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Aufmacher
Christus, der Auferstandene, der Sieg über das Nichts
Luigi Giussani

Aufzeichnung eines Vortrags von Luigi Giussani bei Einkehrtagen der Memores Domini, Riva del Garda, 16. Mai 1992

Gestern Abend hat man zu Recht darauf hingewiesen, dass das «Geheimnis» einerseits eine sichtbare Wirklichkeit ist, andererseits auch wieder nicht. Das ist gerade charakteristisch für das christliche Verständnis von Geheimnis. Hierauf habe ich schon oft hingewiesen, auch im Seminar der Gemeinschaft.
Das Geheimnis ist nicht das Unbekannte; es ist das Unbekannte, insofern es zum Gegenstand einer sinnlichen Erfahrung wird. Diese Begriffsklärung ist sehr wichtig, denn aus diesem Grund spricht man vom Geheimnis der Menschwerdung, vom Geheimnis der Himmelfahrt, vom Geheimnis der Auferstehung.
«Gott ist Geheimnis»: Wenn man diesen Satz einfach so stehen ließe, wäre Gott als Geheimnis ein rein intellektuelles Bild. Der lebendige Gott ist dagegen der, der sich in der Menschwerdung offenbart hat: im Tod und in der Auferstehung Christi. Der wahre Gott ist der, der unter uns Wohnung genommen hat und sinnlich wahrnehmbar, berührbar, sichtbar und hörbar geworden ist.
Es ist einerseits durchaus wahr, dass man das Geheimnis nicht besitzen kann. Es ist zwar Gegenstand unserer Erfahrung geworden, aber man kann es nicht besitzen, das heißt man kann es nicht in seiner Fülle ermessen, ausschöpfen und umfassen. Andererseits ist es ebenso wahr, dass jemand das Geheimnis besessen hat: Die Muttergottes «besaß» das Wort Gottes, das sie als Same in ihrem Schoß trug. Und als es ein Kind, ein junger Mann, ein Erwachsener wurde, besaß es die Muttergottes, insofern sie seine Mutter war. Es ist jedoch ein unerschöpflicher Besitz und kann daher nur in einer Haltung der Demut besessen werden. In jener Demut, die sich dann widerspiegeln müsste - und das ist die einzige Quelle, in der sie sich widerspiegeln kann - zwischen dem menschlichen «Ich» und «Du»; zwischen einer Person und einer anderen Person, denn die andere Person hat ihre Quelle in Gott.
Ich will jetzt nicht nochmals auf das zentrale Wort des gestrigen Abends eingehen, jenes grundlegende Wort, das uns am meisten von allen fehlt: der «religiöse Sinn», der religiöse Sinn als Selbstbewusstsein, als Bewusstsein der Gegenwart des Geheimnisses. Wir sind quasi umgeben und durchdrungen, wir sind eingehüllt von etwas, was uns durchdringt (andernfalls, wenn man von etwas eingehüllt ist, ohne dass es einen durchdringt, so wäre man eingeschlossen und eingesperrt; man ist nur dann wirklich eingehüllt, wenn man auch durchdrungen ist; wenn dich jemand umarmt, so hüllt er dich nur dann wirklich ein, wenn die Umarmung dich durchdringt). Wir stehen so vor dem Geheimnis des Seins - jedenfalls müssten wir am Morgen und in jedem Moment des Tages so vor dem Geheimnis des Seins stehen.
Das Benedictus ist das intensivste und ausdruckstärkste Gebet unserer Erwartung voller Gewissheit, unseres Besitzes, der noch kein vollständiger Besitz ist. Als wir vorhin das Benedictus gebetet haben, dachte ich daher - wie so oft beim Benedictus - an die Vorstellung und die Bitte, dass der Herr sein Volk erleuchten möge: «Der Herr hat sein Volk erleuchtet, er möge sein Volk erleuchten». Oder besser: «Er hat seine Auserwählten erleuchtet, er möge seine Auserwählten erleuchten». Ich denke oft daran, dass wir unter diesen Auserwählten sind! Der Herr möge diese Menschen erleuchten, ohne die ich nicht wirklich ich selbst wäre! Das ist wie eine Art von Ungeduld, die unser alltägliches Leben zum Ausdruck bringen muss, in jener Haltung demütiger Erwartung, die das Gebet ausdrückt.

Wenden wir uns nun dem Thema dieses Vormittags zu, nämlich der genauen Klärung des Wortes Geheimnis, das wir gestern Abend verwendet haben. Mit Geheimnis meinen wir, wie eben gesagt, das Geheimnis, insofern es sich zu einer sinnlich wahrnehmbaren Gegenwart in der Geschichte des Menschen gemacht hat. Denken wir nochmals an das, was wir in den Laudes gebetet haben: «Gott [...] lässt jetzt den Menschen verkünden, dass überall alle umkehren sollen. Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird, durch einen Mann, den er dazu bestimmt und vor allen Menschen dadurch ausgewiesen hat, dass er ihn von den Toten auferweckte.»1 Die Auferstehung ist der Höhepunkt des christlichen Geheimnisses. Alles ist hierfür geschaffen worden, denn dies ist der Anfang der ewigen Herrlichkeit Christi: «Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn.»2 Alles und alle haben in diesem Ereignis einen Sinn: in der Auferstehung Christi. Die Herrlichkeit des auferstandenen Christus ist das Licht, die Farbe, die Energie und die Form unserer Existenz und der Existenz aller Dinge.
Die zentrale Bedeutung der Auferstehung Christi ist direkt proportional zu unserer Flucht vor ihr. Wir fliehen vor ihr wie vor etwas Unbekanntem und vergessen sie. Nur schüchtern nehmen wir das Wort Auferstehung in den Mund und weichen vor ihm gleichsam zurück. Zu all dem ist die entscheidende Bedeutung der Auferstehung direkt proportional, als Vorschlag des christlichen Faktums und als erhabenster Inhalt der christlichen Botschaft, in dem sich jene Errettung verwirklicht, jene Reinigung von dem Bösen und jene Wiedergeburt, für die Er gekommen ist.
Im Geheimnis der Auferstehung liegt der Gipfel und die höchste Intensität des christlichen Selbstbewusstseins und somit des neuen Bewusstseins meiner selbst, der Art und Weise, mit der ich alle Personen und Dinge betrachte. In der Auferstehung liegt der Schlüssel zur Neuheit meiner Beziehung gegenüber mir selbst, den Mitmenschen und den Dingen. Und doch flüchten wir vor nichts so sehr wie vor der Auferstehung. Sie ist diejenige Sache, die, wenn man so will, am meisten - wenn auch respektvoll - beiseite gelassen wird. Wir belassen sie voller Respekt in der Dürre eines Wortes, von dem wir ein rein intellektuelles Verständnis haben wie von einer Idee. Und zwar gerade deshalb, weil die Auferstehung die größte Herausforderung für unser eigenes Maß darstellt.
