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Briefe
Briefe Oktober 2005
Zusammengestellt von Paola Bergamini

Das Geheimnis des Meetings
Die ganze Welt an einem Tisch
Letztes Jahr hatte eine Familie meiner Fraternität und die Pfarrgemeinde Jugendliche aus Kasachstan zum Meeting beherbergt. Dabei erzählten sie und Don Livio uns, was sie dazu gebracht hatte, eine Reise von zwei Tagen - ganz abgesehen von den Kosten - auf sich zu nehmen, um ohne Bezahlung auf dem Meeting zu arbeiten. Das war wie eine Ohrfeige angesichts unserer eigenen Trägheit. Wir hielten zu ihnen über E-Mail Kontakt und versuchten diesmal, Geld für ihre Reise aufzutreiben. Schließlich warteten wir mit Spannung auf ihre Rückkehr und das gemeinsame Abendessen. Unterdessen hatte uns Anna Maria, eine Memores, die seit ungefähr 15 Jahren in Nigeria ist, mit so viel Wärme von ihren Jugendlichen erzählt, dass es für uns logisch war, auch sie zum Abendessen einzuladen! Don Giuliano Renzi, der viele Jahre als Missionar in Brasilien war, beherbergt während des Meetings immer Brasilianer und in diesem Jahr zum ersten Mal auch einige Kolumbianer. Warum also sollten wir auch sie nicht einladen? Als die Leute am internationalen Meeting-Point davon erfuhren, schlugen sie vor, auch einige litauische Mädchen einzuladen, die zum ersten Mal auf dem Meeting waren und einen Journalisten aus der Ukraine, für den diese Erfahrung ebenfalls neu war. Nach einem typisch italienischen Essen begann das "Spektakel", ein Spektakel in jeder Hinsicht. Die nigerianischen Jugendlichen hatten zwischen Tagliatelle und Salsiccia einen Abend organisiert. Einer von ihnen übernahm die Präsentation mit Anna Maria. Jede Nation sang Lieder und tanzte. So tanzten ein Nigerianer und eine Brasilianerin Samba. Litauische Jugendliche sangen ein vierstimmiges Chorstück. Und eine Schülerin sang begleitet von kasachischen Jugendlichen ein russisches Lied. Schließlich nahmen alle an einem Schlangentanz im Samba-Rhythmus teil, auch der Journalist. Und zum Abschluss stimmten alle das Sul pajon an. Und als die Jugendlichen aus den neun verschiedenen Nationen so zusammen sah, musste ich an Don Giussani denken. Dabei wurde mir klar, wie sein Charisma die ganze Welt erreicht hat. Zum Abschied tauschten wir, Menschen aus verschiedenen Kontinenten und mit verschiedenen Sprachen, die sich vorher nie begegnet waren, Adressen, Telefonnummern und E-Mails aus und machten zusammen Fotos. Dann stimmten wir spontan das Lied Romaria, an, um uns der Gottesmutter anzuvertrauen.
Anna, Rimini

Außerhalb der Maschinerie
Es gibt einen Faden, der nicht zerreißt. Ich war eine von vielen Ciellini, gewohnt von meinen Freunden von Cl umgeben zu sein. Eingefügt in "diese Maschinerie" von Beziehungen, von Dingen, die zu tun sind, Begegnungen, schönen Gesprächen, verschiedenen Freundschaften und so weiter. Doch dann wurde das Leben schwerer: Probleme, Unzufriedenheit, Enttäuschungen, Ungewissheiten … Diese Maschinerie war mir nicht mehr vertraut und meine Hoffnungen hatten nichts mehr mit meinem Leben zu tun, sondern waren nur noch eine Illusion, die es mit aller Kraft zu vermeiden galt. Ich mied sie also und alles, was eine wirkliche Hoffnung aufrecht erhalten konnte. Das Leben ging in perfekter Einsamkeit weiter und "jene Maschinerie" bleibt immer da, mehr oder weniger nah, aber stets unerträglich. Dann geschah es. Don Gius verließ uns. Ich war am Flughafen, als mich die SMS über seinen Tod erreichte und instinktiv erzählte ich es meinem Chef, der mit mir dort war. In diesem Augenblick fühlte ich, "zur Bewegung zu gehören". Seit diesem Moment prägte dies mein Bewusstsein. Ich fand mich auf der Beerdigung wieder, betend und Menschen grüßend, die mich erzogen hatten, mich gelehrt hatten zu leben, die Wirklichkeit mit dem Herzen und der Vernunft anzuschauen. Ich war allein dort und trotzdem an diese Menschenmenge gebunden, die viel bewusster ist als ich vereint war. So entdeckte ich jenen unscheinbare Faden, den die Last des Lebens überdeckt hatte. Er war da, noch ganz intakt, unscheinbar aber intakt und unzerstörbar. Im Büro kommentierte ich den Papst, Europa und seine Wurzeln, die Volksabstimmung. Ich konnte nicht so tun, als wenn nichts wäre. Ich konnte nicht still sein. Wahrscheinlich war ich für meine Kollegen nun die "Cellini"... Für meine alten Freunde aus der Bewegung war ich das nicht mehr! Dann kamen die Ferien. Ich schaffte es nicht, mich in die Maschinerie einzufügen (in Wahrheit hatte ich davor noch Angst). Schließlich das Meeting. Ich wollte so gern hingehen, aber ich schaffte es nicht, mich zu organisieren. So verzichtete ich. Es war ein trauriger Verzicht! Aber ich möchte jetzt nicht mehr vor diesem traurigen Verzicht resignieren. Ich möchte nicht darauf verzichten, mein Leben mit der Barmherzigkeit, Liebe und Freiheit anschauen zu können, die nur Gott gehören und die ich nur dort treffen kann, wo Gott lebendig und gegenwärtig ist. Im Moment weiß ich wirklich nicht genau, was ich tun werde (das ist der Refrain meines Lebens), aber dieser unscheinbare, wiedergefundene Faden ist vorhanden und ich bin gewiss, dass die Barmherzigkeit Gottes unendlich ist.
Cristina

