Logo Tracce


CL - Berufung
Begleitet von einem Vater
Pater Claudio Del Ponte

Seit dem Entstehen von La Cascinazza erfasste der Blick Don Giussanis in einzigartiger Weise die Neuheit, das Wunder, das der Herr zu wirken begann. Seine Vaterschaft hat uns immer begleitet: in jenem ersten Jahrzehnt auf sehr zurückhaltende Weise, aber beständig und auf das Wesentliche konzentriert; immer aber drängte er uns zum Gehorsam. Im zweiten Jahrzehnt war seine Begleitung außergewöhnlich, leidenschaftlich. In einem Ausbruch, den vorzustellen ich euch überlasse, ging er zum Beispiel so weit, uns zu sagen: «Ich hätte Lust, euch mit Brachialgewalt zu öffnen!». Diese Jahre, und besonders 1982, waren für uns entscheidend. Wir waren zu sieben oder acht geblieben, um die Statuten vorzubereiten, mit denen wir die Kirche um Anerkennung unserer Erfahrung bitten wollten. Und Don Giussani nahm uns bei der Hand und zeigte uns die Gnade und die Verantwortung, die Christus unserem Leben gab. Allmählich wurde uns bewusst, dass der Herr mit der Cascinazza einen Ort der Gnade schuf, in dem vor allem Er sich aufopfern wollte, um das Menschsein derer zu vollenden, die Er rief, zu sich rief. Diese gemeinsame Berufung zu unserer Vollendung konnte in den Händen Gottes ein Werkzeug für den Wiederaufbau Seines ganzen Volkes werden.
Don Giussani hat uns so die Größe des hl. Benedikt und seiner Erfahrung wiederentdecken lassen. Insbesondere den Zweck des klösterlichen Lebens, der darin besteht, das christliche Leben in beispielhafter Weise, also so intensiv wie möglich zu leben, allein in der Absicht, die Gegenwart Christi und die Einheit unter uns so deutlich wie möglich werden zu lassen, eine Einheit, die Er schafft und die uns zu einem Leib werden lässt. «Dieses Ereignis - sagte uns Don Giussani - ist das Herz der frühen Botschaft Benedikts. Sie unterstreicht sein auf Einheit gerichtetes Wesen und dessen Folgen».

Ora et labora
Die Methode, der Weg, ist also das Gedächtnis Christi, das Bewusstsein dieser Gegenwart, die alles wirkt, die das ganze Leben durchdringt und verwandelt. «Das wirklich Grundlegende - sagte er uns - ist das Bewusstsein, warum ihr hier zusammen seid. Das Motiv für euer Zusammensein mit den anderen müsst ihr für euch selbst ständig zum Thema machen. Und das Motiv ist nur eines: die Gegenwart Christi, auf dass ihr mit eurer Einheit der Welt Zeugnis geben könnt».
Das Kloster entsteht als physisches Zeichen der Zuneigung Christi zu den Menschen und folglich unserer Zuneigung zu Christus; es entsteht als der Ort, an dem sich dieser Herzenswunsch aller am intensivsten verwirklicht: die Suche nach Christus, die Bewunderung und Anbetung Christi, das Hungern und Dürsten danach, dass Er kommt, aber ganz konkret, mitten in alle Beziehungen: zu sich selbst, zu den anderen und zu den Dingen. Hier liegt der Sinn des Wahlspruchs ora et labora, den Don Giussani uns geholfen hat, wiederzuentdecken und aufzuwerten, als eine Ermahnung zur Einheit der Person, zur Einheit des Lebens. Innerhalb eines festen Raumes (die Klausur), in einer festen Familie, wo einer beständig auf das Gedächtnis fixiert ist, wird es für die Christen leichter, ein Beispiel dafür zu finden, dass man auch beim Tellerwaschen oder bei der Dateneingabe in einen Computer jeden Augenblick intensiv als Gott gehörig leben kann, als Hingabe seiner selbst. Abt Brasó, der als Generalabt die Cascinazza im Anfang sehr unterstützt hat, sagte diesbezüglich, dass «innerhalb der Kirche der Mönch nicht die Aufgabe hat, ein Spitzenmann zu sein, neue Wege zu eröffnen. Seine Aufgabe ist vielmehr, die gewohnten Dinge anzunehmen, zu vertiefen und mit dem Glanz der Ewigkeit zu beleuchten». Das ist möglich, wenn ich bei jeder Beziehung an die Wurzel gehe, aus der alles und jeder hervorgeht. Dieser Vorgang ist Gebet, das heißt mir wird bewusst, dass in diesem Augenblick das Leben von einem Anderen erschaffen wird. Es hat mich sehr berührt, als Don Giussani vor drei Jahren den Studenten sagte, dass «das Gebet der Vorposten unserer Menschlichkeit ist, unserer Menschlichkeit im Kampf ..., der äußerste Vorposten der Schlacht unseres Lebens».

Raum und Zeit
Die Tatsache, dass das Kloster das physische, organische Zeichen der Liebe sein soll, der Nachsicht, mit der Christus sich unser annimmt, diese Tatsache verwandelt die Art und Weise, den Raum zu erleben (von den vier Wänden der Zelle bis zur Grenze der Klausur) und den Rhythmus der Zeit mit dem Klang der Glocke, die uns wenigstens zehnmal am Tag zu gemeinsamem Tun zusammenruft (dem Gebet, den Mahlzeiten, den gemeinschaftlichen Begegnungen). Aber diese Tatsache verwandelt vor allem die Beziehungen zwischen uns. Mein Leben ist nicht wirklich eine Bejahung Christi, wenn das nicht die Bejahung des anderen (mit kleinem a einschließt, des anderen - so, wie er jetzt ist. Mein Leben ist nicht wirklich Bejahung Christi, wenn es nicht wirklicher, totaler und vorbehaltloser Gehorsam ist gegenüber der Gemeinschaft und dem, der sie leitet.

Gegenseitige Wertschätzung
Zwei Ermahnungen Don Giussanis haben mich in den letzten zwanzig Jahren besonders aufgebaut. Bei der ersten sagte er: «Jedes Opfer für die Einheit ist immer das beste Opfer. Das sieht man immer schon im Voraus». Und die zweite Ermahnung gab er uns nach einem harten internen Streit, den er beigelegt hatte, als er beim Abschied sagte: «Die tiefe Wurzel, auf die man in jedem Fall achten muss, ist die gegenseitige Wertschätzung, denn hier setzt der Teufel an». Diese Dynamik zu leben, diese Arbeit an mir selbst zu leisten, ist nichts anderes als der Weg zur Vollendung meines Ich. Unter uns wird immer offensichtlicher, dass der Herr mir die Gegenwart der anderen - wie immer sie auch sind und leben - mit einem klaren Ziel schenkt: um das Beste aus mir herauszuholen.
Auch wenn der andere voller Grenzen ist oder dir gar Böses tut, der Herr erlaubt gerade das mit diesem Ziel: das Beste aus dir herauszuholen, d.h. kein Entgelt zu erwarten. Wir möchten euch einfach bezeugen, was in unserem Leben geschieht: dass in den Tongefäßen, die wir sind, jener Schatz, der die Person Jesu ist, große Dinge wirkt. Und das nicht nur für uns, sondern für alle, und ganz besonders für euch, die ihr die Liebsten seid.