In der Tat ist die Auferstehung der erste Inhalt der christlichen Verkündigung. Die ersten Reden in der Apostelgeschichte, die ersten Kontakte der Apostel mit den Juden und den Heiden hatten die Auferstehung zum wesentlichen, ja einzigen Inhalt. Als Petrus in Jerusalem den Gelähmten geheilt hatte und deswegen ins Gefängnis kam, fragte man ihn: «Mit welcher Kraft oder in wessen Namen habt ihr das getan? Da sagte Petrus zu ihnen, erfüllt vom Heiligen Geist: Ihr Führer des Volkes und ihr Ältesten! Wenn wir heute wegen einer guten Tat an einem kranken Menschen darüber vernommen werden, durch wen er geheilt worden ist, so sollt ihr alle und das ganze Volk Israel wissen: im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt, und den Gott von den Toten auferweckt hat. Durch ihn steht dieser Mann gesund vor euch. Er (Jesus) ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist [zum Ausgangspunkt für den Wiederaufbau der Welt]. Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen [da Gott ihn von den Toten auferweckt hat].»3
Das war die erste Katechese, der erste Inhalt der christlichen Verkündigung. Und Paulus schreibt hierzu im 15. Kapitel des ersten Briefs an die Korinther: «Ich erinnere euch, Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündet habe [die gute Nachricht, die ich euch verkündet habe]. Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet, wenn ihr an dem Wortlaut festhaltet, den ich euch verkündet habe. Ansonsten hättet ihr den Glauben umsonst angenommen [wenn ihr eurer eigenen Vorstellung entsprechend geglaubt hättet: Wie wahr ist es doch, damals wie heute, dass hierin die geheime und entscheidende Alternative besteht!]. Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe [zuallererst habe ich empfangen, sagt Paulus, und daran halte ich fest]: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Als Letztem von allen erschien er auch mir, dem Unerwarteten, der «Missgeburt». Denn ich bin der Geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben. Mehr als sie alle habe ich mich abgemüht - nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir. Ob nun ich verkündige oder die anderen: das ist unsere Botschaft, und das ist der Glaube, den ihr angenommen habt. Wenn aber verkündigt wird, dass Christus von den Toten auferweckt worden ist, wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht? Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos. Wir werden dann auch als falsche Zeugen Gottes entlarvt, weil wir im Widerspruch zu Gott das Zeugnis abgelegt haben: Er hat Christus auferweckt. Er hat ihn eben nicht auferweckt, wenn Tote nicht auferweckt werden. Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos, und ihr seid immer noch in euren Sünden. (...) Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen. Nun aber i s t Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. Da nämlich durch e i n e n Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch e i n e n Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.»4
Daher hat der Sabato (italienische Wochenzeitung A.d.R.), dieses unersetzliche Instrument, zu Recht diese erste Verkündigung, dieses Herz der anfänglichen christlichen Botschaft wieder aufgegriffen: «Christus ist auferstanden »(vor der Revolution von 1917 haben sich die Orthodoxen, besonders in Russland, gewöhnlich mit den Worten begrüßt: «Christus ist auferstanden»).
«Es lohnt sich also - schreibt Kardinal Ruini in einem Artikel -, die bezüglich dieser Frage relevanten Begriffe genauer zu beleuchten. Es geht in erster Linie um die Frage nach einem Faktum: Ist Jesus auferstanden oder nicht? Hierzu gibt es zahlreiche Zeugnisse, und einige davon haben uns direkt und in persönlicher Form die damaligen Hauptpersonen überliefert, wie zum Beispiel, und unbestreitbar, das Zeugnis des Apostels Paulus in seinen Briefen. Diesen Tatsachen gegenüber lassen sich keine ebenso zuverlässigen oder auch nur vergleichbaren Belege anführen, um die Auferstehung Jesu zu leugnen.»5 Keine Begebenheit aus der Antike ist so gut belegt.
«In einer früheren Predigt zu Ostern bewegt sich der damalige Kardinal Albino Luciani auf derselben Ebene des «Realismus» [«Realismus» genau in dem Sinne, wie er in der ersten Vorüberlegung zum Religiösen Sinn beschrieben wird]. Er erinnert daran, wie der heilige Paulus im ersten Brief an die Korinther viermal das Wort «erschien» gebraucht und damit die sinnliche Wahrnehmung unterstreicht. «Das Auge sieht nichts Inneres, sondern etwas Äußeres, eine von uns getrennte Wirklichkeit, die uns von außen gegenübertritt.» Außerdem erinnert Luciani daran, dass die Apostel sicher keinen raffinierten Mystizismen zugeneigt waren, sondern «gesunde, bodenständige, realistische und jeder Form von Halluzination gegenüber allergische Leute waren». Und er ergänzt: «Bei derartigen Menschennaturen war es sehr unwahrscheinlich [ja geradezu unmöglich], von der Vorstellung eines Christus, der es verdiente, in den Herzen der Seinen geistig wieder aufzuleben, zur Vorstellung einer leiblichen Auferstehung zu gelangen [dieser Schritt, diese Kehrtwendung wäre unmöglich gewesen], und zwar allein aufgrund von Überlegungen und einem gewissen Enthusiasmus [derlei gäbe es höchstens bei bestimmten Jugendmoden oder bei bestimmten Philosophen]. Nein, sie haben sich lediglich der Evidenz der Fakten gebeugt.»6
Sie haben sich der Evidenz der Fakten gebeugt, und - um es nochmals zu wiederholen - es gibt nichts Zuverlässigeres als das, was uns über die vergangenen 2000 Jahre überliefert worden ist, ausgehend vom allerersten Anfang. Der allererste Anfang trug jenes Wort wie eine Siegestrophäe vor sich her: Christus ist auferstanden. Kardinal Ratzinger antwortet auf eine gewisse Interpretation der Journalisten: Man muss übersetzen «im Fleische», «Auferstehung des Fleisches», und nicht «Auferstehung der Toten». Man muss unterstreichen, dass Christus die Auferstehung des Fleisches ist.7
Soviel zur Einleitung dessen, worauf wir hinaus wollen und was das Thema der heutigen Betrachtung sein soll. Das Christentum ist die Verherrlichung der konkreten Wirklichkeit, die Bejahung des Fleischlichen. Romano Guardini sagt, es gibt keine Religion, die materialistischer wäre als das Christentum.8 Es ist die Bejahung der konkreten und sinnlich wahrnehmbaren Umstände, so dass man keinen Ehrgeiz nach Größe hat, auch wenn man sich in dem, was man tun muss, begrenzt sieht. Was man tun muss, ist groß, auch wenn es klein scheint, denn darin schwingt die Erlösung Christi mit. «Eingetaucht in das große Geheimnis.»9 Sein, Gott, das Geheimnis, Ursprung und Bestimmung - wenn wir nicht in dieses große Geheimnis eingetaucht sind, verschleudern wir etwas vom Sein. Wir entkleiden das Sein seiner Größe, seiner Macht und seiner Herrschaft. Wir entleeren das Sein langsam seines Inhalts, höhlen es aus. Dieses große Geheimnis ist die Auferstehung Christi. Eingetaucht wie das Ich im «Du», wenn du es mit dem Herz eines Kindes aussprichst, das auf seine Mutter schaut. Wir müssen die Intelligenz des Kindes zurückgewinnen. Diese Intelligenz nennt sich Glauben, wenn sie in der Einfachheit ihrer ursprünglichen Natur ganz von etwas anderem erfüllt ist. Denn sie ist leer wie die geöffneten Arme, die noch warten auf die Person, die sie umarmen wollen. Ich kann mich selbst nur verstehen, wenn ich in das Du des großen Geheimnisses eingetaucht bin: Der von den Bauleuten dieser Welt verworfene Stein, verworfen von allen Menschen, die sich ihr Leben nach eigener Vorstellung entwerfen, er ist zum Eckstein geworden, auf den allein man bauen kann.10 Dieses Geheimnis, der auferstandene Christus, ist der Richter über unser Leben; Er, der es am Ende beurteilen wird, ja der es Tag für Tag, Stunde für Stunde, Augenblick für Augenblick, unablässig beurteilt. Wenn wir aber auf den Auferstandenen schauen und damit anerkennen, was mit Ihm als Gestorbenem geschah, dann stellt dies ein Urteil dar: Du bist auferstanden, o Christus. «Christus ist auferstanden», diese Aussage stellt ein Urteil dar, und deshalb ist es ein Gestus, ein Akt des Intellekts, der den normalen Horizont der Rationalität durchbricht und eine Gegenwart ergreift und bezeugt; eine Gegenwart, die den Horizont menschlichen Handelns, menschlicher Existenz und der Geschichte von allen Seiten übersteigt. Dieses Urteil erwächst aus unserer einfachen Intelligenz. Sie bejaht ihrer Natur nach das Positive der Wirklichkeit, die sie vorfindet und ihr erscheint. Es ist die liebevolle Bejahung der Wirklichkeit, wie es der ursprünglichen Natur der menschlichen Erkenntnis entspricht. Die Erkenntnis drängt das Ich natürlicher Weise dazu, der Wirklichkeit, die sich ihr darbietet, wohlwollend zuzustimmen. Deshalb ist sie positiv eingestellt und bejahend. Der Glaube ist damit die Durchdringung der Grenzen natürlicher Vernunft durch die Gnade. Dies stellt zugleich eine eigenartige und außergewöhnliche Fortsetzung der Intelligenz dar und geht mit dem Vermögen zum Gehorsam11 einher, wie die Theologen sagen. Indem die Intelligenz sich selbst übersteigt, verwirklicht sie den Gehorsam gegenüber der Macht des Schöpfers.
