Don Giussani
Brief von Papst Johannes Paul II.
Johannes Paul II.
Verlesen während des Requiems von Erzbischof Stanislaw Rylko,
Präsident des Päpstlichen Laienrates
1. Tief bewegt habe ich die Nachricht vom Tod
des lieben Monsignore Luigi Giussani vernommen. Er trat ein nach
langer Krankheit, die er im Geist einer vertrauensvollen Hingabe an
den Willen Gottes und einer großmütigen Teilnahme am
Geheimnis des Kreuzes Christi annahm. Sein Ableben ist für die
Familienangehörigen, für das Presbyterium der Erzdiözese
Mailand, für die Bewegung von Comunione e Liberazione, die von
ihm ihren Ausgang nahm, und für viele andere Personen, die ihn
als eifrigen Diener Gottes geschätzt und geliebt haben, Grund zu
Trauer und Wehmut. In diesem Augenblick des schmerzlichen Abschieds
bin ich allen im Geiste in tiefer Zuneigung nahe.
2. Ich hatte
verschiedene Gelegenheiten, Monsignore Luigi Giussani zu begegnen und
seinen innigen Glauben zu bewundern, der in einem christlichen
Zeugnis mündete, das fähig war, eine weit reichende und
überzeugte Aufnahme der Botschaft des Evangeliums hervorzurufen,
besonders unter Jugendlichen. Ich danke dem Herrn für das
Geschenk seines Lebens. Er gab es ohne Vorbehalte hin in der
konsequenten Erfüllung seiner eigenen priesterlichen Berufung,
im beständigen Hören auf die Bedürfnisse des heutigen
Menschen und im mutigen Einsatz für die Kirche. Sein gesamtes
apostolisches Wirken könnte man in der offenen und entschiedenen
Einladung zu einer persönlichen Begegnung mit Christus
zusammenfassen, der die vollständige und endgültige Antwort
auf die tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens ist. Er
sprach diese Einladung an alle aus, die ihm begegneten.
3. Don Giussani hat den unzähligen Jugendlichen, die ihn heute
als Erwachsene als ihren geistlichen „Vater“ ansehen, die
„Weggemeinschaft“ Christi ans Herz gelegt. Er stellte
jede Aussicht auf eine akademische Karriere zurück und widmete
sich ganz der Formung von Schülern, die Bezugspunkte und Modelle
brauchten, an die sie sich anlehnen konnten. In den 60er Jahren
begann er seine Evangelisierungstätigkeit und stellte die
Glaubenswahrheiten in einem offenen und unermüdlichen Dialog
vor, in einem konsequenten Gehorsam gegenüber dem Lehramt der
Kirche und vor allem mit einem beispielhaften Lebenszeugnis. So wurde
die Bewegung von Comunione e Liberazione ins Leben gerufen, und sie
wuchs im Laufe der Jahre dank des apostolischen Feuers dieses
leidenschaftlichen ambrosianischen Priesters, der es verstand, so
viele Jünger auf einen spannenden Missionsweg zu
bringen. Christus und die Kirche: Hierin liegt die Zusammenfassung
seines Lebens und seines Apostolates. Ohne jemals das eine vom
anderen zu trennen, hat er in seiner Umgebung eine wahre Liebe für
den Herrn und für die verschiedenen Päpste, die er
persönlich kennen gelernt hatte, weitergegeben. Mit seiner
Diözese und mit seinen Hirten war er zeitlebens tief verbunden.
4. Als Verteidiger der menschlichen Vernunft kennzeichnete Don Giussani
eine profunde Kenntnis der Literatur und Musik, und er war ein
überzeugter Förderer der Kunst als einen Weg, der zum Mysterium
führt.
Ihm folgten die Anhänger der von ihm gegründeten Bewegung,
die nunmehr in vielen Ländern der Erde verbreitet ist. Und er
wurde auch von Personen anderen Glaubens und mit unterschiedlichen
beruflichen Aufgaben gehört. So ist es mir ein besonderes
Anliegen, ihn als Meister der Menschlichkeit und als Verteidiger der
Religiosität, die ins Herzen des Menschen eingeschrieben ist, in
Erinnerung zu rufen.
5. Während ich für diesen treuen Diener des Evangeliums innige
Sterbegebete an den Himmel richte, die ich der Fürbitte der Gottesmutter
Maria anvertraue, bitte ich Gott, dass alle, die ihm auf ihrem Weg
begegnet sind und ihn kennen gelernt und dabei erfahren haben, welche
Wundertaten der Herr in ihnen durch sein Zeugnis vollbracht hat, treu
seinen Spuren folgen und seine charismatische Intuition lebendig
erhalten. Ich denke in diesem Augenblick mit besonderer Zuneigung an
seine geistlichen Kinder, die in der Fraternität von Comunione e
Liberazione und in der Laienvereinigung der Memores Domini vereint
sind. Über allen und über jedem Einzelnen möge Maria,
die sanfte Mutter des Erlösers, wachen. Unter diesen Vorzeichen
erteile ich Kardinal Dionigi Tettamanzi, dem Erzbischof von Mailand,
den versammelten Bischöfen und Priestern, sowie allen, die das
Ableben des lieben Monsignore Giussani betrauern und bei der
Begräbnisfeier anwesend sind, von Herzen den trostreichen
apostolischen Segen.
Aus dem Vatikan, am 22. Februar 2005
Johannes Paul II.
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