Thema - Erziehung
Junge Reporter auf dem Meeting Meeting
Wir veröffentlichen einen der Briefe, die Don Giorgio bei der GS-Equipe
vorgelesen hat.
Lieber Don Giorgio, ich möchte dir berichten, wie mich dieses Meeting verändert
hat, und zwar nicht durch Theorien, sondern durch eine Begegnung. Es fing an,
als mich Cristina zum Meeting einlud, um dort an der Presseschau von GS
mitzuarbeiten. Ich sagte zu. Bei der ersten Versammlung am Samstagabend geschah
etwas Großartiges. Ich saß neben Filippo aus Ferrara, den ich schon am Vortag
kennen gelernt hatte. Ich hatte Angst mitzuarbeiten, weil ich nicht gut
schreiben kann. Also übernahm ich nur wenige Termine, die ich mir ausgesucht
hatte. Einerseits interessierten sie mich, andererseits gingen viele Leute dort
hin. Es hätte also niemand gemerkt, wenn mein Artikel gefehlt hätte. Filippo
übernahm allerdings unglaublich viele Aufgaben. Deshalb fragte ich ihn
ängstlich: "Auch du hast nur 24 Stunden, um dieses Zeug zu machen! Scheint dir
das nicht zuviel?" Er wandte sich um und sagte entschieden: "Du wirst mir dabei
helfen. Du hast ja überhaupt keine Aufgabe übernommen!" So fing für mich das
Meeting an. Die Freundschaft zwischen uns wurde somit etwas Außergewöhnliches:
Sie umfing die ganze Wirklichkeit, uns selbst und unsere Geschichte! Ich
steigerte mich total in das Schreiben. Wir ließen uns sogar das Essen zur
Arbeit bringen. Wir aßen und lasen gleichzeitig Artikel. Wir sprachen von den
Begegnungen des Tages, oder wir aßen einfach überhaupt nicht! Wir wurden nicht
von Arbeitswut übermannt, wie einige Freunde sagten. Wir hatten nur zusammen
einen neuen Geschmack am Leben entdeckt, und alles wurde entsprechend
beurteilt, mit diesem neuen Blick. Ich möchte dir zwei andere Erlebnisse
erzählen. Ich hatte Dienst am "Gspoint", und zwar gleich nach dem Treffen mit
dir. Ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich nicht beeindruckt war.
Jedenfalls kamen vier Mädchen zu unserem Stand. Von einer wußte ich, dass sie
die Ausstellung vorstellte und Miriam heißt. Eine andere fiel mir auf, weil sie
einen verwirrten, aber erstaunten Blick hatte. Miriam kam an den Tisch und
fragte, ob ich jemanden aus Florenz kenne. Ich verneinte. Da erzählt sie mir
die Geschichte des Mädchens, das bei ihr war. Ihre Eltern hatten sie
mitgeschleppt. Irgend jemand hatte sie eingeladen. Aber sie hatte nicht die
geringste Ahnung, was die Bewegung überhaupt ist. Mir fehlen die Worte, um
diesen Blick zu beschreiben. Eine Person, die dich so ansieht, kannst du
einfach nur lieben! Also sprang ich auf den Tisch, hielt mich an einer Säule
fest und rief aus vollem Hals, ob jemand aus Florenz da wäre. Aber niemand war
aus Florenz! Ich stieg also wieder herunter und das Mädchen meinte: "Seid ihr
hier alle so?" - Ich fasst sie am Arm und wir gingen in die Rotunde. Dort
fragten wir, ob jemand die Nummer von jemandem aus Florenz habe. Ich werde
niemals diesen staunenden Blick vergessen. So verstand ich, weshalb ich nicht
über das staunte, was du gesagt hattest. Ich war zu eng an den Worten hängen
geblieben, anstatt der Sache auf den Grund zu gehen; nämlich, dass du uns
liebst und uns auf eine ganz besondere Art und Weise anschaust. Die andere
Sache geschah am Mittwoch, als ich zum ersten Mal an der Führung der
Ausstellung von GS teilnahm. Sie zeigt genau, wie die Freiheit beschaffen ist:
Ein Mensch ist nicht deshalb frei, weil er wählen kann, die eigene Bestimmung
zu leben, sondern, weil er die eigene Bestimmung in die Tat umsetzt! Ich habe
dies verstanden, als ich die Krankheit meiner Mutter miterlebte: Vor allem in
den letzten Monaten, als sie eine Medikamentenvergiftung hatte. Sie musste sich
15 bis 20 Mal am Tag übergeben und konnte das Bett nicht mehr verlassen.
Dennoch war sie frei, sie selbst zu sein, und zwar nicht im abstrakten Sinne:
Sie war frei, für mich Mutter zu sein! Gerade am Mittwoch hat uns Cristina
darauf aufmerksam gemacht, dass die Leute nicht verärgert aus der Ausstellung
herauskamen, sondern Beifall klatschten. Also stellte ich mich mit Filippo
allen in den Weg, die die Ausstellung gesehen hatten, um mit ihnen darüber zu
reden. Das Gespräch begann immer mehr oder weniger auf dieselbe Art und Weise:
"Wie hat euch die Ausstellung gefallen?", fragte ich, und sie antworteten: "Sie
ist wunderschön!" Danach forderte ich sie heraus: "Also, sagt mir einen Moment,
einen Blick, wo ihr wirklich erkannt und erlebt habt, dass wir frei sind, wenn
wir unsere Bestimmung erfüllen!" An diesem Punkt herrschte immer tiefes
Schweigen. So müsste man eigentlich verärgert sein, zumindest beunruhigt, und
zwar aus zwei Gründen: Erstens muss man beunruhigt sein, weil man nie (oder nur
selten) jene Schönheit erlebt hat, die alle erahnten; zweitens, weil man sie
nicht ersehnt. Das ist es, was ich beim Meeting verstanden habe: Ein Mensch,
der diese Schönheit erkannt hat, nicht unbedingt Seinen Namen, sondern
möglicherweise nur eine einfache Faszination, der nach Hause kommt und sagt,
dass es schön gewesen ist und damit basta, ein Mensch, der so handelt, verrät
nicht nur die Ausstellung, das Meeting, die Freunde und die Schönheit selbst;
ein Mensch, der so handelt, verrät das eigene Ich, das Einzige, das eine solche
Schönheit erkennen kann. In der Tat, den Tieren, die auch ihr Gehirn haben, ist
die Schönheit völlig egal! An diesem Punkt fragten sie mich: "Aber wie schafft
man es, an der Schönheit festzuhalten und sie nicht zu verraten?" - "Indem man
ihr nachfolgt!" Nicht abstrakt, sondern ganz konkret! Ein Beispiel: Wenn jemand
besser lernt als du, fragst du: Wie machst er das? - Und wenn er es auf eine
bestimmte Weise macht, wirst du es ebenso tun wie er. Nicht, weil du
einverstanden bist, nicht einmal weil du es verstehst oder es richtig findest!
Sondern, weil du dich von der Faszination fesseln lässt und dich ihr
anvertraust.
Carlo
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