Der Glaube ist also die menschliche Intelligenz, die sich selbst übersteigt. Dies ist aber allein Gnade: Der Glaube ist eine Zustimmung der Intelligenz, die durch die Liebe zur Wirklichkeit gestützt wird, durch eine offene Zuneigung für das, was gilt, für das, was wirklich ist, für das, was wahrhaft «ist». Für das Kind ist dies unvermeidlich. Deshalb heißt es auch: «Wenn ihr nicht so werdet wie die Kinder ... »12. Man muss aber als Erwachsener so sein wie das Kind!
Das Eintauchen in das große Geheimnis des Auferstandenen ist ein Urteil meiner Intelligenz, die in ihrer ursprünglichen Einfachheit tätig ist, über die Wirklichkeit. Dabei geht sie von dem Punkt aus, wo sie strukturell auf die positive Bejahung hin geöffnet ist. Denn sie liebt die Wirklichkeit, die sich ihr darbietet. Deshalb ist sie offen und dem zugeneigt, was einen Wert hat, das heißt dem, was wirklich ist. Der Glaube an den auferstandenen Christus ist der höchste Akt menschlicher Intelligenz in einer aufrichtigen und wohlwollenden Wahrnehmung der Wirklichkeit, die sie liebevoll bejaht. Diese liebevolle Bejahung der Wirklichkeit ist die Voraussetzung, damit die Intelligenz des Menschen angesichts des Vorschlags des auferstandenen Christus zum Glauben wird. Das Angebot des auferstandenen Christus und die Anerkennung im Glauben sind nicht das Werk des Menschen, nicht das Ergebnis einer gedanklichen Hypothese, nicht das Resultat einer geistigen Anstrengung, sondern eine Möglichkeit unserer Intelligenz, insofern wir Geschöpfe sind. Es ist die Kraft des Gehorsams gegenüber dem Schöpfer: Es geschieht aus Gnade.
Wir können Ihn nur aus Gnade als Auferstandenen anerkennen und in sein Geheimnis eintauchen. Nur aus Gnade können wir anerkennen, dass alles dem Untergang geweiht und unser Glaube leer wäre, wäre Christus nicht auferstanden. Wie der heilige Paulus sagte: Leer wäre unsere positive, gewisse, freudige Bejahung, hinfällig unsere Botschaft des Glücks und der Erlösung - und ihr wäret «immer noch in euren Sünden»13, das heißt in der Lüge, im Nichtsein, in der Unfähigkeit zu sein.
Ohne die Auferstehung Christi gäbe es nur eine Alternative: das Nichts. Wir denken niemals daran. Deshalb verbringen wir die Tage mit jener Feigheit, Gemeinheit, mit jener Verwirrung und instinktiven Benommenheit, mit jener zurückweisenden Zerstreutheit, in der das Ich - das Ich! - sich verliert. Wenn wir «ich» sagen, sagen wir dies, um unseren Gedanken, unser Maß (das wir dann auch «Gewissen» nennen) oder unseren Instinkt zu behaupten, unseren Willen zu besitzen, unseren Vorwand, unseren illusorischen Besitz durchzusetzen. Außerhalb der Auferstehung Christi ist aber alles illusorisch: es ist gleichsam ein Spiel. Die Wurzel des lateinischen Wortes Illusion ist ludus, «Spiel»: Wir verspielen uns, wir betrügen uns, werden Opfer einer Illusion.
Wenn wir auf die vielen Menschen in den Städten blicken, in der Nachbarschaft, den Gemeinden, die Menschen, die zur Kirche gehören oder zu unserem engsten Lebensumfeld, können wir nicht umhin, diese Gemeinheit, die Engherzigkeit, Verwirrung, Zerstreuung, diesen völligen Verlust des Ichs festzustellen. Das Ich wird auf die hartnäckige und hochmütige Durchsetzung der eigenen Ansprüche des Denkens verkürzt, auf den erstbesten Gedanken (den man dann «Stimme» oder «Wahrheit des Gewissens» nennt), oder einfach auf die Instinktivität. Diese beansprucht etwas zu ergreifen oder zu besitzen, das ihr angenehm, befriedigend oder nützlich zu sein scheint. Allein, alles ist illusorisch. Löst euch einmal einige Meter von eurem Haus, schaut euch um, wie die Menschen zumeist leben. Normalerweise leben auch wir so. Geht aus eurem Haus, schaut euch um und sagt mir dann, ob das Lebensumfeld nicht hiervon geprägt ist; sagt mir, ob die Menschen nicht auf diese Weise leben!
Deshalb lässt uns die Liturgie sagen: «Behüte deine Familie, o Gott [deine Familie, dass ist die Gemeinschaft derer, die du zusammengeführt, erwählt und berufen hast], mit der Treue deiner Liebe [zumindest du bist dir selbst treu, du, der du uns liebst, weil du uns geschaffen hast. Wir können uns dieser Erwählung, dieser Liebe nicht mehr entziehen. Wir können dich tausendmal öfter verraten als der heilige Petrus, aber die Treue deiner Liebe bleibt bestehen und behütet deine Familie], und hilf uns stets in der Schwäche unserer menschlichen Natur [Die Kirche ist sich dessen also wohl bewusst, denn sie erneuert in uns den heilenden Blick, das liebende Herz Christi. Sie weiß nur zu gut, wie schwach wir sind] mit Deiner Gnade, dem einzigen Fundament unserer Hoffnung.»14 Deine Gnade ist das einzige Fundament unserer Hoffnung. Darin liegt die Voraussetzung für die Treue gegenüber der Berufung in den konkreten, banalen, verwirrenden, zurückweisenden Umständen, in die Gott uns hineinstellt.
«Komme der Schwäche unserer menschlichen Natur mit deiner Gnade zu Hilfe, denn sie ist das einzige Fundament unserer Hoffnung». Das heißt, ohne das Geheimnis des auferstandenen Christus, das höchste Geheimnis des Christen, wäre unser Glaube leer und wir wären noch in unserer Sünde, das heißt in einer Wirklichkeit, die dazu bestimmt ist, sich aufzulösen, in Staub zu zerfallen, im Nichts unterzugehen. Alles, was im Leben vibriert, unsere Sinne, unsere Sehnsucht und unsere Gedanken anregt, wäre reine Illusion: ein Spiel. Es gibt keine Alternative zwischen der Auferstehung Christi und dieser Illusion des Lebens: «...die Macht des Bösen, die verborgen waltet, die Eitelkeit, der alles Tun verfällt.» So endet das kurze Gedicht An sich selbst15 von Giacomo Leopardi. Es gibt keine Alternative zu dem auferstandenen Christus, wenn nicht dieser Satz von Leopardi.
