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Urteil
Box 5
Thomas Stearns Eliot

Wir bauen umsonst, sofern der HERR nicht mit uns baut.
Könnt ihr Raum geben einer Stadt, der GOTT nicht Raum gegeben?
Eintausend Verkehrspolizisten
Können euch nicht sagen, woher ihr kommt oder wohin es geht.
Ein Trupp von Zieselmäusen, rührigen Murmeltieren
Baut besser als solche, die da baun ohne den HERRN.
Sollen wir denn ewig über Trümmern wandeln?
Ich hielt die Schönheit deines Hauses hoch, den Frieden deiner Freistatt,
Die Fliesen habe ich gefegt und den Altar geschmückt.
Wo aber kein Tempel steht, soll keine Wohnstatt sein,
Ob ihr auch Unterkünfte und Asyle habt,
Unsichere Bleiben, solange ihr die Miete zahlt,
Sackende Souterrains, wo sich die Ratten paaren,
Sterile Reihenhäuser, nummerierte Türen,
Oder das Einfamilienhaus, ein wenig besser als der Nachbar hat;
Wenn nun die Fremde spricht: «Was für ein Sinn liegt dieser Stadt zugrund?
Ist es aus Liebe, dass ihr euch zusammenpfercht?»
Was werdet ihr erwidern? «Wir wohnen dicht bei dicht
Um einander zu verdienen?» oder «Wir sind eine Gemeinschaft»?
Und die Fremde wird weichen und zurückgehn in die Wüste.
O meine Seele, halte dich bereit für seine Ankunft,
Bereit für sie, die Fremde, die zu fragen weiß.

O Überdruss der Menschen, die ihr euch abkehrt von GOTT
Zum Glanze eurer Denkkraft und der Glorie eurer Taten,
Zu Geisteswissenschaften, zu Erfindungen, zu kühnen Unterfangen,
Zu menschlichen Großtaten, die durchaus fragwürdig sind,
Ihr dringt das Erdreich und das Wasser euch zu dienen,
Ihr beutet aus die Meere und erschließt die Berge,
Ihr teilt die Sterne ein in Stille und Aktive,
Im Zuge, den besten aller Kühlschränke zu bauen,
Im Zuge soviel an Büchern herzustellen als nur möglich,
Was Glück ist graphisch festzulegen und leere Flaschen zu zerschmeißen.
Ihr wendet euch von eurer Unerfülltheit zum Gesinnungsfieber
Für Rasse, Vaterland oder das, was euch die Menschheit heißt;
Und ob ihr auch den Weg vergaßet, der zum Tempel führt,
Gibt es die Eine, die den Weg zu eurer Türe weiß:
Dem Leben mögt ihr euch entziehen, doch dem Tode nicht.
Die Fremde könnt ihr nicht abweisen.

(T. S. Eliot, Chöre aus «The Rock», Suhrkamp, Frankfurt/Main 1981, S. 193-197)