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Gesellschaft - Familie
«Dem Volke dienen»
Luca Pesenti

1972 schlossen sie die «kommunistische Ehe». Dann begegnete Aldo Don Giussani: Das war eine Revolution, die sein Leben veränderte, bis hin zur Entscheidung, sich kirchlich trauen zu lassen

9. April 1994: ein Tag der Krönung. Aldo und Teresa lebten schon 22 Jahre zusammen, und zwar seit 1972. Sie hatten beide eine gescheiterte Ehe und eine Scheidung hinter sich; vor 200 «Genossen» versprachen sie einander ewige Liebe in einer Zeremonie der «kommunistischen Trauung». Er, Aldo Brandirali, war der charismatische Leiter der maoistischen Organisation «Dem Volke dienen», zu der auch Teresa gehörte. Es waren 22 Jahre der Liebe und heftiger Streitigkeiten, es waren schwere und wunderbare Jahre, begleitet von den «Wehen» zu einer langsamen Veränderung hin, die von der Begegnung mit dem gegenwärtigen Gott gekennzeichnet wurde.
Weder der traurige Ritus der standesamtlichen Trauung noch der kirchliche im weißen Kleid überzeugte sie. «Wir waren nicht Christen» - erklärt nun Aldo - «und, um folgerichtig zu sein, lehnten wir die Idee einer kirchlichen Ehe ab. Die standesamtliche Ersatz-Zeremonie ekelte uns noch mehr an. Aber wir spürten das Bedürfnis nach einem Ritus. Wir wollten uns ewige Liebe vor der Welt schwören. Wir wollten unsere Liebe um etwas anderes als um unser beiden willen leben. Durch die Erfahrung der Scheidung hatten wir verstanden, dass die Herausforderung der Einheit mit einem Ritual nicht zu tun hatte. Man braucht etwas anderes. Dieses andere war das kommunistische Ideal. Auf irgendeine Weise ahnten wir, dass die Standhaftigkeit unserer Liebe nicht von unserer Kohärenz abhängen konnte. Sie sollte einer Spannung zu dem hin anvertraut werden, was unsere beiden Leben stützte: also die Ideologie.»

Die Suche nach dem Wahren
Sie hatten geheiratet, aber dies reichte nicht aus. Vor allem Teresa reichte dies nicht aus, denn sie war ständig auf der Suche nach überprüfbaren Gründen, nie ruhig. Deswegen zieht sie Aldo zu dem mit, was eine Rührung im Menschen mehr als alles andere hervorrufen vermag: die Schönheit. Die Kunst öffnete Teresa die Augen: Durch sie verstand sie, dass die Ideologie nicht genügt. «Das war der Anfang der Rettung» - fährt Aldo fort - «auch wenn es für mich deutlich war, dass auch die ästhetische Genugtuung keinen Halt bieten konnte; paradoxerweise hatte Teresa die ersten Schritte unternommen, aber jetzt schuldete ich ihr Sauerstoff. Jetzt war ich derjenige, der noch weiter vordrängen wollte.»
Und hier fängt eine neue Geschichte an. Ein neues Leben, das 1982 beginnt, nach 10 Jahren kommunistischer Ehe; und es waren 10 schwierige Jahre, die besonders bei den zwei Söhnen Marco (aus der ersten Ehe von Aldo) und Luca (von Aldo und Teresa) ein Zeichen hinterließen. Aldo begegnete Don Giussani und ein neues Leben bahnte sich an. Teresa beobachtete ein bisschen perplex das Ganze, aber sie hinderte ihn nicht daran. Sie half ihm halt nicht: Sie ließ es einfach zu. Auch wenn sie fürchtete, dies sei der soundsovielte ideologische Spleen, ein erneuter Schwindel für die Wünsche. Aldo gab sich mit den Ciellinis ab und die ehemaligen Genossen fingen an, ihn zu verspotten. Der kleine Luca, der die Parteischule besuchte, litt darunter und verstand nicht. «Es war ein schrecklicher Augenblick. Aber ich veränderte mich allmählich und mit mir auch Teresa, trotz ihres Abstands zu der Welt, die ich gerade kennen lernte. Wir waren immer noch atheistisch, aber alles war schon anders. Und Luca fand in dieser Neuigkeit eine große Hilfe. Wir stritten uns jeden Tag weniger, wir wurden fähiger, unsere Grenzen zu umarmen. Endlich konnten wir ein Beispiel für ihn sein.»

Ein Vorschlag, der die Freiheit herausfordert
Und die Krönung kam an dem Tag im Jahr 1994, als sie vor Gott und seinem Volk eins wurden. Sie heirateten kirchlich. Er war bereits konvertiert, sie war immer noch auf der Suche nach einer Antwort auf ihre große Frage, die sie nie verlässt. Teresa akzeptierte zu heiraten, weil sie verstand, dass es für Aldo dabei um Leben oder Tod ging. Sie kommunizierte nicht, aber akzeptierte, vor dem Geheimnis zu stehen. Zwei Monate später lud Don Giussani Aldo zu einer Versammlung ein. «Komm zusammen mit deiner Frau», sagte er ihm. Teresa sagte zu. Sie lernte den Priester aus Desio kennen und sagte ihm: «Aber ich habe mich nicht bekehrt.» Und er antwortete ganz unerwartet: «Macht nichts, fühle dich frei.» Ab dem darauffolgenden Tag fing Teresa an, sonntags in die Messe zu gehen, denn, so sagt Aldo, «angesichts eines Vorschlag, der die Freiheit herausfordert, hatten sich alle Einwände und Vorurteile im Nu aufgelöst.»
Und die heftigen Streitigkeiten der Jahre des Zusammenlebens? «Alles vorbei. Die Gegensätze in der Beziehung bleiben, die sind vielleicht noch stärker. Aber es gibt einen Punkt, an dem wir Halt machen, weil wir erkennen, dass es etwas gibt, was noch vor dem Gegensatz kommt. Man streitet, aber alles wird gelöst. Das fügt Christus hinzu, wenn er dich traut.»