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Der heilige Benedikt
Die Schlacht des Lebens
Laura Cioni

Die Arbeit des Mönchs ist ihrer Natur nach friedlich, aber in Wirklichkeit ein Kampf. Seine Waffe ist der Gehorsam.

Der heilige Benedikt lebte in einer Zeit der Barbarei: Das Weströmische Reich war gefallen, die germanischen Stämme brachen über sein Gebiet herein und brachten Kriege und Verwüstung. Auf dem Land war alles verödet, in den Städten herrschte Anarchie: Das war das Dunkle im Mittelalter! Benedikt scheint zunächst dieser Welt der Ruinen zu entfliehen und das zerrüttete Rom hinter sich zu lassen. Aber sein Rückzug führt zu einem unvorhergesehenen Ausgang: Benedikt wird der Gründer eines Mönchsordens. Mit dem Ziel, Gott durch Gebet und Arbeit die Ehre zu geben, lässt er gleichzeitig das religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Gewebe Europas neu erstehen. Ein riesiges Unterfangen, das sich da verwirklicht: langsam wie eine Hacke, die den Erdboden zerfurcht, und unaufhaltsam wie die Kraft eines guten Samens, der in die Erde geworfen wird. Seit Vergil weiß jeder, dass Soldaten und Bauern alte Feinde sind. Und doch scheint Benedikt in den Charakterzügen, die er in seinen Mönchen formt, die Stärken beider zusammenzufügen. Zu Beginn des Prologs seiner Regel wendet er sich an den Zuhörer und lädt ihn ein, durch die Mühe des Gehorsams gegenüber dem, von dem er sich aus Faulheit des Ungehorsams entfernt hat, umzukehren. Das Mönchsleben ist eine Arbeit, die dem Menschen seine Sohneswürde zurück-gibt. Aber diese Arbeit, die ihrer Natur nach friedlich ist, erweist sich als ein Kampf. Und wer sich auf ihn einlässt, muss zum Kämpfen bereit sein - militaturus -, indem er die unbesiegbaren und ruhmreichen Waffen des Gehorsams in den Händen führt.
Hier sieht man, wie beim Aufbau einer vielleicht harten, aber doch sehr faszinierenden Figur der Fleiß des Bauern und die Disziplin des Soldaten zusammengeschweißt werden. Der Abt hat die Züge eines Feldherrn, eines Grundbesitzers und eines Vaters: Er führt seine Männer an in der Unternehmung der Identitätsfindung einerseits und dem Aufbau einer Schule zum göttlichen Dienst andererseits. Dabei versteht sich von selbst, dass kein Meister vom Himmel fällt und dass man zum Bauern und Soldaten erst erzogen werden muss. Um sich Stärke und Festigkeit, aber auch Sanftmut und Ausgeglichen-heit anzueignen, bedarf der Mensch einer Erziehung.
Man mag sich die vielen Menschen in ihren groben Kutten vorstellen, wie sie bei ihrer Arbeit über das unbestellte oder sumpfige Land Europas gebeugt sind, immer bereit, dem Wink ihres Oberen zu folgen, stille Arbeiter unter dem Himmel oder im Halbschatten der Kreuzgänge oder hinter den dicken Mauern der Kirchen.
Papst Gregor der Große, selbst ein Mönch, gibt uns in seiner Lebensbeschreibung des heiligen Benedikt einen Einblick in dieses Arbeitsleben. Er erzählt von einem Mönch gotischer Abstammung. (Daran sieht man, dass im Orden sowohl Römer als auch Germanen aufgenommen werden, in einem Gemisch von Gebräuchen und Sprachen, die in einer Zeit der Auseinandersetzungen unter so verschiedenartigen Völkern nur die kluge Behutsamkeit des Gründers zusammenhalten konnte.)
Eines Tages war jener besagte Gote dabei, ein Gelände von dornigem Gestrüpp zu befreien, um einen Garten anlegen zu können. Als er sich gerade am Ufer eines Sees befand, löste sich ihm bei der Arbeit die Sichel von ihrem Stiel und fiel ins Wasser, das so tief war, dass es keine Hoffnung gab, sie wieder heraufzuholen. Der arme Gote lief sogleich zu dem Mönch, der die Arbeiten leitete und bat um die entsprechende Buße für seine Unachtsamkeit. Die Sache wurde dem heiligen Benedikt hinterbracht. Der kam zum Ufer des Sees, nahm den Stiel des Werkzeugs aus den Händen des Mönches und barg die Sichel auf wundersame Weise aus dem See. Dann gab er dem Goten das Werkzeug zurück und sagte zu ihm: «Da hast du sie wieder! Arbeite, und freue dich!» - Eine hagiografische Übertreibung? Vielleicht, aber voller Lebendigkeit und Sinn!
Wir befreien heute kein Land von dornigem Gestrüpp, aber auch wir wollen an jener Freude teilhaben, die dazu verhilft, in Dankbarkeit einer fruchtbringenden Arbeit nachzugehen - womöglich in der Erde der Zugehörigkeit verwurzelt und die Augen zum Himmel erhoben.