Jesus schwebt nicht über den Wolken
Lieber Carrón, wir schicken dir das, was unser Sohn Lorenzo auf der homepage der Jugendlichen von Gioventù Studentesca von Legnano über die Ferien geschrieben hat, die wir mit unserer Fraternität und anderen Freunden verbracht haben.
Daniela und Gian Mario, Legnano

Vom 30. Juli bis zum 5. August fanden in Madonna di Campiglio die Ferien der Gemeinschaften von CL von Legnano, Gallarate, Novara und Arona statt. "Nichts Neues ", sagte ich mir, " denn schon seit Jahren, von Klein auf, verlebe ich eine Woche im Sommer mit dieser merkwürdigen Gemeinschaft". Ich fuhr los in der Gewissheit, schon alles zu wissen, alles im Detail vorauszusehen. Wie ich mich vergnügen kann, wann, mit wem, wie weit ich den Bogen spannen kann bei Mama, Papa und verschiedenen Erwachsenen. Alles Dummheiten ... Die ersten zwei Tage verliefen "ruhig", dann begann die Gegenoffensive und der Abbruch all meiner blassen Erwartungen. Als ob sich alle abgesprochen hätten, zeigte mir jede Person, der ich begegnete, dass es ein Nachteil war, an meinen Ideen festzuhalten. "Ja" zu sagen, das ist die Art, in der Gemeinschaft zu bleiben, immer und in jedem Fall. Das hat Mario gezeigt, als er von der Krankheit seiner Frau Daniela sprach, die dieses Jahr am Dreikönigsfest starb. Nicht nur durch das Zeugnis mit "Worten", sondern mit allem, was er tat, mit einer Kraft, einer Hoffnung, trotzt allem ... Du hast keine Lust, etwas zu tun, bist es Leid auf die Kinder aufzupassen und denkst daran, mit deinem Freund ins Dorf abzuhauen, weg von diesen kleinen Nervensägen und dann kommt er vorbei, mit seinem kleinen Sohn Daniele, der sich vollkommen an ihn geklammert hat, und lacht, scherzt, lächelt ... Wie kann man vor einem so lebendigen Zeugnis nicht erstaunt sein? Wenn es nur er gewesen wäre, wäre das schon viel gewesen, aber nein, er hat dort nicht halt gemacht... Die Gesichter von Padre Tiboni, Don Ambrogio, Boia, Marta, Cheva, Pietro… Alle … Das war das eigentlich Erstaunliche. Endlich nicht nur das Gesicht des Freundes zu sehen, sondern das Gesicht Christi. In unserer Gemeinschaft wird oft der Ausdruck "das Gesicht Christi zu sehen" gebraucht. Wenn einer sagte: "Ich habe Christus im Gesicht meines Freundes gesehen", habe ich die Nase gerümpft und gesagt: "Alles klar… Wenn er wirklich keine andere Möglichkeit findet, uns zu erklären, wie er sich fühlt ... ". Aber es ist so! Wenn du loslässt, zur Gemeinschaft in Liebe Ja sagst, ohne Vorbehalte, verstehst du, dass es nicht von dir abhängt, dass alles gut läuft, dass alles so außergewöhnlich ist! Wir müssen "Ja" sagen, "ich bin dabei" und der Rest kommt von alleine. Vielleicht nicht sofort ... Christus war vor drei Abenden im Bierlokal bei mir Marta und Cheva, während wird über alles Mögliche diskutierten. "Das Christentum ist die materialistischste Religion, die existiert." Ich weiß nicht mehr, wer das gesagt hat, aber es ist wahr, denn in der Konkretheit, in der menschlichen Beziehung habe ich endlich verstanden, dass Jesus nicht über den Wolken schwebt, sondern mitten unter uns. Es beeindruckt mich immer noch zu sehen, dass eine solche Sache mir begegnet ist und ich es geschafft habe, sie zu verstehen. Diese Freunde will ich nicht verlassen, denn wenn du einmal jemanden triffst wie sie, etwas wie diese Gemeinschaft, verlässt du sie nicht mehr! Entschuldigt die Länge und die Verwirrung, aber es war mir wichtig, euch wissen zu lassen, dass es wirklich eine Hoffnung gibt, selbst ich habe sie getroffen ...
Bande, Legnano