Wir aber sind schwach. Und diese liebevolle Bejahung der Wirklichkeit, mit der wir geschaffen wurden, diese offene Zuneigung gegenüber dem, was einen Wert hat, gegenüber dem wirklich Realen, so wie es für das Kind gilt, wird aufgrund unserer Schwachheit korrumpiert, madig, unscharf und verflüchtigt sich. Doch die Kirche teilt uns die Botschaft des auferstandenen Christus mit, sie vergegenwärtigt den Auferstandenen, in ihr ist Er gegenwärtig. Und sie betet mit folgenden Worten: «Behüte deine Familie, o Gott, mit deiner treuen Lieben [denn wir haben keine treue Liebe], und helfe stets der Schwachheit unserer menschlichen Natur auf.» Das heißt, man muss bitten! Nirgends muss sich unsere Frage, unser Gebet, unsere Bitten (ich gebrauche das Wort, weil es das Wesen des Gebets ausdrückt: bitten); nirgends muss das Bitten intensiver sein als vor dem auferstandenen Christus. Und dennoch haben wir haben wir nie um die Treue in der Bejahung deiner Auferstehung gebeten, o Christus! Deshalb konnten wir auch unlängst in einer Kulturdiskussion mit einer Regisseurin nicht angemessen antworten.16 Sie fand niemanden unter uns, der gesagt hätte: «Du bist auferstanden, o Christus», «Christus ist auferstanden», «Ein Mensch ist von den Toten auferstanden.» Menschlich gesehen ist sie intelligenter als wir - wie im Übrigen auch Albert Camus. Nirgendwo gewinnen die Begriffe Fragen, Beten, Bitten eine tiefere Bedeutung als angesichts des Geheimnisses des auferstandenen Christus. Um in das große Geheimnis einzutreten, müssen wir betteln und bitten. Bitten, das ist der größte Reichtum. Wie die größte Intelligenz darin besteht, Ihn zu bejahen, so besteht die tiefste Zuneigung darin, Ihn zu bitten - Ihn zu bitten, darin besteht der große und dramatische Realismus.
Im Übrigen verwirklicht sich unsere Freiheit durch die Entscheidung im Augenblick. Denn der vorhergehende Augenblick ist vergangen und der kommende noch nicht existent. Wenn unsere Freiheit aber in der Entscheidung im Augenblick besteht, welches Vermögen besitzt sie dann? Nur sich als Frage zu offenbaren. Sie ist in der Tat die Sehnsucht nach Fülle und Glück, nach Sein. Unsere Freiheit ist ein Sehnen; der Augenblick ist ein Sehnen. Die Wahrheit der Sehnsucht besteht darin, dass sie zur Bitte wird. Die Freiheit ist die ursprüngliche Sehnsucht, die zur Bitte wird. In der Bitte anerkennen wir das Positive des Planes Gottes. In der Bitte liegt die Anerkennung - wenn auch zumeist unvollkommen und zitternd - des Geheimnisses unter uns. «Schreiten wir also voran und singen wir, um uns in der Sehnsucht zu bestärken. Wer Sehnsucht hat, der singt im Herzen, auch wenn die Zunge schweigt. Wer aber keine Sehnsucht hat, der ist vor dem Geheimnis Gottes stumm, auch wenn sein Schreien die Ohren der Menschen verletzt», sagt der heilige Augustinus.17 Wie können wir heute Nachmittag über unsere Häuser18 sprechen, wenn es nicht Orte sind, wo diese Sehnsucht das Herz so singen lässt, dass man beim Eintreten das Echo wahrnimmt, und ein Fremder nicht wüsste, woher es kommt?
Erlaubt mir, folgenden Kommentar des heiligen Augustinus vorzulesen, auch wenn er etwas lang ist: «Der Prophet sagte: ,Ich schreie in der Qual meines Herzens'. Es gibt ein verborgenes Wehklagen des Herzens, das niemand wahrnimmt. Wenn es aber die Qual einer Sehnsucht ist, ergreift sie das Herz auf eine Weise, dass der innere Schmerz sucht und gehört wird. Dann fragt man nach dem Grund. Wer es hört, sagt sich: ,Vielleicht klagt es deshalb oder weil ihm jenes passiert ist.' [Die Sehnsucht drückt sich in der Bitte aus, und die Bitte drängt von Natur aus, sich vernehmlich zu machen.] Wer aber kann dies verstehen, wenn nicht der, an dessen Augen und Ohren sich die Klage richtet? Das Wehklagen, das die Menschen hören, ist eine Klage des Leibes. Doch sie vernehmen nicht die Klage des Herzens. Wer also verstand, weshalb er schrie? Der Psalm fügt hinzu: ,Herr all mein Sehnen liegt offen vor dir.' [Lass mich eintauchen, in dein Geheimnis.]. Nicht vor den Menschen, die das Herz nicht verstehen können, sondern vor dir, liegt all mein Sehnen offen [Die Menschen vernehmen den Widerhall der Klage, ohne ihren Grund zu verstehen]. Wenn dein Sehnen vor ihm [dem Geheimnis] offen liegt, dann wird er, der auch das Verborgene sieht, es erhören [du kannst nur bitten: O auferstandener Christus, lass mich in dein Geheimnis eintauchen, schenke mir die Gnade, an dich zu glauben! Der Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dein Bitten erhören]. Dein Sehnen ist dein Gebet [deine Bitte]. Wenn du fortfährst, ist es dein Sehnen, fahre fort, so ist es auch dein Gebet [Wir verstehen an diesem Punkt, dass diese Überlegungen auch unser Leben beurteilen: Ob wir uns sehnen oder verharren, ob unser Leben moralisch oder unmoralisch ist]. Der Apostel stellt nicht zufällig fest: "Betet ohne Unterlass" (1Thess 5, 17). Ist damit vielleicht gemeint, dass wir unablässig knien oder ausgestreckt sein müssen? Wenn wir das Gebet auf diese Weise verstehen, dann meine ich, können wir es nicht ohne lange Unterbrechungen halten. Es gibt aber ein anderes Gebet [ein anderes Bitten], jenes innere Gebet. Es besteht ohne Unterbrechung [als Haltung des Herzens], und ist ein Sehnen. Was auch immer du tust, wenn du jenen Sabbat [der große Tag des Herrn] erwartest, dann hörst du nie auf zu beten. Willst du nicht mit Beten innehalten, dann höre niemals auf dich zu sehnen. Ist dein Sehnen dauerhaft, dann ist es auch dein Schreien. Du wirst nur schweigen, wenn du zu lieben aufhörst [das heißt, dich zu sehnen]. Er wird jene zum Schweigen bringen, von denen gesagt wurde: ,Und weil die Missachtung von Gottes Gesetz überhand nimmt, wir die Liebe von vielen erkalten' (Mt 24, 12). Die Kälte der Liebe ist das Schweigen des Herzens. Aber die Leidenschaft des Herzens ist der Schrei des Herzens [die Bitte]. Wenn du unablässig schreist, dann sehnst du dich ohne Unterlass. Wenn du dich sehnst, dann sind deine Gedanken dem Frieden zugewandt ["um unsere Schritt zu lenken auf den Weg des Friedens (Lk 1, 79)] ,Vor dir, meine Sehnsucht'. Wenn mein Sehnen vor ihm liegt, wie kann dann nicht auch mein Wehklagen vor ihm liegen, das ja die Stimme der Sehnsucht ist [wie kann dann nicht auch die Bitte vor ihm liegen, die Ausdruck der Sehnsucht ist]? Deshalb fährt der Psalm fort: ,...mein Seufzen ist dir nicht verborgen.' Aber manchmal sieht man auch Lachen. Ist dann das Sehnen in seinem Herzen gestorben? Gibt es eine Sehnsucht, dann gibt es auch ein Seufzen. Dies dringt nicht immer zu den Ohren der Menschen vor, aber es erreicht ohne Unterlass die Ohren Gottes [und diese Sehnsucht drückt sich auch im Lächeln aus].» 19
Was geschieht angesichts der Gnade, die unserer Intelligenz und Zuneigung ermöglicht, in das Geheimnis des auferstandenen Christus einzutreten? Was geschieht, wenn wir in das Geheimnis des auferstandenen Christus eintreten? Was geschieht im Grunde, wenn die Gnade uns als Intelligenz und Zuneigung geschenkt wird, wenn die Gnade uns zu Gläubigen macht (die liebevolle Bejahung der Wirklichkeit, die offene Zuneigung zu dem, was wertvoll ist, wobei unsere ganze Schwäche von einer unablässigen Sehnsucht, von einer Bitte durchdrungen ist)?
