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Gemeinschaft der Werke - Heiliges Land
Im Jordantal bewegt sich etwas
Filippo Landi

Seit einem Jahr ist die Compagnia delle Opere [Gemeinschaft der Werke] auch im Heiligen Land vertreten. Sie hat sich auf große Herausforderungen eingelassen und erste Ziele abgesteckt: joint ventures mit italienischen Firmen, Projekte in der Landwirtschaft, Ausbildungsangebote für Verwaltungsfachleute sowie die Produktion von 5.000 Fahrrädern

Seit dreizehn Monaten hat die Compagnia delle Opere jetzt einen Sitz in Israel. Welche Bilanz lässt sich nach diesem Jahr ziehen? «Wir mussten hier anders vorgehen als in anderen Ländern: wir konnten uns nicht darauf beschränken, Unternehmern bestimmte Dienstleistungen anzubieten und sie als Mitglieder zu werben. Den Handwerkern und Unternehmern in Israel sind solche Zusammenschlüsse häufig fremd. So haben wir unsere Hauptaktivitäten zunächst darauf gerichtet, direkte Kontakte zwischen israelischen und italienischen Firmen herzustellen, um so joint ventures zu ermöglichen. Jüngstes Ergebnis ist der Abschluss eines Vertrages zwischen zwei Firmen, die auf dem medizinischen Sektor arbeiten. Aber dabei wollen wir nicht stehen bleiben. Was wir anstreben, sind Kontakte, die auch Palästina mit einschließen. Die italienischen Partner sollen hierbei eine Vermittlerrolle übernehmen; ohne ein Engagement von außen würden wirtschaftliche Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern kaum zustande kommen.»

Zeit der Aussaat
Ich sitze mit Jonathan G. Sierra in der Bar des YMCA im Herzen Jerusalems und bitte ihn um eine erste Bilanz. Sierra lebt als Jude in Jerusalem, ist Inhaber einer Multimedia-Firma und lehrt nebenbei auch Computergraphik an der Universität. Die junge Kellnerin, die uns bedient, hat ihn gleich als ihren Dozenten wieder erkannt. Sierra erzählt: «Für etwas bin ich besonders dankbar im Rahmen meiner Arbeit: es sind Beziehungen zu konkreten Personen und Orten entstanden. So konnte ich nicht bei Vorurteilen stehen bleiben. Es haben sich Begegnungen mit Personen ergeben, die ich sonst beim allerbesten Willen nicht kennen gelernt hätte. Nicht alle Begegnungen, das muss auch klar gesagt werden, waren positiv. Eine neue Mentalität unter den Unternehmern, die angesichts der Lebensbedingungen hier den Groll und den Egoismus überwindet, entsteht nicht so einfach aus dem Nichts.» Es ist jedoch keine Alternative, sich mit den Umständen zufrieden zu geben. Man kann beginnen, dort etwas auszusäen, wo der Boden am fruchtbarsten zu sein scheint. Und das scheint auf das Jordantal im wahrsten Sinne des Wortes zuzutreffen.

Blickrichtung Europa
«Wir arbeiten mit drei Landwirten aus Palästina zusammen, die gerade bei der Aussaat für die nächste Ernte sind. Die Erträge sind in den nächsten Monaten zu erwarten. Wir helfen diesen Landwirten, bei ihrer Produktion Standards zu genügen, die in Italien und Europa erfüllt werden müssen. Dadurch wollen wir ihnen neue Exportmöglichkeiten eröffnen, nicht allein nach Israel, sondern auch nach Europa. Einige Anstrengungen in die Richtung haben wir schon unternommen. Wir würden die Landwirte allerdings gern noch mehr unterstützen. Konkret haben wir vor, an der Grenze zwischen Palästina und Israel Strukturen zu schaffen - und wir sind uns bewusst, dass das eine enorme Herausforderung ist -, wo die Sicherheitskontrollen, auf die die Israelis vor der Einfuhr dieser Waren bestehen, schnell durchgeführt werden können. Durch Sicherheiten, die wir den Landwirten stellen, sollen sie ihre Exportzeiten verkürzen und so ihre Gewinne erhöhen können. Zugegebenermaßen sind wir noch recht weit vom Ziel entfernt, aber alles beginnt mit dem ersten Schritt.»

