Logo Tracce


CL - Ferien
Ein herrlicher Sommer wird zur Begegnung für das Leben
Paola Ronconi

Die Anfänge der Gemeinschaft in Rimini dank der Begegnung zwischen jungen "Touristen" von CL und Jugendlichen aus der Romagna Anfang der 60er Jahre. An der Riviera erlebte man eine ganz neue Art und Weise, die Ferien zu verbringen

24. Juli 1962, früh am Morgen: "Liebes Tagebuch, manchmal glaube ich, ich verschwende mein Leben. Aber ich brauche wirklich Hilfe! Ich werde allmählich feige. Ich spüre, wie jedes Problem und jede Verantwortung über mich hinauswachsen. Deshalb versuche ich, mich zurückzuziehen und meine Ohren zu verschließen. Doch zum Schluss bin ich nur müder und heimatloser." Ein weiterer Eintrag auf derselben Seite vom 25. Juli, 8.30 Uhr: "Ich bin froh. Eigentlich sollte ich saurer sein, aber ich bin froh ... Gestern bin ich mit Alba, Don Giancarlo, Cicci, Mariangela und Luigi nach San Leo gefahren. Wir wollten eine Gruppe der Gioventù Studentesca [Name von CL in den 60er Jahren A.d.R.] treffen. Ich habe vieles gelernt. Ich habe verstanden, wo meine Stelle im Leben ist."

Die Fahrt nach San Leo
Marina Valmaggi blättert in ihrem Tagebuch und erinnert sich an die Zeit vor 40 Jahren. "Es war Anfang der 60er Jahre in Rimini. Im Sommer ging ich zum Tanzen, Basketball-Spielen und Segeln. Ich hatte die ganze "Karriere" bei der Katholischen Aktion absolviert, mich dann aber davon distanziert, weil die weibliche Sektion todlangweilig und äußerst lebensfremd war. Eine etwas andere Art und Weise, die endlosen Sommerstunden zu verbringen, bestand darin, an den kulturellen Veranstaltungen des Kreises "Rimini studenti" teilzunehmen. Sie fanden in einem Haus der Diözese statt. Am Nachmittag des 24. Juli gab es einen Vortrag über Bernanos. Ich entschied mich aus Trotz, dorthin zu gehen. Vielleicht auch weil ich beleidigt war, denn man hatte mich nicht auf eine bestimmte Party eingeladen. Wir warteten also auf die Referentin, bis sie schließlich den Vortrag wegen einer Autopanne telefonisch absagte! Don Giancarlo Ugolini kam die Idee, stattdessen nach San Leo zu fahren. Ein paar Jugendliche hatten am Vormittag am Sitz von "Rimini studenti" Hinweise über dieses Ausflugsziel verteilt. In San Leo trafen wir rund 30 Jugendliche, die auf der Wiese unterhalb des Schlosses sangen und zwar den Hymnus der Wächter von Assisi. Es war, als ob sie uns sagen würden: Los, wacht auf! Wir sind da für euch! Dann sprachen sie miteinander und bereiteten eine Versammlung vor, die sie "Raggio" nannten. Dabei ging es um das Thema "Communio". Ich hörte zu, wie sie von ihrer konkreten Erfahrung sprachen. Dann sangen sie wieder. Der Junge mit Gitarre hieß Claudio Chieffo und er berichtete: "Ich habe dieses Lied komponiert, und es erzählt von meiner christlichen Erfahrung." Ich war baff! In jenen Jahren waren die Liedermacher regelrechte Stars. Nach dem Lied wandten sich die Jugendlichen uns "Zuschauern" zu und überschütteten uns mit Fragen: Woher kommt ihr? Was macht ihr? Wollt ihr mit uns ans Meer?