Was «im Grunde» geschieht (denn es ist der Eckstein, auf den alles errichtet wird), was uns aus Gnade geschenkt wird, lässt sich meines Achten mit einem Wort ausdrücken: das Wort «Licht» ("...erhelle unsere Nacht, die schon hereinbricht."20). Stellen wir uns die Nacht vor: eine tiefe Nacht, mit einem Wolkenhimmel, der die Sterne verdunkelt, eine finstere Nacht ohne Mond. Stelle wir uns nun vor, wie plötzlich die Sonne aufscheint und vergleichen beide Zustände. Die Welt ist erstanden, sie war nicht und ist erstanden. Sie wird in ihren Einzelheiten sichtbar, in den Grashalmen, den Feldblumen, im Spatz, der vom Himmel fällt, wie im Benedicite21: Himmel und Erde, Wind und Regen, Sonne und Hitze. Lesen wir nochmals aufmerksam das Benedicite der Laudes. Die Welt entsteht in diesem Licht, das auf unsere Wirklichkeitserfahrung fällt, in diesem Licht, das unser ganzes Leben erleuchtet, das heißt unser ganzes Verhältnis zur Wirklichkeit: Die Wirklichkeit wird erneuert und von Neuem geboren. Es ist kein Zufall, dass die Taufe zu Ostern gespendet wurde, und die Taufe die «neue Geburt» ist, ein neues Wachstum, eine «neue Schöpfung»: der wahre Protagonist der Geschichte, auch wenn er allein wäre und man ihn umbringen würde wie Christus.
Es ist hoch interessant, die ganze Literatur der Osterliturgie durchzulesen, die das Wort «hervorbringen», «erneuern» ständig zitiert und immer wieder nennt! Ich habe nur einen Satz gewählt, der mir prägnanter als andere erscheint: «Erneuere uns in deinem Geist, damit wir im Lichte des auferstandenen Herrn wiedergeboren werden.»22 «Damit wir im Lichte wiedergeboren werden.» Ein menschliches Wesen, das geboren wird, hat zugleich ein neues Bewusstsein der Wirklichkeit, eine Intelligenz der Wirklichkeit, es empfindet eine Zuneigung zur Wirklichkeit, hängt ihr an, umarmt sie und taucht in sie ein. Genauso wie man in das Geheimnis des auferstandenen Christus eintaucht, taucht man in die Wirklichkeit ein. Was kennzeichnet also dieses Wiederaufleben oder diese Wiedergeburt? Gibt es etwas, auf das wir das Ereignis dieser Wiedergeburt, das Ereignis dieses Wiederauflebens (ich bin ein anderer, ich bin nicht mehr ich, sondern etwas anderes, das in mir lebt23, ich bin ein neues Ich) als wesentliche Eigenschaft zurückführen können? Das neue Ich kennzeichnet die Wahrheit der Dinge, die Wahrheit der Wirklichkeit, eine Intelligenz der Wirklichkeit in ihrer Wahrheit, eine Liebe zur Wirklichkeit, in ihrer Wahrheit. Es ist ein Eintauchen in die Wirklichkeit als Wahrheit, ein Eintauchen in die Wahrheit der Wirklichkeit.
Die Osterliturgie erinnert uns vor allem daran, dass wir normalerweise in eine falsche Auffassung der Intelligenz und der Liebe zur Wirklichkeit eingetaucht sind oder zumindest dieser zuneigen. «Barmherziger Gott, durch die Erniedrigung deines Sohnes hast du die gefallene Menschheit wieder aufgerichtet [Unsere Haltung vor der Wirklichkeit, meine Haltung, ist eine gefallene. Wenn ich nicht von etwas anderem, was in mir ist, gerettet und wieder aufgerichtet werde, wenn ich nicht in das Geheimnis des auferstandenen Christus eingetaucht bin, dann ist meine Haltung dir gegenüber gefallen, und du wirst mir lästig oder ich werde dir fremd. Wenn ich dich hingegen so empfinde, wie ich es tue, dann aufgrund von etwas anderem. Und das ist kein Vorwand, um dich zu verstehen und zu lieben. Es ist etwas anderes, das in dir ist, wie in mir: Deine Wahrheit. Ich sehe und liebe dich in deiner Wahrheit und in diesem Sinne tauche ich in dich ein. Ich arbeite mit dir zusammen und schreite mit dir voran, in deiner Wahrheit], erfülle uns mit der [österlichen] Freude deiner Erlösung und befreie uns aus der Knechtschaft der Sünde, [Dieser Fall, ist eine Schuld und es gibt dabei eine Mitwisserschaft: Es ist die Benommenheit, die Zerstreuung, von der wir zuvor sprachen. Darin besteht die Unterdrückung. Es gibt niemanden, der hiervon nicht unterdrückt wäre, außer in den langen Pausen, der totalen Zerstreuung, wenn man nicht mehr Mensch ist, wie bei einem alten Menschen, der nicht mehr frei atmen kann, wie ich es aus eigener Erfahrung weiß. Aber das Problem besteht darin, dass die Jugend, dass ihr so seid! Es kann Betagte geben, die etwa durch einen schwachen Atem unterdrückt zugleich aber im Geiste frei sind. Doch umgekehrt gibt es Jugendliche, die im Geiste unterdrückt sind] führe uns zur ewigen Seligkeit.»24
Und weiter heißt es: «Gott und Vater, du erneuerst den Menschen und schenkst ihm eine größere Würde, als er sie im Anfang besaß [denn der Mensch wurde im Glanz erschaffen. Aber er ist nicht in der Lage, den ursprünglichen Glanz zu erhalten. Er verfällt und stürzt. Er ist unterdrückt. Du aber, auferstandener Christus, lässt mich im alten Glanz wiedererstehen, der über den antiken Glanz hinausgeht: Der antike Glanz wusste nichts, er verstand nicht, der antike Glanz konnte zweideutig sein bis hin zur klaren, zerstörerischen Schuld]. Blicke auf das Werk deiner Liebe, segne alle, die im Sakrament der Taufe das neue Leben empfangen haben und erhalte sie in deiner Gnade.»25
«Führe uns von der Verworfenheit der Sünde [Verworfenheit, Dekadenz hat hier einen ästhetisch, sinnlich fassbaren Sinn, es ist eine Sache die zerfällt: Die besagte Unterdrückung wird zum Verfall] zur Fülle des neuen Lebens.»26
Erlaubt mir, noch andere Texte aus der Liturgie zu zitieren. «O Gott unser Vater, die Teilnahme am Ostergeheimnis deines Sohnes befreie uns von den Schlacken der alten Sünde [Ein Leben, das gärt: das Modrige, das Ferment, das auch im Brot ist und verschimmeln kann] und verwandele uns in neue Geschöpfe»27 «[deinen Kindern], die aus dem Wasser und dem Heiligen Geist wiedergeboren sind ...»28 Es ist die Generation, von der wir zuvor gesprochen haben: wir, deine Kinder sind es, die «... von Schuld frei bleiben und die Herrlichkeit erlangen, die du uns verheißen hast»."29 Frei von jeder Schuld, können wir die Wirklichkeit erben, wie sie uns verheißen wurde, das heißt in ihrer ursprünglichen Gestalt, in ihrer ursprünglichen Reinheit, in ihrer Wahrheit. «? In dieser österlichen Zeit erfahren wir deine Barmherzigkeit in reicher Fülle, denn du hast uns aus der Finsternis des Irrtums heraus- geführt [aus dem dunklen, dekadenten Leben]. Gib, dass wir deine Wahrheit gläubig erfassen und in unserem Leben festhalten.»30 «Und da du ihn mit der Gnade dieser heiligen Geheimnisse erfüllt hast, gewähre ihm, aus der Schwäche der menschlichen Natur zum neuen Leben zu gelangen.»31 - «Aus der Schwäche der menschlichen Natur»: Der ursprüngliche Glanz war wie ein Meteor, wie eine angedeutete ideale Zeichnung, weil der Mensch von Geburt an mit einer inneren Schwäche behaftet ist. Der Herr führt uns so von der angeborenen Schwäche zum neuen Leben.