Eine Familie für Desirée
Am 22. April nehmen Tonino und Enza Desirée auf, ein Baby von siebeneinhalb Monaten, das von fibrösen Zysten gezeichnet ist. Im Juli findet das Gericht eine Adoptivfamilie für sie. Hier der Brief, den die Pflegeeltern geschrieben haben, als sie ging.
Liebe Desirée, heute verlässt du unser Haus, aber nicht unser Herz. Du gehst zu deiner Familie mit Mama Cristina, Papa Spiro und deinen kleinen Schwestern Anna, Sara und Marta. Du bist für uns unser Jesuskind gewesen. Dein Blick, so tief und lieblich hat uns verstehen lassen, dass dein Leben ein großes Geschenk für uns gewesen ist. Du warst in all diesen Tagen das Gedächtnis des Geheimnisses. Danke, dass du in unser Leben eingetreten bist (auch wenn die Art völlig unerwartet war), es mit Liebe erfüllt und die Liebe unter uns gestärkt hast. Das hat uns wachsen und Jesus mehr lieben lassen. Wir haben dich in einem kritischen Augenblick deines Lebens aufgenommen. Durch deinen bedenklichen Gesundheitszustand haben wir dich sofort lieb gewonnen. Wir haben, wie Francesco sagt, dir geholfen, die ersten Schritte auf deine Bestimmung hin zu gehen und wir sind sicher, dass sie groß sein wird. Nun wird dich deine neue Familie in den folgenden Schritten begleiten. Wir sind sicher, dass Jesus die richtige Familie für dich ausgewählt hat, auch wenn die Trennung für uns nun sehr schmerzlich ist, während du fröhlich bist. Und das tröstet uns. Wir sind Don Giussani und Johannes Paul II. dankbar, weil er dich uns auf unsere eindringlichen Gebete hin geschenkt hat. Du bist am 22. April gekommen, zwei Monate nach dem Tod von Don Giussani, und das war für uns kein Zufall, sondern das Zeichen einer großen Güte, die der Herr für uns hat. Mit Spiro und Cristina ist eine schöne Freundschaft entstanden, die uns immer begleiten wird, sodass wir dich aufwachsen sehen werden! In Liebe
Mamma Enza, Papa Tonino, Francesco, Milano