Laudes auf den Klippen
Wie sich herausstellte, waren diese Jugendlichen "Giessini" also Mitglieder der "Gioventù studentesca" aus Mailand, die mit ihren Familien die Ferien an der Küste der Romagna verbrachten. Vor der Abfahrt hatten sie sich mit den "Giessini" aus Forlì im Haus der Diözese zur wöchentlichen Versammlung, dem so genannten Raggio verabredet. Und sie unternahmen alles, um dieses Treffen nicht zu verpassen. Einige kamen sogar per Anhalter.
Am Tag darauf trafen wir uns mit den neuen Freunden am Strand - in Viserba. Am Strand war auch ein gewisser Pippo Molino, ein Gymnasialschüler, der unter dem Sonnenschirm saß und alle dazu aufrief, sich auf die Versammlung vorzubereiten. Dann betete man die Laudes auf den Klippen. Ich hatte sie auch manchmal auf Latein im Jugendzentrum der Pfarrei gebetet. Aber diese Jugendlichen beteten auf eine andere Art und Weise. Danach spielten wir im Wasser und am Strand. Es waren Spiele, die ich seit meinem 13. Lebensjahr nicht mehr gespielt hatte! Auch die Gespräche unter dem Sonnenschirm waren anders. Sie hatten nichts Künstliches oder Langweiliges. Ich wusste wohl, was es gewöhnlich hieß, ans Meer zu gehen, ich wohnte doch dort. Aber das hier war eine richtige Revolution!
Es hätte auch mit den üblichen Sommerfotos und einem wehmütigen Blick zurück enden können. Aber diese Leute hatten uns regelrecht erobert. Nach der Abfahrt schrieben sie uns und erzählten, was sie gerade machten. Damals war das Telefon noch nicht so üblich und sehr teuer."
Marina zeigt auf ein Bündel von Briefen aus jener Zeit. Viele stammen von Claudio Chieffo. Neben den üblichen Sätzen im Jugend-Jargon stehen dort auch Sätze wie: "Vergiss nicht zu beten: Ich bete jeden Abend zehn Gegrüßet seist du Maria: eins für mich, eins für meinen Vater, eins für das Konzil, eins für Don Giussani, eins für "GS" in Rimini ... hab keine Angst zu glauben: Gott wird nie müde." An anderer Stelle heißt es: "Ich habe fünf neue Freunde mitgebracht. Aber, kannst du dir vorstellen, wenn diese fünf je weitere fünf mitbringen würden und so weiter?!" Das war die Auffassung der ersten Christen. Jeder trug die Verantwortung für die Personen, denen er begegnet war. Marina fährt fort: "In den folgenden Monaten luden die Jugendlichen der Gemeinschaft in Forlì uns aus Rimini zu den Veranstaltungen ein. Im Oktober desselben Jahres entstand dann auch in Rimini "Gioventù Studentesca". Wir haben jede Gelegenheit genutzt, um von dieser neuen Freundschaft zu sprechen. Bis wir uns einmal gesagt haben: Jetzt erzählen wir allen davon! Daraufhin organisierten wir eine Tagesveranstaltung von GS in der Villa Verde. Zu Weihnachten machten wir drei Tage gemeinsame Ferien in Verucchio. Allmählich "importierten" wir auf diese Weise eine Methode. Das Wichtigste dabei waren aber die persönlichen Beziehungen.
Von diesem Augenblick an passierte allerlei. Wir begannen mit karitativen Werken, und sammelten Geld für die Freunde, die in der Mission in Brasilien waren. Wir gingen auch den Kreuzweg in Varigotti und später auf der Burg von San Leo. Unser neues Engagement spiegelte sich auch in der Schule wider. Ich besuchte ein altsprachliches Gymnasium. Dort herrschte das Motto: Jeder kümmert sich um seine eigenen Sachen. Wir konnten aber nicht mehr gegenüber den "schlechteren" Mitschülern gleichgültig sein. Ihnen zu helfen, war auch eine Möglichkeit, diese neue Freundschaft bekannt zu machen. Nimmt man das Leben ernst, hat man möglicherweise weniger Zeit zum Lernen, aber man reift als Person. In jenem Jahr blieb niemand sitzen und niemand musste irgendwelche Fächer im Sommer nachholen."

Die Freizeit
"Seit jenem Sommer bis 1964 fanden im Haus der Diözese regelmäßig die Versammlungen von GS statt, und zwar donnerstags um 16.00 Uhr. Außerdem verbrachten wir jeden Sommer zwei Wochen in den ärmeren Gegenden Italiens. Die "Giessini" gingen dorthin, um mit den Kindern zu spielen, Katechismusunterricht zu erteilen oder den Tag mit den Leuten von dort zu verbringen. Dann haben die Schüler und die Studenten jedes Jahr jeweils eine Woche Urlaub zusammen verbracht.
Der Sommer, vor allem in Rimini, stand bisher unter dem Motto: Ich tue einfach, was mir beliebt und pfeife auf die anderen. Nun hatte sich das Sommerleben völlig verändert. Es wurde zu einer Zeit, "in der ein neuer Anfang möglich ist", "in der man säen kann". Wie Don Giussani sagte: "In der Freizeit offenbart sich, wer du wirklich bist."
Einige Jahre später, als man dann anfing, vom "Charisma" zu sprechen (das Wort war uns bis dahin unbekannt), habe ich mir gesagt: Nun, an jenem Tag sind wir durch jene Jugendlichen einem Charisma begegnet und irgendwie haben wir es wahrgenommen. Und wir haben es nie mehr verlassen."