Es gibt ein Wort, das wir bereits benutzten, und nun in den Mittelpunkt der Frage nach der geschaffenen Natur, nach uns als Geschöpfen, nach mir, nach uns, nach der ganz Welt als Geschaffener stellen müssen. Denn wir können nur durch die Wiedergeburt, die der Glaube an den auferstandenen Christus verwirklicht und wirkt, neu erstehen. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Stück von Dante lesen: «Ich sehe wohl, wie schon in deinem Geiste / Das ewige Licht zu leuchten hat begonnen [in deinem Herzen scheint das ewige Licht: Der Vergleich verweist auf die Sehnsucht nach Ewigkeit und die Unruhe des Herzens]; / Das stets mit seinem Anblick Licht entzündet [Es lässt das, was Wert hat und wirklich authentisch ist, liebevoll bejahen] / Wenn andere Dinge eure Liebe locken, [wenn etwas anderes eure Liebe verführt: euer Urteil und eure Zuneigung]. So ist es doch nur eine Spur von dieser ["Wenn andere Dinge eure Liebe locken"" ..." dann sind diese andere Sachen nichts anderes als Zeichen], / Die, missverstanden,... [die nicht ihrer Natur nach verstanden werden, weil sie dich nicht auf anderes verweisen. Du nimmst sie, besitzt sie, glaubst sie zu besitzen, außer dort, wo sie wirklich sie selbst sind. Deshalb sagst du etwa von der Frau: "Ich liebe dich" und doch ist es Lüge. Oder du sagst "Arbeit" und doch ist es Lüge, Lüge gegenüber den Dingen, Lüge gegenüber der Zeit, die du den Dingen widmest, Lüge gegenüber der Gemeinschaft und dem Volk, dem du mit der Arbeit dienst, oder dienen solltest.] Darin wiederscheinet [das, was dich in den Dingen anzieht, was in ihnen durchscheint] / Ich sehe wohl, wie schon in deinem Geiste / Das ewige Licht zu leuchten hat begonnen / Das stets mit seinem Anblick Licht entzündet; / Wenn andere Dinge eure Liebe locken, / So ist es doch nur eine Spur von dieser / Die, missverstanden, darin wiederscheinet»32: Es ist die Wahrheit, die durchscheint, die Wahrheit der Dinge. «Ob ihr also esst oder trinkt, ihr seid in Christus; ob ihr wacht oder schlaft, ihr seid in Christus; ob ihr lebt oder sterbt, ihr seid in Christus.»33
Wollen wir die Dinge von dem lösen, was ihnen Bestand gibt? «Alles hat in Ihm Bestand.»34 Dieser Mensch, der auferstanden ist und dies allen Menschen zuruft. Er ist der Ruf, mit der das ewige Geheimnis der Dreifaltigkeit dem ganzen Universum zuruft, der ganzen Welt, der ganzen Geschichte, dass dieser Mensch, das Fleisch gewordene Wort, der Bestand von allem ist. Wenn alles in ihm Bestand hat, wollen wir dann Personen oder Dinge, Zeit, Raum oder Projekte jenem entziehen, der ihnen Bestand gibt? Die Folgen wären Schuld, Verfall, Lüge, Nichts. Deshalb sagt die Liturgie dieser Zeit: «Großer und barmherziger Gott, der du im auferstandenen Herrn die Menschheit zu ewigen Hoffnung zurückführst.»35 Jede Sache hat einen Fluchtpunkt in der Ewigkeit und die Ewigkeit ist das, was dich anzieht, weil es dem Maß des Herzens entspricht. Wollen wir mit den Menschen und Dingen ohne ewige Hoffnung in Beziehung treten? Wenn es diese Hoffnung nicht gibt, dann verlieren wir die Menschen und Dinge. Indem wir sie ergreifen, verlieren wir sie. Indem wir zugreifen, verschleißen wir sie. «Du hast uns aus der Finsternis des Unglaubens befreit»36, erleuchte die Nacht, die voranschreitet. Er hat uns von der Finsternis durch die Gabe des Glaubens befreit. Er ist das Licht, nicht die Finsternis, die Wahrheit, nicht das, was es uns zu sein scheint. Die Wahrheit ist das, was vor den Engeln Gottes, im Herzen des Kindes aufgrund seiner Ausrichtung und seinem Maß erscheint, aber noch genauer, das, was dem Armen im Geist, der einfachen Intelligenz, von der ich vorher sprach, erscheint.

«O Gott ? damit in der Unbeständigkeit dieses Lebens unsere Herzen dort verankert seien, wo die wahren Freuden sind.»37 Es geht nicht darum, auch nur ein Haar auf dem Kopf zu verleugnen. Es geht darum, die Intelligenz des Wahren zu lieben, die Wahrheit der Zuneigung zu lieben. All das ist allein möglich, wenn wir das Geheimnis Christi anerkennen und darin eintauchen.
