: «Ich wusste weder, wohin wir fuhren, noch, was wir genau vorhatten. Noch dazu mit Studenten aus Mailand, Venedig und Cosenza, die ich nie zuvor gesehen hatte. Ich verstand nicht einmal, wieso Don Pietro, der so viele Leute kannte, ausgerechnet mich eingeladen hatte.»
Corvara, Alta Badia. Die Ferien werden großartig und die anfängliche Scheu ist rasch überwunden. «Schau, was passiert, und mach überall mit», ermuntert ihn Don Pietro. Gesagt, getan: Ausflüge, Spiele, Treffen, zusammen essen, gemeinsame Abende und so weiter. Viki ist dabei, hört zu und merkt, dass immer wieder die Worte eines gewissen Don Giussani im Mittelpunkt stehen. «Jeder, der von ihm sprach, erzählte von ihm wie von einem Vater. Auch wenn ich nicht alles verstand, was er gesagt hatte, so spürte ich doch, dass seine Worte letztendlich die Tiefe meines Ichs und meiner Fragen berührten.»
Als sie nach Hause kommen, bringen sie so viel Euphorie mit, dass sofort neue Beziehungen entstehen: mit Peppe, Santina, Mariella, Pasqualino, Serena und vielen anderen.
Nur ein paar Monate später, bei den Exerzitien der Studenten von CL (CLU), hat sich die Teilnehmerzahl aus Reggio um 1000 Prozent erhöht. Mit zwanzig Studenten fahren sie nach Rimini. Don Pietro sucht in der Universität nach ehemaligen Schülern. Sie fangen ein kleines Seminar der Gemeinschaft an, zu dem jedes Mal neue Leute hinzukommen. Bis zum Juni 2002. Zu den Ferien lädt Don Pietro Wanda ein, eine ehemalige Schülerin. «Ich versprach zu kommen», erzählt sie, «doch schon eine Minute später dachte ich, dass es wohl die irrsinnigste Sache war, die ich je gemacht hatte. Dennoch war ich mir der Freundschaft mit dem Priester so sicher, dass ich selber begann, andere einzuladen.» Darunter ist auch Anna, die wider alle Erwartungen die Einladung ihrer Freundin annimmt. Zu achtzehnt fahren sie zum Passo del Tonale, wo sie die Studenten der Bicocca und aus Genua treffen. Anna berichtet: «Alle Ereignisse dieser Tage waren wie kleine Bausteine, die Stück für Stück anwuchsen und mir immer bewusster machten, zur rechten Zeit am rechten Platz zu sein. Es passte alles für mich.» Sie hatte die Antwort auf jene seltsame Unruhe gefunden, die sie in letzter Zeit den ganzen Tag über verspürte.
La Thuile, 2004. Mit über 50 Studenten aus Kalabrien hält der Bus auf dem Parkplatz des Hotels Planibel. Darunter Anna, Wanda und Viki. Don Pietro erzählt: «Was geschehen war, blieb nicht hinter den verschlossenen Toren der Universität verborgen. Die ganze Gemeinschaft von CL in Reggio, über hundert Personen, wurde mitgerissen und verändert.» Und die Gemeinschaft der Studenten des CLU wächst unterdessen weiter, sei es in den Ferien oder in den Hörsälen der Uni.
Und alles wegen ein paar spontaner Zusagen wie bei Viki: «Ich hatte nicht erwartet, zu den Ferien eingeladen zu werden, und schon gar nicht das zu erleben, was ich dort erleben durfte, und dass sich dadurch mein Leben verändern sollte. Alles war so unerwartet, und doch hatte ich es so sehr ersehnt.»