Dom zu Mailand
Vereint in Dankbarkeit und im Gebet gedenken wir Monsignore Luigi Giussani
Dionigi Tettamanzi
1. Liebe Schwestern und Brüder,
in diesem Augenblick des Abschieds möchte ich meine besondere Dankbarkeit
ausdrücken.
In Dankbarkeit gegenüber dem Vater, der uns auch heute in dieser
Eucharistiefeier seinen Sohn Jesus Christus als Retter und Erlöser
geschenkt hat. Der uns die lebendige und Gnaden bringende Gegenwart seines
Sohnes hat kosten lassen. An ihn glauben und ihn lieben wir, als das
wertvollste Gut unseres Lebens, ja als das einzige und höchste Gut.
In Dankbarkeit gegenüber unserem Herrn Jesus
Christus. Er ist Mittelpunkt und Herz all unserer Glaubenserfahrung.
Er ist mit seinem Leib und seinem Blut bis heute Quelle des Heils für
die ganze Menschheit. Und er wohnt in seiner Kirche und lässt
sich dort begegnen.
In Dankbarkeit gegenüber dem Heiligen Geist, dem
Geber alles Guten. Er erfüllt unablässig die Kirche und die
Menschheit mit dem Überfluss seiner Gaben und erhält sie im
Leben.
Heute wollen wir dem Herrn in ganz besonderer Weise für
die Gabe von Monsignore Luigi Giussani danken. Er war ein Priester
dieser Kirche Mailands, der die Bewegung Comunione e Liberazione
gegründet hat und stets ihr geschätzter und gefragter
Leiter war.
Vor allem die ambrosianische Kirche sollte voll Freude
dem Herrn danken, denn Don Giussani wurde in dieser Kirche als Mensch
und Christ geboren und zum Priester geweiht. Früher als anderswo
setzte er zuerst hier seine außergewöhnliche und
unermüdliche Leidenschaft als Erzieher, besonders der Jugend,
ein. Im Priesterseminar, dann im Berchet-Gymnasium und im schulischen
Bereich, nahm diese Leidenschaft die Form des Apostolats an, zunächst
in der Azione Cattolica und dann unter dem eigenen Namen „Gioventù
Studentesca“. Schließlich folgte die Tätigkeit an
der Katholischen Universität. Gerade in unserer Kirche brachte
er mit seinem unbeschwerten und festen Glauben und seiner
unüberwindlichen Leidenschaft für das Apostolat die
Bewegung Comunione e Liberazione hervor. Sie wuchs und entfaltetet
sich nicht nur in Mailand, sondern auch an vielen anderen Orten der
Welt.
Zusammen mit der ambrosianischen Kirche bringen viele
weitere Menschen und Gruppen ihren Dank zum Ausdruck, die hier
anwesend oder vertreten sind und die ich sehr herzlich grüße.
Unsere Gedanken wenden sich in diesem Augenblick besonders dem
Heiligen Vater zu, in Dankbarkeit für seine liebevolle Nähe
in diesem Augenblick der Trauer und des Schmerzes. Er wollte hier
sein und hat Kardinal Ratzinger als seinen Vertreter gesandt und uns
mit einer persönlichen Botschaft beschenkt. Ihm, dem Heiligen
Vater, gelten in diesem Augenblick der erneuten Prüfung, unsere
Zuneigung, unsere Genesungswünsche und unser Gebet.
2. Und nun öffnet sich unsere Dankbarkeit dem
Gebet. Wir bitten für diesen geschätzten „Priester,
der – so lesen wir im Beileidsschreiben der italienischen
Bischofskonferenz – eine Glaubenserfahrung vorzuschlagen
wusste, die dem heutigen Menschen eine lebendige Begegnung mit
Christus und der Kirche eröffnet und ihm ermöglicht, in
einen Dialog mit den unterschiedlichsten Kulturen einzutreten.“
Es ist ein Gebet, das wir alle gemeinsam erheben, und
dem sich auch mein Vorgänger, Kardinal Carlo Maria Martini,
anschließt. Er sandte mir folgende Botschaft: „Ich
schließe mich der Trauer und dem Gebet der ganzen Erzdiözese
und all seiner Freunde an und empfehle diesen treuen Diener der
göttlichen Barmherzigkeit. Er hat sein ganzes Leben lang das
Geheimnis des Fleisch gewordenen Wortes mit unermüdlicher Liebe
und Begeisterung verkündet. Möge der Herr ihn auf die
Fürsprache Mariens in der Ewigkeit Seines Lichtes empfangen. Von
dort möge er auch für uns bitten, die wir noch durch
Schatten und Bilder hindurch zum himmlischen Jerusalem schreiten, wo
es weder Trauer noch Weinen geben wird, sondern nur die gegenseitige
und freudige Anerkennung derjenigen, die Jesus geliebt und Seine
Offenbarung mit Freude erwartet haben. Da ich in Kürze nach
Israel aufbrechen werde, verspreche ich, des lieben Verstorbenen
besonders am Grab Dessen zu gedenken, der für unsere Erlösung
auferstanden ist.“
Es ist dasselbe Gebet, das wir bereits während
dieser Trauerliturgie an den Herrn gerichtet haben und das ich
nochmals in Ihrer aller Namen sprechen möchte.