Ino Biffi schreibt: «Ohne Zweifel ist die Auferstehung für Jesus selbst etwas Neues und Ursprüngliches [versetzen wir uns in diesen Menschen, der aufersteht. Für ihn ist dies etwas Neues, Ursprüngliches, genau wie für uns], ein sicherlich historischer Augenblick [es ist geschehen und damit ist es auch historisch]. Andererseits enthebt es ihn der natürlichen Form der Erfahrung.»38 Jesus hat beim Auferstehen eine neue Erfahrung seines Menschseins gemacht, seines Daseins vor den Menschen, seines Seins in Raum und Zeit, des Gehens und Essens. Es ist eine Erfahrung, die der normalen Form der Erfahrung enthoben ist. Als er aß oder vor Maria und den Aposteln stand, war dies nicht so, wie es für uns gewesen wäre. Er stand vor ihnen und vor allem im Besitz der letzten Perspektive, in der Wahrheit, in ihrer Wahrheit. Wenn es aber nicht die natürliche Form der Erfahrung ist, was ist es dann? Es ist die wahre Form, es ist die Form der wahren Erfahrung, ewig, «weil auch jedes unnütze Wort, einen ewigen Wert besitzt.»39 - «Sogar die Haare auf eurem Kopf sind gezählt»40, von Ewigkeit. Die Auferstehung ist «ein neues und ursprüngliches Faktum, das ihn der natürlichen Form der Erfahrung enthob.» Das der natürlichen Form der Erfahrung enthobene Sein heißt auch Jungfräulichkeit: Eine Beziehung, die einen Abstand einschließt, der die Wahrheit der Gegenwart ist. Eine Beziehung, wo der Fluchtpunkt nicht vermieden, nicht ausgeschlossen, nicht aus den Gedanken verbannt wird. Er unterliegt nicht dem Anspruch, alles zu nehmen, - was schließlich dazu führt, alles zu verlieren. In der Erfahrung des auferstandenen Christus, der natürlichen Form der Erfahrung enthoben sein, setzt sich in der Geschichte als Jungfräulichkeit fort: ein Besitz, der einen Abstand einschließt, wobei der Fluchtpunkt noch lebendig ist, er stellt noch eine Verletzung dar, er ist noch offen, in Erwartung, unterwegs, er fragt, bittet noch um das Ewige.
«Die Auferstehung hat Christus der natürlichen Form der Erfahrung enthoben - aber Vorsicht! -, sie hat ihn zugleich noch tiefer in unsere Geschichte eingeführt [wie ich bereits sagte: nichts wird ausgeschlossen]. Er ist bei uns bis zum Ende der Welt [mit der Wirklichkeit bis zum letzten Blutstropfen, bis zum letzten Haar]. Der Auferstandene gehört der himmlischen Welt an [die Tragödie besteht für uns aber darin, dass wir die himmlische Welt als eine abstrakte Welt ansehen, die irgendwo im Jenseits liegt, als eine andere Welt. Wir haben hingegen stets betont, dass es die Wahrheit dieser Welt ist, dass es die Wahrheit von dir in meinen Augen ist, in meiner Intelligenz, in meinem Herzen. Es ist die Wahrheit von dir. Wir können täglich tausendmal dagegen verstoßen, aber uns ist es inzwischen nicht mehr möglich, dies zu umgehen, es ist unmöglich, dem Bund des Auferstandenen mit uns untreu zu sein, der Einheit mit ihm: «Ich bin der Weg.»] Die Auferstehung ist die Herrschaft Christi. Das ist auch für die Jünger ein neues und ursprüngliches Faktum. Aufgrund der Auferstehung sehen sie Jesus und seine Geschichte in einem neuen Licht. Sie entdecken ihn endgültig in seiner Identität [das, was er wirklich ist], und sie hängen ihm an, ohne Wankelmut [vielleicht mit Augenblicken der Untreue, aber ohne Wankelmut: Welch ein Paradox! Die Untreue ist ein Fallstrick der Schwäche, aber Wankelmütigkeit bedeutet, den Weg zu verlassen.], nach der Erschütterung und der beunruhigenden Prüfung des Kreuzes.»41
Zum Abschluss möchte ich noch einen Vergleich erwähnen, den ich bereits bei den vergangenen Exerzitien gezogen haben und oft erwähne: Die neue Erfahrung, die der natürlichen Form der Erfahrung enthoben ist, schließt etwas Faszinierendes ein, das man im Bezug auf Raum und Zeit verstehen kann. Raum und Zeit sind Faktoren, die Geist und Bewusstsein erlauben, sich zu verwirklichen und zu einer sichtbaren, berührbaren, hörbaren Erfahrung zu werden. Zeit oder Raum sind Faktoren, die dem Bewusstsein erlauben, sich auszudrücken, sich in der Geschichte zu verwirklichen. Und deshalb sind sie Instrumente der Ausdrucksfähigkeit. Wo ich Raum und Zeit habe, bringe ich mich zum Ausdruck, behaupte ich mich und werde vollkommen. Ich erfülle den Augenblick, ich erfülle meinen Augenblick. Aber Raum und Zeit sind in dieser Situation nicht nur Faktoren, die mir erlauben, mich zu verwirklichen. Sie sind auch Grenzen, die mir verwehren, mich außerhalb der Grenzen jenes Raumes und jener Zeit zum Ausdruck zu bringen. Ich bin ihr Sklave und Gefangener. Es sind also Faktoren der Ausdrucksfähigkeit, die mich zugleich begrenzen. Denn wenn ich in diesem Augenblick an diesem Ort zu euch rede, kann ich nicht in Mailand beim Treffen von Freunden sein, um zu ihnen sprechen. Raum und Zeit halten mich hier gefangen. Die neue Form der Erfahrung, die der auferstandene Christus als Mensch gemacht hat, die er lebte, lebt und bis zum Ende der Zeiten leben wird, besteht darin, dass Raum und Zeit nicht mehr begrenzen, sondern nur noch Faktoren der Ausdruckskraft sind. Deshalb konnte er zur selben Zeit im Raum von Jerusalem und von Judäa sein: Christus kann in der Eucharistie in Tokio und im Dom von Mailand sein. Raum und Zeit sind für Ihn nur Instrumente der Ausdruckskraft. Dasselbe werden wir vollkommen am Ende der Zeit erfahren, wo aller Ausdruck vollkommene Verwirklichung sein wird.
Wenn wir also an der neuen Erfahrung des Menschen Christi teilnehmen, der von den Toten auferstanden ist und bis zum Ende der Zeiten lebt, dann nehmen wir auch anfänglich aber unvermeidlich an dieser Herrschaft über Raum und Zeit teil. Und dies erhebt die Berufung zur Jungfräulichkeit: Nur in der Jungfräulichkeit einer Berufung beginnen Raum und Zeit durchlässiger, geschmeidiger zu werden. Sie sind keine Mauern oder Eisenstangen eines Gefängnisses mehr. Wenn jemand etwas studiert und dies im gestorbenen und auferstandenen Christus aufopfert, dann erreicht dieser Augenblick des Studiums die ganze Welt, auch die armen Menschen in Afrika und Südamerika. Er schreibt sich - ohne zu wissen wie - in Raum und Zeit der Menschen ein, die dort als Gefangene beziehungsweise das Gefangensein leben. Du verstehst es jetzt noch nicht, aber je mehr du darin reifst, je mehr du es erfährst, desto mehr lebst du deine Erfahrung als Mensch in dieser Stunde als Erfahrung der Herrschaft über die Welt, die Intelligenz, die Bestimmung der Welt, als Liebhaber der Welt. Du lebst den Augenblick immer mehr als liebevolle Bejahung von allem. Dann aber lebst du auch die Beziehung zur Person, die du liebst, auf diese Weise, auch die Beziehung zur Person, die dir lästig ist, die Beziehung zur Last des Tages, die Beziehung zur Freude eines Vergnügens oder zu dem, was dir fremd ist und dich den Tag über von allen Seiten einzwängt. Entsprechend lebst du auch in Beziehung zu dem, was du nicht weißt und nicht kennst, dessen Auswirkungen du aber erfährst, auch angesichts der Abholzung des Regenwaldes, der Barbarei in der Politik oder angesichts von Tschernobyl und Aids. Angesichts von allem lebst du eine Erfahrung, die dir die Herrschaft über alles gibt: Du nimmst Teil an der Herrschaft Christi, als Bewusstsein deiner Erfahrung, als Bewusstsein deiner selbst, als Bewusstsein von dir im Handeln, das heißt von dir in der Erfahrung, von dir als Existenz.
