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Thema - Erziehung
Eine Frage der Methode
Caterina Manco

Wir veröffentlichen einen Brief, den eine Schulleiterin zum Beginn des Schuljahres an alle Eltern geschickt hat. Sie hatte 2004 einige Lehrer der Bewegung kennen gelernt und nimmt nun an ihren Treffen teil.

An die Eltern

Ich weiß nicht, ob Sie diesen Brief, wenn Sie ihn zu Ende gelesen haben, als eine Provokation auffassen oder eine Weise, Ihnen nahe zu sein und Ihnen zu helfen, Ihrem Dasein als Eltern Sinn zu verleihen. Vielleicht ist es eine Provokation. Ich denke, es ist in einem gewissen Sinne der Fall. Zugleich folgt es dem, was Don Giussani "das Wagnis der Erziehung" genannt hat: Der Wunsch, die eigenen Überzeugungen ins Spiel zu bringen, unsere Werte, und das Risiko einzugehen, ernst genommen zu werden, wenn wir sagen, dass die Schule ein Ort sein kann oder muss, wo Erziehung möglich ist. Denn die Mühe lohnt sich, und ich glaube, dass es an der Zeit ist, an der Schule von Erziehung und nicht nur von Unterweisung und Ausbildung zu sprechen.
In den kommenden Monaten werden wir gemeinsam die Perspektiven und Inhalte dieser Erziehung suchen, das Was, Wie und Warum. Aber jetzt möchte ich Ihnen einige Gedanken darlegen, die uns helfen sollen, die von unserer Schule gewählte Methode zu verstehen. Den Kindern soll damit eine klare und bedeutungsvolle erzieherische Erfahrung angeboten werden. Nur das, was zur Erfahrung wird, kann nämlich als Methode angenommen werden. Wir gehen davon aus, dass einzig die Gemeinschaft der wahre Ort der Erfahrung ist. Um so wichtiger sind also die Erfahrungen, die Schule und Familien gemeinsam den Kindern vorschlagen - soweit dies möglich ist. So kann eine erzieherische Gemeinschaft entstehen, in der sie sich ohne Unterschiede und Gräben wiederfinden können. Kürzlich las ich, dass die Erziehung stets "das Zusammentreffen zweier Freiheiten" sei.
Ich bin so beeindruckt von dieser Idee, dass ich Sie daran teilhaben lassen möchte. Es geht also nicht um eine Einbahnstraße, die im Namen luftiger theoretischer Prinzipien mit Regeln, Fesseln oder Sanktionen arbeitet. Statt dessen wollen wir uns gemeinsam auf den Weg machen, um zu einem gemeinsamen Verständnis von Werten zu finden. So kann man auch das Herz unserer Kinder berühren und ihr Gedächtnis prägen, nicht nur ihr Gehirn.
Darin besteht also die Herausforderung, die uns und ihnen vorgeschlagen wird. Dieses erzieherische Wagnis wollen wir annehmen, um unseren Kindern die Größe des Lebens zu eröffnen und in ihnen "die Sehnsucht nach dem Wahren, Schönen und Guten" zu wecken. Wir stellen uns damit gegen das trübselige Bild ohne Werte, das uns die Medien oft vermitteln.
Aus diesem Grund sprach ich anfangs von Provokation. Denn um zu erziehen, muss man eine Wahrheit zum Leben haben und diese auch vorschlagen. Wir möchten Sie darum bitten, diese Überzeugung mit uns als Schule zu teilen. Sie gründet in der Gewissheit, dass wir dadurch Tag für Tag, wenn auch nicht ohne Mühen, jene "Schule zur Reife" errichten, von der auch unser Schulwappen spricht. Wir wollen also eine "Schule für alle" sein, um die Kinder auf ihrem Lebensweg zu begleiten, indem wir mit ihnen ein Wertesystem teilen und ihnen helfen, ihre Talente zur vervollkommnen. Darin besteht das erzieherische Wagnis. Wir haben beschlossen, es einzugehen, denn wir glauben, dass dies die einzige Möglichkeit ist, dem Leben unserer Kinder einen Sinn zu geben und ihnen zu helfen, in der bestmöglichen Weise erwachsen zu werden. Gleichzeitig übernehmen wir damit Verantwortung in der Gesellschaft, der wir angehören und zu deren Fortschritt wir beitragen möchten. Da wir aber wirklich überzeugt sind, dass die Erziehung die Begegnung zweier Freiheiten ist, trifft sich hier unsere Freiheit als Schule mit bestimmten Entscheidungen Ihrer Freiheit (die bisweilen auch im übertragenen Sinne etwas kosten). Sie als Eltern haben sich diese Schule zur Ausbildung, Erziehung und zur Reife Ihrer Kinder ausgesucht. Dabei nutzen Sie alle Möglichkeiten, die unser Bildungssystem zur Verfügung stellt. Wie jede Wahl hat auch diese ihren Preis, schließt von Ihrer Seite andere Wahlmöglichkeiten ein. Der erzieherische Ansatz: Welcher? Weshalb? Autoritär, tolerant oder schlicht gerecht? Die Schulzeit: Wie viele Stunden? Warum? Um was zu tun? Die Arbeitsräume: Wie viele? Welche? Warum? Die außerschulischen Aktivitäten: Sind sie notwendig? Wichtig? Haben sie einen Wert für die Zukunft? Helfen sie bei der Ausbildung? Schließlich stellt sich Ihnen die grundlegende Frage, welche Bedeutung Sie bestimmten erzieherischen Erfahrungen bemessen, die Sie in den kommenden Jahren für Ihre Kinder auswählen. Denn von ihrem Rang in der Liste der Prioritäten hängt der Erfolg der Erziehung ihrer Kinder ab. Wenn der Unterricht wichtig ist, was in dieser "Wissensgesellschaft" niemand anzweifeln wird (und mit ihm die Ausbildung und die Erziehung), muss die Schule dabei einen hohen Rang einnehmen, vielleicht sogar den ersten. Auch Ihre Eltern haben seinerzeit der Schule, die Sie besucht haben, einen hohen Rang zuerkannt, und erst danach den Freizeitaktivitäten, so dass die wichtigere Verpflichtung nie beeinträchtigt wurde.
In diesem Sinne bitten wir Sie um Ihre Verfügbarkeit und Ihren Einsatz für die kommenden drei Jahre.