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CL - Ausstellung Die weisse Rose
Die Entdeckung des eigenen menschlichen Antlitzes
Maximilian Czech

Anfang April wurde in der Universität Wien die Ausstellung "Die Weiße Rose - Gesichter einer Freundschaft" vorgestellt. Dabei kamen auch Frau Anneliese Knoop-Graf und der Regisseur des Films "Sophie Scholl", Marc Rothemund, zu Wort. Im folgenden geben wir den Beitrag von Maximilian Czech wieder. Der Medizinstudent berichtete über seine persönlichen Erfahrungen und die Entstehungsgeschichte der Initiative.

Bei den Vorbereitungen der Ausstellung und den Führungen während der vergangenen zehn Tage habe ich immer versucht, eine Antwort zu finden auf die Frage: Wer waren diese Menschen?
In der Weißen Rose habe ich geballt, in voller Dosis meine eigene persönliche Sehnsucht entdeckt. Diese Menschen haben gelebt. Sie haben gelebt in einer unglaublichen Intensität, und das in einer Zeit der Diktatur, im Krieg, in schrecklichen Zeiten.
Den Gipfel der Intensität möchte ich in einem Zitat von Sophie Scholl veranschaulichen. Sie sagt über ihren Bruder Hans: «Er hatte sich aus der letzten Zone der Sicherheit herausbegeben. Nun stand er im Bereich des Wagnisses, am Rande des Daseins, in jenem ungeheuren Bezirk, in dem schrittweise neues Land für die Menschen erobert werden muss, erkämpft, errungen, erlitten.»
Sie haben gelebt trotz Diktatur. Wir heute leben in einer demokratischen Republik, wir sind frei, wir können tun, was wir wollen. Worin liegt die größte Gefahr unserer Zeit? Wir haben Angst vor dem geplanten Terrorismus, vor der Vogelgrippe, vor Atombomben. Diese Ängste sind berechtigt, aber ich glaube, die größte Gefahr heute ist der Relativismus. Der Relativismus der kein großes Ideal toleriert. Er durchsickert uns im Namen der political correctness und führt letztlich ins Nichts, zum Nihilismus, der sich gegen das eigene Ich richtet, der das eigene Ich zerstört. Wenn wir die Augen öffnen, werden wir jede Menge Beispiele in unserem Leben finden: Gewisse Dinge darf man nicht sagen und schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Oder ich kenne einige Menschen in meinem Alter, die ihr Leben zerstören für einen perfekten Lebenslauf. Ein anderes Beispiel: Ich bin Medizinstudent und das, was ich oft bei meinen Praktika erlebt habe im Spital, geht in dieselbe Richtung, wenn ich an die Würde des Menschen, an den Wert der Person denke. Oder schauen wir auf die Beziehungen, die wir leben, oft bleibt nur Einsamkeit, Angst, Isolierung.
Papst Benedikt hat damals noch als Kardinal zu Beginn der Papstwahl gesagt: «Dabei erscheint der Relativismus, das heißt das Sich-treiben-lassen hierhin und dorthin von jedwedem Wind der Lehre, als die einzige Haltung auf der Höhe der Zeit. Es bildet sich eine Diktatur des Relativismus heraus, die nichts als definitiv anerkennt und die als Maß nur das eigene Ich und seine Wünsche gelten lässt.»
Wenn wir das Leben der Personen der Weißen Rose betrachten, sehen wir, wie durch ihre Sehnsucht nach Leben, die Sehnsucht nach Freiheit, die Suche nach der Wahrheit Gott immer mehr in ihr Leben eindringt. Das fasziniert mich, weil auch ich das zu 100 Prozent genauso erlebe. Für mich liegt das Kriterium zu leben in der Freundschaft mit Christus. Es ist dieser wahre Mensch, der als Ideal ständig vor mir steht, und er ist der einzige, der es schafft, aus mir einen echten Menschen zu machen.
Hans Scholl sagt dazu: «Es hat sich im Grunde etwas gefestigt, das mir zum Halt geworden ist in dieser Zeit. Ich habe den einen, den einzig möglichen und dauernden Wert gefunden. Die Stelle im Kopfkissen, die nie kalt oder warm wird. Endlich weiß ich, an welcher unversieglichen Quelle ich meinen fürchterlichen Durst löschen kann.»
Wir, die wir die Ausstellung nach Wien geholt haben, wollen durch die Weiße Rose sagen, dass jeder Mensch aufgerufen ist, Protagonist seines Lebens zu sein. Es gibt kein Rezept dafür, aber die Geschwister Scholl und ihre Freunde zeigen uns die Methode, und zwar ist es eine persönliche Arbeit: der Vergleich mit dem eigenen Herzen. Dieser ständige Vergleich, egal ob unter dem Druck einer Diktatur wie damals oder in unserer heutigen Mentalität, ist nur möglich innerhalb einer Freundschaft. Diese Menschen entdeckten sich selbst, ihre eigene ursprüngliche Persönlichkeit. Innerhalb dieser Freundschaft entfaltete sich ihre Persönlichkeit und es erwachte eine innere Freiheit, die sogar die Nazi-Chefs nervös werden ließ.
Ich möchte mit einem Zitat von Giussani schließen. Giussani war ein Mailänder Priester, der die katholische Bewegung Gemeinschaft und Befreiung gegründet hat. Dieser Priester hat auch mich genau diese Art, diese Ebene von Freundschaft entdecken lassen. Er sagt: «Nichts ist so faszinierend wie die Entdeckung der wirklichen Dimensionen des eigenen Ichs, nichts ist so reich an Überraschungen wie die Entdeckung des eigenen menschlichen Antlitzes.»