Es gibt keine Alternative zwischen dem auferstandenen Christus und dem völligen Verfall in das Nichts, der Zersetzung, die umbringt, die verändert und tötet. Es gibt nichts, was den Unterschied zwischen dieser Wahrheit und der Lüge in unseren Beziehungen aufheben kann: Entweder die Zustimmung zu dieser Wahrheit, oder die Lüge in unseren Beziehungen. Selbst das Intimste und Geliebteste würde uns letztlich völlig gleichgültig lassen. Andererseits wird die geliebte Beziehung aber ewig, ein bereits ewiger Besitz, wie Dante gesagt hat, wenn in ihr etwas «durchscheint», das du anerkennst. Und deshalb umarmst du das, was du liebst, mit jenem Abstand in dir, der dich sagen lässt: «In dir, Christus, leuchtet der große Andere auf. Ich liebe dich wie Christus, ich liebe Christus in dir, ich liebe dich in Christus. Und doch ist es dasselbe, ohne irgendeine Künstlichkeit und ohne jede Abstraktion. So sprach Kardinal Joseph Ratzinger auch vom «Fleisch»: Man solle nicht «auferstanden von den Toten», «auferstanden vom Bösen», von den Sünden, sondern «auferstanden im Fleisch» sagen, in den Dingen, wie sie sind. Und so gibt es keinen Fremden mehr, und wenn es auch der entfernteste Mensch ist, der in Kamtschatka oder Australien wohnt. Es gibt keinen Fremden mehr, und alles gehört mir, mit jenem Trost und jenem Frieden, den mir die Wahrnehmung des Fluchtpunktes ermöglicht. Er ist in allem, verbindet alles und jedes mit der letzten Bestimmung, mit dem letzten Geheimnis. Dieses Geheimnis hat sich in seiner ganzen Macht und seinem ganzen Erbarmen und seiner ganzen Gerechtigkeit offenbart: Der auferstandene Christus.
«Ex uno Verbo omnia»: Aus einer einzigen Sache alles, aus einer einzigen Wirklichkeit alles. Und diese einzige Sache, die alle Dinge ausrufen, ist das, was auch zu dir spricht, das mit der letzten Anziehungskraft übereinstimmt, die dein Herz kennzeichnet. «Ex uno Verbo omnia et unum loquuntur omnia, et hoc est Principium quod et loquitur nobis»42, oder wie es Jacopone da Todi sagt: «Amore, amore, omne cosa conclama.»43
Und dies ist der Grund, weshalb wir jeden Morgen aufwachen: Es ist ein Horizont und eine Bestimmung, eine Intensität an Erregung, ein Leben und ein Besitz, weil ein Anderer einen besitzt. Es ist ein Besitzt-sein, von dem der Besitz ausgeht, von dem die Erregung und die Intensität ausgeht, von dem die Katholizität, die Gesamtheit der Beziehungen mit dem Kreuz im Inneren ausgeht (ein Besitz mit einem inneren Abstand). Das, wovon alles ausgeht, ist die Tatsache, dass der auferstandene Christus von einem Besitz ergriffen hat, und dass man somit «in das große Geheimnis eingetaucht» ist. Der Morgen ist uns gegeben, um diese elementare, ursprüngliche Wahrheit unseres Geschöpfseins wieder aufzunehmen, zu der wir berufen und auserwählt wurden. Wir gehören der Generation an, die den Herrn sucht, «die dein Angesicht sucht, Gott Jakobs»44. Wir sind Teil der Geschichte Israels, wir sind Teil der Geschichte des Benedictus. Und vor der Welt sind wir wie Johannes der Täufer: «Und du Kind wirst Prophet des Höchst heißen ...»45 Propheten: Unsere Existenz muss der Welt davon künden. Aber dies ist eine andere, weitere Frage.

Fussnoten:

1Apg 17, 30-31.
2Joh 17, 1.
3Apg 4, 7b-12.
41 Kor 15, 1-17.19-22.
5Artikel im Messaggero, Ostern 1992, zitiert im Editorial von Il Sabato, 2. Mai 1992, S.3.
6Editorial von Il Sabato ..., op.cit.
7Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Übersetzung des Artikels Carnis resurrectionem aus dem Apostolischen Glaubensbekenntniss, 14.12.1983: Notitiae 20 (1984) 212, S.180-181.
8Vgl. Romano Guardini, Dantestudien, München 1958.
9Hymnus der Laudes der Trappisten von Vitorchiano.
10Vgl. Ps 118 (117), 22.
11Vgl. Thomas von Aquin, I Sent., d. 42. q. 2, a 2, ad 4; I-II, q. 114, a. 2.
12Mt 18, 3.
131Kor 15, 17.
14V. Sonntag im Jahreskreis im ambrosianischen Ritus.
15Giacomo Leopardi, Canti/Gesänge, München 1989, S. 200 ff.
16Die italienische Regisseurin Liliana Cavani sagte bei einer Veranstaltung am 7. November 1991 im damaligen Mailänder Kulturzentrum San Carlo, dass für sie der Mittelpunkt der Gestalt des heiligen Paulus in dem Ausruf bestehe: «Christus ist auferstanden». Und sie betonte, dass auch sie tief berührt worden wäre, hätte sie einen Christen getroffen, der gesagt hätte: «Christus ist auferstanden.»
17Aurelius Augustinus, Kommentar zu Psalm 86,1.
18Gemeint sind die Wohngemeinschaften der Memores Domini.
19Aurelius Augustinus, Kommentar zu Pslam 37, 13-14.
20Hymnus der Vesper in der Osterzeit, Des Lammes Blut befreie uns aus Knechtschaft.
21Vgl. Dn 3, 57-88.
22Stundengebet, Oration zum Mittagsgebet am Ostertag.
23Vgl. Gal 2, 20.
24Stundengebet, Oration der Laudes des XIV. Sonntags im Jahreskreis.
25Stundengebet, Oration der Laudes vom Donnerstag der IV. Woche nach Ostern.
26V. Sonntag nach Ostern, Oration nach der Kommunion.
27Mittwoch der VIII. Woche nach Ostern, nach der Kommunion.
28Stundengebet, Oration des Mittagsgebets vom Mittwoch der III.Woche nach Ostern.
29Dienstag der III. Woche nach Ostern.
30Stundengebet, Oration der Laudes vom Dienstag der III. Osterwoche.
31Donnerstag der V. Woche nach Ostern, Gebet nach der Kommunion.
32Dante Alighieri, Göttliche Komödie, Paradies V, 7-12.
33Vgl. 1Kor 10, 31; 1Thess 5, 10; Röm 14, 8.
34Vgl. Kol 1, 17.
35Donnerstag der VI. Woche nach Ostern.
36Mittwoch der V. Woche nach Ostern.
37XXI. Sonntag im Jahreskreis.
38Inos Biffi, Gastbeitrag zu Ostern für Avvenire.
39Vgl. Mt 12, 36.
40Vgl. Mt 10, 30.
41Inos Biffi, a.a.O.
42Nachfolge Christi, Erstes Buch, 3,8.
43Jacopone da Todi, Como l'anima se lamenta con Dio de la carità superardente in lei infusa, lauda XC, in Le Laude, Libreria Editrice Fiorentina, Florenz1989, S. 318.
44Ps 24 (23), 6.
45Lk 1, 76.