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Bischofssynode
Die Eucharistie
Julián Carrón

Vom 2. bis zum 23. Oktober lud Benedikt XVI. in Rom Vertreter der Kirche aus der ganzen Welt zur XI. ordentlichen Versammlung der Bischofssynode ein. Dieses Gremium wurde von Johannes Paul II. ins Leben gerufen. Thema: «Die Eucharistie: Quelle und Höhepumkt des Lebens und der Sendung der Kirche» Nur die Gegenwart Christi kann die Person in der ganzen Tiefe der Erwartung ihres Herzens bewegen. Die Synode ist der Gestus einer vom Papst geleiteten Communio. So lautete der Wunsch von Benedikt XVI. am Anfang des Ereignisses: «In den drei Wochen der Synode, die wir gerade beginnen, sagen wir nicht nur schöne Sachen über die Eucharistie, sondern vor allem leben wir von ihrer Kraft.»
Papst Benedikt XVI. berief Don Julián Carrón in seiner Eigenschaft als Präsident der Fraternität von CL zur Bischofssynode. Wir veröffentlichen den Text seines Beitrags in der Synodenaula vom 11. Oktober 2005

Heiliger Vater,
verehrte Synodenväter,
Brüder und Schwestern,
im vollen Bewusstsein meiner Unzulänglichkeit im Hinblick auf das Ereignis, das wir hier erleben, erlaube ich mir, einige Überlegungen darzulegen. Ich gehe dabei vom IV. Teil des Instrumentum Laboris [Arbeitstext zur Vorbereitung für die Synodenväter] aus, und beziehe mich besonders auf die Nr. 78.
Die Situation des heutigen Menschen ist von Schwierigkeiten durchdrungen. Aber keine dieser Schwierigkeiten kann die Erwartungshaltung des menschlichen Herzens zum Erlöschen bringen. Die Natur des menschlichen Herzens selbst treibt ihn zur Hoffnung an. Die Mühe, eine Antwort zu finden, bringt den Menschen gleichzeitig dazu, nicht selten an der Möglichkeit eines positiven Schicksals zu zweifeln.
Der heutige Mensch wird die christliche Antwort dann ernst nehmen, wenn er sie als eine bedeutsame Antwort auf den Ruf seines menschlichen Bedürfnisses empfindet. Deshalb besteht die Herausforderung bei der Verkündigung darin, den Inhalt des Glaubens zu leben. Dadurch zeigen wir die anthropologische Wichtigkeit des Glaubens, das heißt seine überreiche Entsprechung mit den ursprünglichen Bedürfnissen des Herzens.

Eine freie Initiative
1. «Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat» (Joh 3, 16). Den Höhepunkt dieser freien Initiative des Vaters bilden Tod und Auferstehung Christi. Sie sind der höchste Ausdruck dieser Liebe, durch die Christus die Menschen endgültig mit Gott versöhnt und so die wirkliche Gemeinschaft mit Ihm ermöglicht hat.
Durch seine Einladung an die Jünger, den eucharistischen Gestus zu Seinem Gedächtnis zu begehen, ermöglicht Jesus Christus jedem Menschen «eine geheimnisvolle Gleichzeitigkeit» seiner Gegenwart in jedem Moment der Geschichte (Ecclesia de Eucharistia Nr. 5; Veritatis Splendor Nr. 25). Durch die eucharistische Handlung, die seine grenzenlose Liebe vergegenwärtigt, drängt uns Christus selbst, «nicht mehr für uns selbst zu leben, sondern für den, der für uns starb und auferweckt wurde» (2 Kor 5, 14-15).
Der Mensch, der mit Glauben das Geschenk des Leibes und des Blutes des Herrn annimmt, gewinnt Anteil an jener Neuheit, die Christus für immer in die Geschichte eingeführt hat, und er lebt in jener Gemeinschaft, die Christus mit dem Vater im Geist lebt. So konnte der Apostel Paulus sagen: «Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.» (2 Kor 5, 17) Diese Wirklichkeit wird als eine neue Einheit erfahren, die alle Spaltungen zwischen den Menschen überwindet: «Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid "einer" in Christus Jesus.» (Gal 3, 28)