5.000 Fahrräder für den italienischen Markt
Eine andere Initiative in Israel hat inzwischen weit mehr als nur den Charakter eines Projekts. Sierra ist darüber froh und erstaunt zugleich. «Bei einem Treffen der Compagnia delle Opere kam Sierra zu mir und sagte: 'Gibt es bei euch jemanden, der Erfahrung in der Produktion von Fahrrädern hat?' Mir war in dem Moment nicht bewusst, dass die Antwort auf diese Frage schon länger bei uns in der Schublade lag: ein neues Fahrradmodell, das bis dahin allerdings noch niemand in Angriff genommen hatte. So konnten wir sofort den Vorschlag machen, dieses für den Markt in Palästina und in Israel beziehungsweise auch für den europäischen Markt zu produzieren. Ein italienischer Unternehmer, der Fahrrad- und Motorradzubehör herstellt, war auf meine Anfrage hin bereit, nach Israel zu kommen und dort seine Erfahrung als Manager in der Branche einzubringen. Nun werden wir in Handarbeit 5.000 Fahrräder produzieren. Im Mai sollen sie auf dem italienischen Markt angeboten werden. Jedes verkaufte Fahrrad wird zum Kapital der künftigen Firma beitragen. Wer eines dieser Fahrräder kauft, wird über die Verwendung des Geldes informiert. Die ersten zwei Fahrräder werden wir verschenken: eines an den israelischen Premierminister, das andere an den palästinensischen.»

Produktion religiöser Artikel in Bethlehem
Ein anderes Projekt konnte in Bethlehem weiter ausgebaut werden: hierher sind in den letzten Monaten die Pilger zurückgekehrt, so dass in den Läden wieder religiöse Artikel aus Olivenholz verkauft werden, nachdem in den Gassen der Stadt lange Zeit große Stille geherrscht hatte. «Es breitet sich wieder Optimismus aus», so Sobhy Makhoul, «auch wenn die Angst wegen der politisch instabilen Lage nicht völlig geschwunden ist. Neue Restriktionen bei Export und Import sind immer möglich. Aber wir ziehen diese Situation trotz all der Ungewissheit, die sie bedeutet, bei weitem dem vor, wie es in den Jahren zuvor war.» In Bethlehem verfolgt die Compagnia delle Opere drei Ziele: Zunächst möchte sie den Handwerkern durch die Arbeit ihre Menschenwürde zurückgeben, aber auch zu besseren Arbeitsbedingungen verhelfen. Teilweise gibt es keinerlei Arbeitsschutzvorkehrungen. Wer zum Beispiel in der Produktion von Gegenständen aus Perlmutt beschäftigt ist, ist den ganzen Tag dem Staub, der bei der Bearbeitung dieses Materials anfällt, ausgesetzt; andere müssen über Stunden die gesundheitsschädigenden Dämpfe von Holzlack einatmen. «Ein weiteres Ziel unserer Arbeit ist es, dabei zu helfen, alte Maschinen, die billig aufgekauft und häufig Gefahrenfaktor geworden sind, durch andere zu ersetzen, die ähnlich auch für den italienischen Markt produziert werden. Auf diese Weise besteht auch die Möglichkeit, Mittel und Kenntnisse aus Italien fruchtbar zu machen. Dann wollen wir ein Zentrum gründen, in dem Fortbildungen angeboten werden können, die auf eine Erweiterung des Sortiments abzielen: Neben religiösen Artikeln sollen auch andere Qualitätsprodukte aus Holz hergestellt werden, die leicht zu exportieren sind. So tun sich eventuell auch neue Absatzmärkte auf. Unterstützung erhoffen wir uns dabei von der Gemeinschaft der Franziskaner im Heiligen Land.» «Deren Kustode im Heiligen Land», so erzählt Sobhy Makhoul, «hat uns bisher immer geholfen. An der katholischen Universität in Bethlehem möchten wir mit der Hilfe von Avsi und mit Mitteln aus der Region Lombardei auch Kurse für junge Leute anbieten, die in der Verwaltung arbeiten wollen. Wir brauchen dringend gut ausgebildete Beamte in Palästina, nicht nur jetzt, auch in der Zukunft.»

* Für weitere Informationen über die Compagnia delle Opere s. http://www.cdo.it/en-US