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Der heilige Benedikt
... und die Kultur wird wiedergeboren


In einer Zeit, in der sich das Römische Reich und die ganze damalige Welt in Auflösung befinden, markiert der heilige Benedikt den Beginn eines neuen Zusammenlebens. Ein Teil der Menschheit beginnt, die Existenz nicht als Chaos, sondern als Ordnung zu leben. Das Zeugnis dieses andersartigen Zusammenlebens bringt eine neue Kultur hervor. In der menschlichen Weggemeinschaft im Namen Christi beginnt der Mensch endlich, er selbst zu sein. Denn er wird sich seines Ursprungs, seiner Beschaffenheit und seiner Bestimmung bewusst. Deshalb bleibt der heilige Benedikt zeitgemäß.

Wir brauchen Menschen, die ihren Blick auf Gott gerichtet halten und von daher die wahre Menschlichkeit erlernen. Wir brauchen Menschen, deren Verstand vom Licht Gottes erleuchtet und deren Herz von Gott geöffnet ist, so dass ihr Verstand zum Verstand der anderen sprechen, ihr Herz das Herz der anderen auftun kann. Nur über Menschen, die von Gott berührt sind, kann Gott wieder zu den Menschen kommen. Wir brauchen Menschen wie Benedikt von Nursia, der in einer Zeit der Auflösung und des Untergangs bis in die äußerste Einsamkeit hinabgestiegen ist und nach allen Reinigungen, die er durchlitten hatte, ans Licht treten, wieder hinaufsteigen und in Montecassino die Stadt auf dem Berg gründen konnte, die durch alle Untergänge hindurch die Kräfte sammelte, aus denen sich eine neue Welt bildete. So ist er wie Abraham Vater vieler Völker geworden. Die Mahnungen für seine Mönche, die er an den Schluss seiner Regel gestellt hat, sind Weisungen, die auch uns den Weg zeigen, der aus den Krisen und Zerstörungen heraus zur Höhe führt: «Wie es einen bitteren Eifer gibt, der von Gott trennt und zur Hölle führt, so gibt es auch einen guten Eifer, der von der Sünde trennt und zum ewigen Leben führt. Das ist der Eifer, den die Mönche in glühender Liebe betätigen sollen: Sie sollen einander in gegenseitiger Achtung übertreffen. Sie sollen ihre leiblichen und ihre charakterlichen Schwächen in großer Geduld aneinander ertragen ? Sie sollen einander selbstlos die brüderliche Liebe erweisen ? Gott sollen sie in Liebe fürchten ? Sie sollen nichts höher stellen als Christus, der uns alle zum ewigen Leben führen möge» (Regula Benedicti, 72. Kapitel).

(Joseph Ratzinger, in: M. Pera, J. Ratzinger, Ohne Wurzeln. Der Relativismus und die Krise der europäischen Kultur, Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2005)

Der heilige Benedikt findet die gesellschaftliche und materielle Welt in Trümmern vor. Seine Sendung besteht darin, sie wieder in Ordnung zu bringen, und zwar nicht mit wissenschaftlichen, sondern mit natürlichen Mitteln, ohne den Anspruch, innerhalb einer bestimmten Zeit damit fertig zu sein und ohne dass er sich außergewöhnlicher Gegenmaßnahmen oder großer Gesten bediente. Statt dessen macht er sich so ruhig und geduldig ans Werk, dass es nicht selten bis zu seiner Vollendung unbemerkt bleibt. Es handelt sich eher um einen Wiederaufbau als um ein mildtätiges Werk, ein Verbessern oder eine Umkehr. Das Entstehen des neuen Bauwerks ist eher ein Wachsen, denn ein Konstruieren. Man sieht schweigende Männer auf dem Feld oder im Wald graben, die Erde ausheben und bauen. Andere schweigende Männer, die man nicht sieht, sitzen hinter kalten Klostermauern, strengen ihre Augen an, konzentrieren ihren Geist, um die Handschriften, die sie gerettet haben, mühevoll wieder und wieder zu kopieren. Keiner von ihnen protestiert, keiner jammert, niemand zieht die Aufmerksamkeit auf das, was er gerade tut. Ein ums andere Mal wird aus sumpfigen Wäldern Einsiedeleien, Klosterbehausungen, Gehöfte, Abteien, Dörfer, Seminare, Schulen und schließlich Städte.

(J.H. Newman, Historical Studies, II)

... einst hatte diese Gemeinschaft oder dieser Weg einen beträchtlichen Umfang, beträchtlich von der Stärke der Mauern und vom ästhetischen Schwung her gesehen. Nichts ist schöner und faszinierender in der weit zurückliegenden Zeit der Geschichte als das Kloster. Die Mauern bedeuten Schutz vor den Feinden (auch im ganz konkreten Sinn), die Schönheit ihrer Architektur hat nur einen einzigen Rivalen: die Schönheit des Gesanges und des Gebetes, von denen diese Mauern und Gewölbe widerhallten. Jetzt ist das Ganze mehr ins Geistige, ins beinahe Unmerkliche verlagert. Es erscheint nahezu haltlos. Die meterdicken Mauern von einst - sie sind verschwunden; verschwunden auch die Gewölbe, jene Räume, die schon als solche die Seele anlockten; verschwunden auch die faszinierende Anziehungskraft des regelmäßigen Gesanges und Gebetes. Was nun da ist, ist die Weggemeinschaft unter uns, unsere Freundschaft; eine Weggemeinschaft, in der alles vom guten Willen abhängt, vom Willen der Einzelnen, die daran teilhaben. Diese Weggemeinschaft muss die Mauern von einst ersetzen. Sie muss das Echo jener Gesänge und Gebete ausfindig machen. Sie muss in der Lage sein, einen Blick zu erwecken, der wenigstens in gewisser Weise die physische Anziehungskraft Gottes in seiner Wirklichkeit innerhalb der Welt wahrnehmen lässt, die Anziehungskraft des Merkmals Christi - jene Anziehungskraft, die Merkmal Christi ist.

(Luigi Giussani)