Ein Ereignis innerhalb der Geschichte
2. Don Giussani, der Gründer von Comunione e Liberazione, hat gesagt: «Die Eucharistie ist die höchste Bestätigung der Methode Gottes gegenüber seinen Geschöpfen: Diese Methode besteht darin, gegenwärtig zu werden durch ein sichtbares, berührbares und deswegen erfahrbares Zeichen.» Es handelt sich um ein Ereignis innerhalb der Geschichte: Jesus selbst ist der höchste Ausdruck der Art und Weise, in der Gott seine Geschöpfe nicht im Stich lässt, sondern Mitleid mit ihnen hat, indem er aus der Menschheit Christi das wirksame Zeichen seiner wirklichen Gegenwart macht. Der Herr wollte aus der Eucharistie das Sakrament der Einheit der Christen in Ihm und mit Ihm machen, damit sie Zeugen, Zeichen und Werkzeug des göttlichen Heilsplanes werden (Lumen Gentium Nr. 1 u. 48). Die Eucharistie ist in der Tat eine Seinsweise, die von Jesus auf den Christen als Getauften übergeht. Durch das Zeugnis des getauften Christen neigt diese Seinsweise dazu, sich in Gesellschaft und Kultur auszubreiten (vgl. Mane nobiscum Domine Nr. 25-26). Gemäß ihrer sakramentalen Natur wirkt die Kirche auf die Geschichte ein, indem sie Personen erweckt und erzieht, die sich in die Neuheit des Lebens in Christus haben einbeziehen lassen. Solche Personen können diese neue Lebensweise an ihre Mitmenschen und Mitbrüder weitergeben. Durch das veränderte Leben derer, die zu Christus gehören, bezieht Gott weiterhin die Freiheit der Menschen an jedem Ort und in jedem Umstand (Arbeit, Familie, Freunde, Freizeit) ein.

Der Bedarf an Zeugen
3. Nur die einzigartige Gegenwart des Herrn kann die Person in ihrer tiefsten Erwartungshaltung anrühren. Gegenüber den zeitbedingten Herausforderungen wird deshalb das Sakrament der Eucharistie mit der ganzen Wirksamkeit seiner Früchte an wahrer Gemeinschaft und neuer Menschlichkeit unverzichtbar. Mit Staunen erblicken wir, wie diese Wirksamkeit in den Pfahlbauten und in den Favelas Brasiliens, unter den Universitätsangehörigen in Kasachstan, unter den Aidskranken in Uganda oder in den großen Metropolen der Vereinigten Staaten zum Ausdruck kommt. Wir alle benötigen heutzutage die Gegenwart von Zeugen, die diese Gemeinschaft, die der Herr uns auf sakramentale Weise schenkt, wirklich leben. Es ist die Gemeinschaft derer, die «von der Vorsehung Gottes auserwählt wurden, ihrerseits die Nachfolge seiner Zeugen zu sichern» (Newman). Indem wir diese Zeugen treffen, werden wir so mit Staunen und Dankbarkeit erkennen, dass die Gegenwart Christi in ihnen besteht. Wir werden Gott preisen für die Person seines Sohnes (vgl. Gal 1, 24) und für das Geschenk der Eucharistie. Wir selbst werden uns in dieser sakramentalen Dynamik umgestalten lassen nach dem herrlichen Bild, das unseren Blick auf sich zieht (vgl. 2 Kor 3, 18). So werden wir durch unsere ganze Existenz das Licht Christi aufleuchten lassen können, damit die Männer und Frauen unserer Zeit Gründe finden mögen, zu glauben und auf die Erfüllung der Versprechen zu hoffen, die tief in ihren Herzen eingeschrieben sind. Diese Versprechen werden vollauf bezeugt und verwirklicht in der eucharistischen Hingabe Christi.
Vielen Dank.