O Jesus Christus, du Licht des Lebens
und Ziel unseres Weges, gewähre Don Luigi, der geschrieben hat
„Das Heil ist eine Gabe – es ist nicht eine Suche
unsererseits, eine Mühe unsererseits – und es hat
einen Namen: Christus“ (Egli solo è. Via
Crucis, Verlag San Paolo, S. 11), dir zu begegnen, und sei
du selbst für ihn der Lohn all seines Daseins.
Mit der Kraft deiner befreienden Gnade und mit der Macht
deiner Liebe, die jede Sünde besiegt und vernichtet, gewähre,
o Herr, Don Luigi, die Wahrheit in Fülle zu erfahren und zu
kosten, die Wahrheit dessen, was er zutiefst geglaubt hat, als er
schrieb: „[Deine] Gegenwart ist unsere Freude, [Deine] Freude
ist unsere Kraft. Es ist die Kraft einer Liebe, die am Ende siegen
wird.“ (ebd. S. 46)
Und du, o Maria, „Jungfrau und Mutter, Tochter
deines Sohnes, – vor allen Wesen groß und voll von
Demut, – du vorbestimmtes Ziel im Ewigen Rate“, du,
die du „der Hoffnung stets lebendige Quelle“ bist,
empfange Don Luigi mit deiner mütterlichen Zärtlichkeit,
der dich zärtlich geliebt und unzählige Male mit diesen
Versen von Dante angerufen hat. Bitte deinen Sohn, der in der
Herrlichkeit zur Rechten des Vaters sitzt, dass er auf ewig sein
Antlitz als gekreuzigter und auferstandener Herr sehen und schauen
möge, jenes Antlitz, das er leidenschaftlich gesucht hat.
3. Mit dem Gebet öffnet sich unser Herz auch dem
brüderlichen und aufrichtigen Mitgefühl für alle, die
den Tod von Monsignore Giussani beweinen. Diese Solidarität
erfleht für sie und jeden von uns den Trost des Herrn. Und sie
stärke das Bestreben im Blick auf Leben und Zeugnis von Don
Luigi, Gedanken, Empfindungen und Vorsätze für ein
gerechteres und heiligeres Leben zu hegen. Es soll dadurch
wahrhaftiger und freudiger im Einklang stehen mit dem lebendigen Wort
der Frohen Botschaft und mit dem christlichen Glauben, den wir
bekennen.
Machen wir uns seine große Leidenschaft für
die Mission zu eigen. Lassen auch wir uns von der unauslöschlichen
Sehnsucht aufrütteln und antreiben, damit alle, denen wir
begegnen, an dem Glück teilhaben können, Christus zu kennen
und zu lieben und in Gemeinschaft mit ihm einzutreten und zu
verbleiben. Das geschieht, indem wir uns von seiner unübertrefflichen
Schönheit und Gnade anziehen und verändern lassen. Wie für
Don Luigi, muss es auch für uns sozusagen unerträglich
sein, dass es Menschen gibt, die die Freude dieser lebendigen und
persönlichen Frohen Botschaft nicht kennen, die der Herr Jesus
Christus selber ist.
4. Nun ist für Monsignore Luigi der Moment des
letzten Aufbruchs zum Ort seines Grabes gekommen.
Aber dies ist auch für uns ein Moment des
Aufbruchs. Wenn wir diesen Dom verlassen, wird jeder nach Hause
zurückkehren, in sein Lebensumfeld, zu den Dingen, für die
er Verantwortung trägt.
Aber hier endet nicht die Erinnerung an einen geliebten
Menschen, an diesen unseren Bruder im Glauben. Er war für viele
auch ein treu sorgender Vater war, ein machtvoller und sanfter Vater,
und er war für alle Verkünder und Zeuge Christi und seines
Geheimnisses.
Unser Gebet – so sagt es uns die
ambrosianische Liturgie – möge ihn weiterhin der
Barmherzigkeit Gottes anvertrauen, auf dass er sich in Ewigkeit an
der Fülle seines Friedens freue.“
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