Unerwartete Ferien
Ich möchte den Personen danken, die mich zum Zeltlager der Diplomabsolventen bei den Picos de Europa eingeladen haben. Denn auch wenn ich dort nur hinkam, um einige Tage ohne meine Familie zu verbringen, hat mich diese Woche als Person mehr geformt als jedes andere Ereignis meines Lebens. Die Treffen begannen morgens mit den Laudes, Liedern, der Messe und den Worten eines Verantwortlichen, der uns gesagt hat, dass wir uns nicht damit begnügen sollen, die Berge, die uns umgeben, als etwas Schönes anzusehen, sondern als etwas, das von Christus für jeden von uns geschaffen wurde, und dass sie nicht halb so schön seien, wie die Beziehungen, die wir in den folgenden Tagen knüpften (was sich in den folgenden Tagen auch bestätigte). Carlos, ein Taubstummer, der aufgrund einer degenerativen Erkrankung erblindete, hat uns sein persönliches Zeugnis gegeben. Das, was mich am meisten getroffen hat, war die Tatsache, dass dieser Mann trotz der ungünstigen Lebensumstände sich nicht wünschte, sehen, hören oder sprechen zu können, sondern glücklich zu sein. Und das war er mehr als jeder andere, den ich vorher gesehen hatte. Trotz seines Unglücks war er viel glücklicher als ich, und diese Tatsache hat mich sehr bestürzt. Seine Äußerungen haben mir einen Weg gezeigt, der mir eine neue Freude am Leben gibt und ich versichere euch, dass ich das brauchte. Denn in diesem letzten Jahr war die Beziehung zu meiner Freundin die einzige Sache, die mir Kraft zu leben gegeben hat. Ich hatte jegliche Hoffnung verloren, etwas Besseres zu finden. Meine Leben erhielt eine Wende und ich habe mich an die Idee geklammert, dem Weg dieser Personen zu folgen. Mit ihnen habe ich über Ethik, Gesellschaft, Christus, die familiären Beziehungen und eine Vielzahl von Dingen gesprochen. Mir wurde der Unterschied zwischen meinen bisherigen Freunden und diesen deutlich, die ich gerade erst kennen gelernt habe, und mit denen ich über viele Dinge gesprochen habe wie nie zuvor in meinem Leben. Was mich bewegt hat, war auch die große Anzahl der Personen, die diese Begegnung vollkommen unentgeldlich organisiert hatten. Ich fragte mich, aus welchem Grund sie bis zu den Picos gefahren waren, um all das für uns vorzubereiten. Das war die Frage, die mich auch antrieb, zum Meeting nach Rimini zu fahren und dort in einem spanischen Restaurant Kaffee zu servieren. Es war der perfekte Ort und die perfekte Situation, um eine Antwort darauf zu finden: Wenn du den anderen dienst, machst du nichts anderes, als das Leben für das Werk eines Anderen zu geben.
Felipe, 15 Jahre, Madrid

Unter den Fialen des Domes
Lieber Don Carrón, nachdem ich 12 Jahre lang der Bewegung nicht "gefolgt" war, bin ich an dem Morgen, als der Sender TG5 den Tod Don Giussanis verkündete, bewegt über mein Leben in Tränen ausgebrochen. Als ich zu der Beerdigungsmesse ging, hat sich Christus unter den Fialen des Domes von Mailand gebeugt, an meiner Seite gekniet mit einer Barmherzigkeit, einer Güte, einem Blick wie das erste Mal vor 23 Jahren. Dort habe ich die Treue Christi verstanden. Lieber Don Carrón, seit diesem Tag weine ich bewegt, bin allen zum Freund geworden und laufe Christus hinterher, als der Letzte von euch. Ich schleppe mich hinter Christus her; ich, der ich schon von Christus ergriffen wurde. Alles ist verändert, alles ist Bitte, dass Er sich mehr zeige. Jetzt sehne ich mich nach einer Fraternität, einer Gemeinschaft und erbitte dies vom Herrn.

Vittorio, Torino

Alles begann mit einer Frage
Lieber Don Carrón, 1977 wurde mir die Gnade zuteil, Don Giussani das erste Mal zu treffen. Wir aßen zusammen zu Mittag, er und ich allein. Ich stand am Anfang meines beruflichen und affektiven Lebens und es gab viele Fragen und Auseinandersetzungen. Ich habe sehr oft über diese erste Begegnung mit ihm nachgedacht und je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr erscheint sie mir wie ein Auszug aus dem Evangelium. Es ist eine lebendige Erinnerung im Hier und Jetzt. Von all den Fragen, die ich ihm gestellt habe, war die wichtigste in diesem Moment, die Frage nach meiner Ehe. Ich gehörte schon zur Bewegung, meine Frau nicht. Don Giussani sagte mir: "Glaubst du, dass es möglich ist, mit Marilena die Kirche aufzubauen?" Ich verstand, dass das, was er sagte, wichtig war, auch wenn ich den Sinn nicht ganz verstand. Doch diesem Wort habe ich mein Leben, das Sakrament der Ehe anvertraut. Seitdem bete ich, so wie er es mir aufgetragen hat, jeden Morgen ein Ave Maria zur Gottesmutter mit der Bitte, mit Marilena die Kirche zu erbauen, mit anderen Worten zu leben. Im Bewusstsein meiner Armut ist mir klar, dass diese Bitte Don Giussanis und dieses tägliche Gebet an die Gottesmutter der Sinn und die Konsistenz meines Lebens sind. Unsere Töchter Lucia, Chiara und Francesca sind der menschliche Durchschein der Größe und Güte dieser Begegnung. Die neue Schule in Pesaro, die Universität von Mailand und Lugano mit der Erfahrung des CLU, die Verlobungen, Hochzeiten und Enkel, die der Herr uns geschenkt hat, sind die sichtbaren Früchte, die Wunder meines ängstlichen aber erwartungsvollen "Ja" in dieser ersten Begegnung mit dem lieben Don Gius.
Giorgio, Pesaro