Herren über das Leben?
Die Nächstenliebe ist das Gesetz
Giancarlo Cesana
Vieles ist schon über den Fall der armen Terry Schiavo gesagt oder geschrieben
worden. Aber vielleicht lohnt es, auf einen Punkt einzugehen, der noch nicht
ausreichend durchdacht worden ist. Terry Schiavo ist nicht nur auf barbarische
Weise umgebracht worden, verhungert und verdurstet (wenngleich unter Einfluss
von Schmerzmitteln). Man hat auch verhindert, dass ihr gegenüber irgendeine
Form der Nächstenliebe ausgeübt wurde. Ihr Zimmer war von Polizisten überwacht.
Sie hatten dafür zu sorgen, dass niemand hereinkam, um sie zu ernähren oder ihr
Wasser zu geben. Auch Kinder wurden aufgehalten, die von ihren Eltern in der
Hoffnung dort hingeschickt wurden, dass das Gesetz mit ihnen weniger
erbarmungslos umgehen würde. Das Gesetz, genau! Das Gesetz stand über allem -
jede Geste der Liebe wurde ausgeschlossen, auch die allereinfachste: jemandem
zu essen und zu trinken zu geben, das, was er am dringendsten braucht. Man soll
mir jetzt nicht vorhalten, es sei unwahrscheinlich, dass Erwachsene oder Kinder
mit einem Fläschchen Wasser einem Wachkoma-Patienten in geeigneter Weise den
Durst löschen können. Das weiß ich selber. Aber es ist bezeichnend, dass
einfache Leute dies versuchten und "Ordnungshüter" es verhinderten. Man hat mit
einem symbolischen Akt versucht, das zur Geltung zu bringen, was die staatliche
Gewalt dieses Mal, das erste Mal in einer freien Gesellschaft, mit Gewalt
verweigert hat: die Liebe.
Die Eltern hätten ihre Tochter Terry nach Hause genommen. Aber der Staat hat
das nicht gewollt. Die Eltern hätten Geld zur Unterstützung der Pflege ihrer
Tochter sammeln können. US-Präsident George W. Bush war auf ihrer Seite. Der
Papst war auf ihrer Seite, viele, überall in der ganzen Welt, waren auf ihrer
Seite. Ganz, ganz viele wären glücklich gewesen, etwas beizutragen. Die Pflege
von Terry hätte also nicht nur den Staat nichts gekostet, sondern ihr Fall wäre
die Gelegenheit gewesen, eine Menge Geld zu sammeln, um anderen tragischen
Fällen wie ihr helfen zu können.
Nichts davon! Das Gesetz hat die freiwillige und kostenlose Gabe verboten.
Terry wurde das Leben genommen. Und um ihr das Leben zu nehmen, wurde keine
körperliche Gewalt ausgeübt (es wurde nicht auf sie geschossen und es wurde ihr
auch keine Spritze verabreicht), es wurde ihre Quelle vernichtet. Man hat
zugelassen, dass das Gesetz den Vorrang vor der Liebe bekommt, dass eine kalte
und objektive Enthaltung obsiegt. So hat sich die kleine Welt von Terry von
2000 Jahren Christenheit verabschiedet. Und das geschah in einem Land, das als
das verheißene Land für verfolgte Christen entstanden ist, wo man Gott ins
Zentrum der gesellschaftlichen Ordnung gestellt hat, wie man sogar auf den
Geldscheinen erkennen kann.
Es war noch nie so klar, dass der Abschied vom Christentum den Tod bedeutet,
Tod des Lebens, dessen, was es entstehen lässt, was es erhält und was es
wiederaufbaut. Die ganze Welt hat diesen Tod wahrgenommen. Deswegen haben
Zeitungen und Fernsehsender so großes Gewicht auf den Fall Schiavo gelegt.
Gegen diesen Tod haben Millionen von Menschen mit Hoffnung auf das Zeugnis
Johannes Paul II. geschaut. Je mehr der Schatten des Todes alles zu verdunkeln
sucht, desto stärker zeigt sich die Faszination des Lebens, wenngleich etwas
verworren. Christus hat mit seiner Auferstehung und mit dem Zeugnis seiner
Kirche in die Verwirrung den Samen der Gewissheit gepflanzt. Haben wir also
keine Angst zu lieben und lassen wir nicht zu, dass andere uns daran hindern!
|